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Rezensionen zu
Zwischen Welten

Juli Zeh, Simon Urban

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MEINUNG: Seit Über Menschen bin ich den Romanen von Juli Zeh ein bisschen verfallen. Ich habe im Anschluss gleich noch Leere Herzen gelesen und als ich gesehen habe, dass sie einen Roman, sogar einen Briefroman, zusammen mit Simon Urban (von dem ich allerdings noch nichts kenne) veröffentlichen wird, war für mich klar - Das muss ich lesen! Teresa und Stefan haben zusammen studiert und in einer WG zusammen gewohnt. Durch Zufall treffen sie nach 20 Jahren in Hamburg wieder, wo Stefan inzwischen Zeit  wohnt und arbeitet. Er ist stellvertretender Chef-Redakteur bei der BOTE, Deutschlands größter Wochenzeitung. Theresa ist nach dem Studium, was sie nicht beendet hat, in ihrer brandenburgische Heimat zurück gekehrt und betreibt dort den elterlichen Bio-Milchhof weiter nach dem Tod ihres Vaters. Die Begegnung endet im Streit, aber es folgt ein langer und ausgiebiger Wechsel von E-Mails und Whatsapp-Nachrichten über den sie sich einen sehr hitzigen Schlagabtausch über gesellschaftliche Themen wie Klimawandel, Gendersprache und Rassismus austauschen.  Der Roman ist komplett in E-Mails und WhatsApp-Nachrichten geschrieben. Ich liebe solche Art Romane, kann mir aber vorstellen, dass nicht für jeden etwas ist. Beide tauschen sich über gut 450 Seiten über sehr viel aus und schreiben auch sehr lange Nachrichten. Es gibt aber trotzdem ein gewissen roten Faden bzw. eine Entwicklung beider Personen. Generell finde ich, dass sich solche Art von Romanen sehr schnell lesen lassen, aber hier habe ich immer nur so 50 bis 60 Seiten gelesen, weil ich manche Themen erstmal sacken lassen musste. Über einige sehr gute Formulierungen und Metaphern musste ich auch noch ein bisschen nachdenken. Das Buch ist schon ein bisschen Arbeit. ;) Bei Stefan ist von Anfang klar, dass er in Theresa mehr sieht als nur eine Freundin. Schon damals wollte er mehr von ihr, aber sie hat ihm immer deutlich gemacht, dass da nicht ist von ihrer Seite. Ich fand Stefans Verzweiflung sie unbedingt doch von sich zu gewinnen manchmal etwas beschämend, wo doch eigentlich ziemlich offensichtlich ist, dass sie nichts von ihm möchte und auch schlichtweg andere Probleme hat. Theresa ist verheiratet und zwei Kinder. Die Ehe steht auf wackligen Füßen, weil Theresa durch ihren Betrieb einfach zu wenig Zeit für die Familie hat. Es ist kein Urlaub möglich und oft schafft sie es nicht zu den gemeinsamen Mahlzeiten. Ich fand diese Situation ziemlich ironisch und habe mich oft gefragt, wie es wäre, wenn Theresa ein Mann wäre und die Reaktionen dann die gleichen wären. Allerdings fand ich objektiv natürlich absolut nachvollziehbar, dass dies ständig zu Streits geführt hat zwischen ihr und ihrem Mann. Mir gefiel, dass Juli Zeh so ein paar Anspielungen auf ihre anderen Romane gemacht hat. So kommt Lars, ein guter Schulfreund von Theresa aus Bracken - dem fiktiven Dorf aus Über Menschen.  Vielleicht gab es noch mehr Querverweise, aber ich kenne leider (noch) nicht alle Bücher Ich fand wirklich bemerkenswert, dass wenn Stefan mal mit eigentlich für ihn guten und positiven Nachrichten in seinem Leben bei Theresa ankam, dann hat sie das jedes Mal gnadenlos zerpflückt und ihm dem Spiegel vorgehalten. Es deutlich spürbar, wie hier die Lager sind Theresa kämpft jeden Tag mit ihrem landwirtschaftlichen Betrieb ums nackte Überleben, hat 12 und mehr Stunden-Tage, Ehe-Probleme etc. und Stefan schreibt irgendwie nur darüber in seine teuren Designer-Wohnung. Ich konnte mich aber trotzdem sehr mit Stefan identifizieren, vor allem als um die Gender-gerechte Sprache ging. Ich konnte allerdings auch Theresas Argumente verstehen, dass sie sich mit so etwas nicht abgeben kann und möchte. Ich fand sie allerdings wirklich sehr hart und viele ihrer Meinungen driften mir teilweise zu sehr ins Rechte Milieu ab, vor allem als sie sich Aktivisten anschließt. Ab ungefähr der Hälfte nimmt die Geschichte dann wirklich an Fahrt auf, so dass sich sogar ein gewisse Spannung aufgebaut hat. Auch bei Stefan gibt bei der Zeitung ein einschneidendes Erlebnis, welches dazu führt, dass auch Stefans Zukunft ungewiss ist. Hier gibt wird auch nochmal deutlich gemacht, was Social Media anrichten kann, wenn eine gewisse Öffentlichkeit genießt und sich einen verbalen Fehltritt leistet. Das fand ich wirklich heftig, auch die Auswirkungen auf Familie und Freunde. Natürlich war mir das nicht unbekannt, aber es schockiert doch immer wieder, welches Ausmaß so etwas annehmen kann und von heute auf morgen das ganze Leben zerstört und auch zur realen Gefahr werden kann. Die Handlung spitzt sich zum Schluss rasant zu und auf das Ende wurde gut hingearbeitet und eignet sich gut für einen Austausch/ Diskussion. FAZIT: Zwischen Welten ist ein hochaktueller Gesellschaftsroman in Briefform, der aufwühlt und dem Lesenden häufig den eigenen Spiegel vorhält. Der Roman greift aktuelle Themen auf. Ich bin immer ein bisschen zwischen beiden Meinungen der Protagonisten hin und her gependelt und teilweise rief auch einiges absolutes Unverständnis bei mir auf, aber ich glaube, genau diese Gefühle sollten hiermit erzeugt werden.

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Zwei Freunde treffen sich nach 20 Jahren wieder und merken, wie unterschiedlich sie geworden sind. Anschließend erfolgt eine Konversation über E-Mail und Messanger-Dienste und beide wissen nicht genau, was sie an dem anderen in den letzten 20 Jahren verloren haben. Trotz des interessanten Themas bin ich mit diesem Roman leider nicht warm geworden. In der Geschichte geht es um die beiden Charaktere Stefan und Theresa, welche sich nach dem Studium aus den Augen verloren haben. Stefan ist ein erfolgreicher Journalist und lebt in Hamburg, während Theresa in Brandenburg einen Bio-Milchhof betreibt. Durch Zufall treffen sie sich nach 20 Jahren wieder und nehmen anschließend Kontakt miteinander auf. Im Laufe unzähliger Unterhaltungen per E-Mail merken sie, was sie verbindet und was sie trennt. Werden sie zueinander finden? Stefan ist ein Charakter, welchen ich als Fähnchen im Wind bezeichnen würde. Er ist der Typ Besserwisser und als Journalist weiß er immer, was gerade aktuell im Trend ist. Auch ist er von den Themen unserer Zeit wie Gendern oder Umweltproblemen sehr überzeugt und versucht andere mit seiner Meinung zu überzeugen. Dabei ist er stets bemüht im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Ich bin mit ihm als Charakterfigur nicht übereingekommen. Theresa weiß Stefan zu provozieren, aber auch in gewissen Situationen zur Räson zu bringen. Sie mag in manchen Momenten etwas zu emotional gar impulsiv dabei wirken aber trotzdem versucht sie ihre Meinung mit teilweisen nicht widerlegbaren Argumenten zu unterfüttern. Sie wirkte für mich nahbarer und menschlicher als Stefan. Der Aufbau der Story ist stringent und wird nicht durch nennenswerte Zeitsprünge unterbrochen. Der Stil des Romans ist aus der Erzählperspektive beider Hauptcharaktere geprägt. Die gesamte Geschichte wird im Stil von E-Mails oder der Kommunikation via Messanger-Dienste wie Whats-App oder Telegram erzählt. Dabei wird über andere Personen immer aus der Sicht der erzählenden berichtet. Dies empfand ich als nicht so schön und gut lesbar und ich konnte mich nicht so recht mit diesem Erzählstil anfreunden. Auch wirkten die interessanten Themen wie z.B. Gendern oder Karriere zwar provokant, aber manchmal auch an den Haaren herbeigezogen. Auch empfand ich die Fortentwicklung der Handlung als sehr eintönig und ich hätte mir vielleicht einen persönlichen Dialog oder einen interessanten Turn in der Story gewünscht. Das Ende der Handlung war dann nicht besonders spektakulär und man hätte dieses durchaus auch bereits nach dem ersten Viertel des Romans einbauen können. Der Schreibstil der Autoren ist gehoben und prinzipiell gut lesbar. Aber die Darstellung der Geschichte hat den schönen Schreibstil etwas in das Abseits gerückt. Als Fazit kann ich festhalten, dass die gute Idee einer wiedergewonnenen Freundschaft eingebettet in die heutigen Themen der Zeit etwas zu brachial und ideenlos von diesen zwei unbestrittenen großartigen Autoren umgesetzt wurden. 4/10 Punkten Bitte beachten: Diese Rezension geht erst am 10.03.2023 auf unseren Kanälen online.

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Crash Boom Bang

Von: Nini Pachner

24.02.2023

"Zwanzig Jahre sind vergangen, als sich die Landwirtin Theresa und der Journalist Stefan zufällig wiederbegegnen. Aus unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden: Klimapolitik, Gendersprache, Rassismusvorwürfe - es ist, als liefen Gräben einer gespaltenen Nation mitten durch ihre Beziehung. Kann ihre Freundschaft die Kluft noch überbrücken?" (Klappentext) #zwischenwelten ist ein digitaler Briefroman, dem es mit großzügiger Genialität gelingt, im Wortaustausch einen galoppierenden Spannungsbogen aufzubauen, der genussvoll Gaga macht. @juli__zeh gewährt Leser*innen mit der Stimme, die sie Theresa schenkt, Eintritt in einen körperhaft naturverbunden gelebten Raum. Auf der einen Seite braucht Theresa für atmosphärisch geschilderte Momente wenig Wörter - schreibt ökonomisch konzentrisch. Auf der anderen Seite bläst ihre rotzfrech, kratzbürstig wütende Stimme an vielen Stellen überschüssiges CO2 in die Luft. Diese innerpersönliche Kontroverse trifft mit der Faust aufs Auge in unsere Zeit. @christophsimonurban nimmt mit Stefans Stimme Leser*innen in eine sich digital kannibalisierende Berufswelt mit, in der er versucht die Vernunft in der Welt zu finden. Verbissen ist er von seinen Ansichten überzeugt und belügt sich häufig mit seiner sich überlegen fühlenden Mimik. In den Momenten hingegen, in denen er sich mutig Perspektivwechseln widmet, seine Augen entweder nach rechts oder links schulend fokussiert, wird er in seiner Ehrlichkeit unglaublich verletzlich und modern begeisternd. Doch wird ihm der dabei entstehenden Druck auf seine Iris meist zu lästig und lässt die Augen - von sich selbst geschlagen - auf seine Hosenbeine fallen. Dieser akute Gesellschaftsroman steht zu Recht auf dem 1. Platz der Spiegelbestsellerliste, - wie sein umhauendes Ende, ist alles an ihm 'Crash Boom Bang'. So etwas habe ich noch nie gelesen - andauernd wurde mir meine Nasenspitze beim Denken lang gezogen und dann wieder platt gedrückt. "Vielleicht ist das ohnehin das Einzige, was man für die Welt tun kann: ein bisschen Schönheit hineinbringen." (S.393) Vielen lieben Dank an @bloggerportal und @luchterhand_verlag für das #rezensionsexemplar

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Ich war sehr neugierig auf das neue Buch von Juli Zeh, da mich ihre Geschichten entweder begeistern oder aber enttäuschen. Neugierig war ich aber auch, ob man merkt, dass es einen Co-Autor, nämlich Simon Urban, gegeben hat. Auf jeden Fall kann ich aber sagen: Es ist ein Buch, das mich begeistert hat. Stefan ist ein erfolgreicher Journalist, als er zufällig seine ehemalige Studienkollegin Theresa in Hamburg trifft, die das Studium abgebrochen hatte, um den landwirtschaftlichen Betrieb ihres verstorbenen Vaters in Brandenburg zu übernehmen. Doch das Treffen läuft nicht sehr harmonisch und endet in einem Streit. Trotzdem bleiben die beiden in Kontakt – und tauschen sich über Email und WhatsApp aus; über ganz verschiedene Dinge, aber gerade bei politischen Themen geraten sie immer wieder aneinander. Theresa ist verheiratet und hat zwei Kinder, doch eigentlich bleibt für die Familie keine Zeit, denn die verbringt ihre Zeit fast ausschließlich auf ihrem Hof, um ihn vor dem finanziellen Ruin zu retten. Schuld an diesem Debakel sieht sie in der verfehlten Landwirtschaftspolitik. Zwar sind ihr Klimaschutz und Energiepolitik wichtig, die Bewegung verschiedener Aktivisten empfindet sie aber als vertane Liebesmühen. Auch die Diskussion ums Gendersternchen findet sie sinnlos, da sie Gleichberechtigung nicht an Sprache alleine festmachen kann. Stefan sieht diese Dinge alle ganz anders – Friday for Future findet er großartig, das Gendersternchen einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, außerdem arbeitet er stetig an sich selbst, immer politisch korrekt aufzutreten und zu agieren. Dass die beiden immer wieder in Streit geraten mit ihren gegensätzlichen Vorstellungen, kann man sich gut vorstellen. Dabei hat jeder gute Argumente für seine Sichtweise, und ich konnte bei vielen Themen beide Seiten gut verstehen. Ich mochte diese Auseinandersetzung um aktuelle Themen, die mich immer wieder hat innehalten lassen, um meine eigene Meinung zu hinterfragen. Beide Figuren sind in ihrem Kontext gut und konsequent gezeichnet – Theresa als Bio-Bäuerin im Kampf ums Überleben des eigenen Hofs und Stefan als Journalist in einem Kampf ums Grundsätzliche, aber eben auf dem Papier. Ich kann nicht sagen, dass ich die Charaktere mochte, eher ist es so, dass ich die Streitgespräche und auch die Auswirkungen auf die Beziehung untereinander gerne verfolgt habe. Ich kann nicht verleugnen, dass ich anfangs immer an „Gut gegen Nordwind“ denken musste, da manche Szene durchaus auch schmunzeln lässt, letztlich aber bleibt lediglich die Form des reinen Email-Romans als Parallele – die Inhalte unterscheiden sich dann doch beträchtlich. Auch sprachlich hat mich das Hörbuch angesprochen – beide haben eine ganz eigene Stimme. Damit meine ich nicht nur die Erzählstimme, also den Stil, denn jeder hat da eine ganz eigene Kommunikationsform, sondern auch die Sprecher. Max Urbacher hat eine klare, eher jugendliche Stimme, die wunderbar zu Stefan passt, der sich immer politisch korrekt auszudrücken versucht und der dadurch immer ein wenig distanziert und trocken rüberkommt. Julia Nachtmann hat den stets etwas nörgelig wirkenden Ton von Theresa sehr gut eingefangen, die immer sagt, was sie denkt und fühlt – wodurch sie sehr authentisch und nahbar wirkt. Ich habe das Hörbuch wirklich mit Spannung verfolgt und war froh, dass eine Romanze zwischen den beiden Hauptfiguren von Anfang an ausgeschlossen war. Leider gibt es dann doch eine Wendung, die mir nicht gefallen hat und wegen der ich auch einen halben Stern abziehe. Gelungen ist dann aber das Ende – es ist ganz anders als erwartet, und hier hat mich das Autorenduo kalt erwischt; dabei ist es ein sehr schlüssiges Ende, das nicht klarer die beiden Positionen hätte zeigen können. Offen bleibt für mich aber die Frage – wie haben die beiden das Buch geschrieben? Ist Juli Zeh die weibliche, Simon Urban die männliche Erzählstimme? Oder haben beide alles zusammen geschrieben? Das würde mich wirklich sehr interessieren. Ein wirklich gutes Hörbuch, das immer noch nachhallt und dem ich 4,5 von 5 Sternen gebe.

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𝐌𝐞𝐢𝐧𝐞 𝐌𝐞𝐢𝐧𝐮𝐧𝐠: Der Klappentext hat mich sehr angesprochen und so habe ich eine Facettenreiche Geschichte mit verschiedenen Standpunkten erwartet. Genau das habe ich bekommen, allerdings haben mich ein paar Dinge gestört, die mir das Lesen nicht grade vereinfacht haben. Das gesamte Buch besteht aus E-Mails, die sich Stefan und Theresa schicken, an sich erstmal eine nette Idee. Für mich war es oft ziemlich anstrengend die langen Monologe zu verfolgen. Dies sollte sicherlich als stilistisches Mittel dienen, jedoch war das eher nichts für mich. Mir hat die Gegenüberstellung der beiden Meinungen gut gefallen und die verschiedenen Standpunkte fand ich interessant und facettenreich. Mich hat die Geschichte in mancher Hinsicht zum Nachdenken angeregt. Die hochaktuellen Themen wie bspw. Klimapolitik oder Anfeindungen im Netz empfand ich hierbei als besonders interessant. Besonders gegen Ende hat die Geschichte nochmal mächtig an Fahrt aufgenommen und ich habe viel über die verschiedenen Sichtweisen und Möglichkeiten nachgedacht. 𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁: Für mich war das Buch durch das E-Mail-Format nicht so einfach zu lesen, dennoch sind die Diskussionen und die verschiedenen Standpunkte interessant und wichtig.

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„Ich fange an, mich selbst zu zensieren. Wo darf ich hingucken, ohne dass es eine Belästigung ist? Was darf ich sagen? Wem darf ich die Tür aufhalten? Mit wem darf ich im Fahrstuhl stehen? Ich ertappe mich dabei, meine Gedanken darauf zu überprüfen, ob sie missverständlich sein könnten. Das ist Wahnsinn, Tessa.“ Inzwischen geht es mir selbst manchmal so, dass ich dreimal überlege, ob das jemand falsch verstehen kann, ehe ich etwas in den social media Kanälen poste. Die vielen shitstorms, die sich tagtäglich beispielsweise auf Twitter ereignen, erlebe ich als schockierend. Interessant ist zum Beispiel, wie dieser neue Roman von Juli Zeh in der Presse aufgenommen wird. Hier gibt es nämlich auch bereits ein kräftiges Vor-Verurteilen, weil Juli Zeh mit ihrem Schreiben und ihrer öffentlichen Meinung nicht dem Mainstream entspricht, somit scheinbar nicht auf „der richtigen Seite“ steht. „Zwischen Welten“ zeigt mir noch einmal in aller Deutlichkeit, was da wirklich passiert und welche Auswirkungen es auf betroffene Personen hat, von allen Seiten aufgrund einer Äußerung, die oftmals bewusst falsch ausgelegt wird, angeklagt und gebrandmarkt zu werden. In diesem Roman betrifft es nicht nur eine Karriere, sondern zerstört beinahe eine Familie. Juli Zeh und Simon Urban greifen Themen der aktuellen Debatten auf. Sie zeigen genau, wie es mit der Meinungsfreiheit aussieht, beim Thema Gendern, Rassismus, Klimawandel, Identität, eben „woken“ Themen, wie vorsichtig man sein muss, um nicht im Auge des Sturms zu landen. Zeh hat die Form eines Email-Austauschs gewählt, was mir zunächst unpassend erschien, dann aber doch stimmig war. „Die Welt wird nicht gerechter, wenn man an der Sprache rumschraubt und alles auf einer Meta-Ebene behandelt. Das interessiert nur die Akademikerblase. Außerhalb deiner Welt sind Menschen entsetzt, dass ihre Probleme ignoriert werden, während man Kunstwerke mit Sternchen benennt.“ Hauptprotagonisten sind Stefan und Theresa. Beide kennen sich aus ihrer Studienzeit in Münster, als sie zusammen in einer WG wohnten und die allerbesten Freunde waren. Theresa, 41, lebt inzwischen in einem Dorf in Brandenburg, sie hat nach dem Tod des Vaters den Bio-Bauernhof übernommen. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. Sie verschwand damals einfach ohne Erklärung aus dem Münsteraner WG-Leben. Stefan, 46, studierte weiter und schaffte es bis nach Hamburg in die Führungsebene im Bereich Kultur einer großen, bekannten Wochenzeitung. Er lebt als Single und hat sich ganz seiner Karriere verschrieben. Zufällig begegnen sich beide in Hamburg wieder und verbringen zusammen einen Tag an der Außenalster, der allerdings unversöhnlich im Streit endet. Zu unterschiedlich sind die Meinungen, die sie jeweils vertreten, zu eingefahren sind sie in ihrer jeweiligen Lebenssituation. Im ersten Teil tauschen sich beide in kurzen Whats App Nachrichten aus, die oftmals wild durcheinander den anderen und dessen Meinung anklagend hin und her sausen. Hier zeigt sich, wie wenig geeignet dieser Weg ist, sich wirklich mit einem anderen Menschen auseinanderzusetzen. In diesen Nachrichten zeigt sich auch, dass Stefan wohl damals in Theresa verliebt war und womöglich immer noch ein wenig davon übrig ist. „Wer existenziell lebt (ich), muss nicht sensationell leben (du). Wer das Existenzielle verloren hat (du), braucht die Sensation. Das unterscheidet dich und mich. Es unterscheidet Stadt und Land.“ Stefans Zeitung ist im Umbruch; er selbst sorgt mit dafür, dass Themen, wie der Klimawandel in den Vordergrund treten, lässt gar „Aktivisten“ ohne Zeitungserfahrung in der Redaktion mitarbeiten, stellt damit aber auch die Neutralität der Presse in Frage. Einige Zeit später merkt auch Stefan, dessen Mentor und Chef, ein kluger Mann mit reichem Erfahrungsschatz, der ihm viel Verantwortung überträgt, dass es eben doch aus dem Ruder geraten kann, wenn einseitig angesagte Themen die klassische Berichterstattung plötzlich dominieren soll. „Und verdächtig wird es in meinen Augen, wenn sich ein Mainstream entwickelt, der keinen Widerspruch mehr duldet. Wenn Leute (wie du) auf einmal blind werden für Gegenargumente und abweichende Meinungen. Wenn es keine Diskussion mehr geben soll, sondern nur noch alternativloses Handeln.“ Theresa kämpft im dörflichen Brandenburg um ihr Überleben als Landwirtin. Sie ist auf Zuschüsse vom Staat angewiesen, damit sie ihre Angestellten bezahlen kann und ihre Familie durchbringt. Die Ehe mit Basti kriselt, die beiden Jungen leiden darunter. Doch die Regierung sagt heute so, morgen so. Ein langfristiges Planen ist da nicht drin, in der Landwirtschaft gerade mit Tieren, aber notwendig. Kühe sind nicht mehr angesagt. Doch der Nachbar, der deshalb extra eine Biogasanlage gebaut und das Vieh abgeschafft hat, wird ebenfalls durch Gesetzesänderungen im Stich gelassen und steht am Rand der Insolvenz. Warum sich Stefan und Theresa weiter austauschen, ist mir oft unklar. Sie treffen sich sogar noch einmal in Hamburg, doch auch diese Begegnung endet im Streit und in einer körperlichen Auseinandersetzung (die Stefan später sogar zum Verhängnis wird). Als sie dann jedoch beginnen, sich lange Emails zu schreiben und tiefer auf einander eingehen, scheint sich ein Weg zueinander anzubahnen. Vielleicht auch, weil sich in dieser Zeit, bei beiden so viele Widrigkeiten in der Arbeit ergeben, dass sie sich einsam fühlen und einander durch den Austausch stützen können. Fast gehen sie soweit, gemeinsame Zukunftspläne zu überlegen. Doch kommt es anders. Stefans Chef wird aus der Zeitung gemobbt, weil er einen „falschen“ Satz sagt. Stefan ist damit gleich wieder im Rennen. Und Theresa wird selbst zur politischen Kämpferin um bessere Bedingungen für die Landwirtschaft. Für sie endet es weitaus bitterer als für Stefan, der sein Fähnchen offenbar leichter im Wind schwenken kann … Überall gibt es Stimmen, die diesen Roman für vollkommen misslungen halten. Selten höre ich Lob. Nun ist natürlich klar, dass Juli Zehs Romane vom Inhalt leben. Sprachlich und formell gibt es da keine Highlights. Ich empfinde den Roman trotzdem als gelungen und als sehr wichtiges Zeitdokument. Mir spricht die Heldin Theresa sehr oft aus dem Herzen. Zumal ich durchaus einmal Einblick hatte, wie Landwirtschaft und generell das Leben auf dem Land/Dorf grundlegend anders funktioniert als in der Großstadt. Es ist immer gut, einmal „in den Schuhen eines anderen zu gehen“. Es ist wichtig, dass es Menschen gibt, die nicht nur mit dem Mainstream mit schwimmen, sondern mutig dagegen halten. Gerade in der Presselandschaft mangelt es meinem Empfinden nach daran. Presse sollte neutral berichten und keine politisch vermeintlich richtigen Positionen beziehen. Was Juli Zeh in Interviews bezüglich der Lesart sagt, finde ich noch wichtig zu erwähnen. Simon Urban und sie wollten damit darauf hinweisen, dass es wichtig und sinnvoll ist im Gespräch, im Austausch zu bleiben, auch wenn man vollkommen gegenteilige Meinungen vertritt.

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Juli Zeh konnte mich mit "Über Menschen" sehr überzeugen, ganz im Gegenteil zu dem früheren Werk "Leere Herzen". Umso gespannter war ich, ob "Zwischen Welten", bei dem Juli Zeh sich Simon Urban mit ins Boot geholt hat, an meine Begeisterung von "Über Menschen" anknüpfen kann. Thematisch und auch vom Schauplatz Brandenburg gibt es einige Gemeinsamkeiten, trotzdem ist "Zwischen Welten" auch wieder ganz anders. Inhaltlich sprach mich der Klappentext bzw. die Inhaltsangabe der Verlagsseite, sehr an. Es werden Themen behandelt, die unsere Gesellschaft (beginnen zu) spalten. Jeder bekommt dies in seinem persönlichen Umfeld oder zumindest in den sozialen Medien mit. Verpackt in diesem Briefroman wird man mit verschiedenen Themen konfrontiert und muss sich fragen, wo steht man selbst. Wie ist der eigene Umgang mit verschiedenen Meinungen, bleibt die Kommunikation noch respektvoll? Wie ist die eigene Streitkultur, die Empathie und das Miteinander, wenn Meinungen auseinander gehen? Die beiden Protagonisten Theresa und Stefan tauschen sich im Roman per E-Mail und What`s App über ihre Leben aus, die sich in zwei komplett andere Richtungen entwickelt haben. Als Leserin fiel es mir leicht, dem Schlagabtausch zu folgen. So ein Briefwechsel lässt sich leicht lesen und bleibt auch spannend. Einige Sequenzen fand ich sehr übertrieben, machen aber auch klar, wie wichtig es ist sich Gedanken über die aktuelle politische und gesellschaftliche Situation und den eigenen Standpunkt zu machen und zu hinterfragen, ob auch andere Meinungen ihre Berechtigung haben - es nicht immer nur schwarz und weiß gibt, sondern auch viele verschiedene Grautöne. Beim Lesen steht man nicht immer nur auf einer Seite, die Sympathien wechseln zwischen den Protagonisten hin und her. Beide Seiten haben ihre Probleme. Man merkt wie sehr jeder in seiner eigenen Welt gefangen ist und die Gegenseite gar nicht richtig hört oder hören kann. Die Stimmung spitzt sich immer mehr zu und am Ende war mir die Entwicklung doch zum Teil etwas zu "radikal" - die Stimmung kocht immer mehr hoch. Stefan kommt mir manches mal vor, wie ein Fähnchen im Wind. Der Roman spiegelt aber sehr schön wieder, wie es aktuell in der Gesellschaft aussieht, auch wie in den sozialen Medien kommuniziert wird und welchen Einfluss die Medien haben. Ein Roman, der durch seine Aktualität und Brisanz überzeugt, wenn auch teilweise überspitzt dargestellt. Unbedingte Leseempfehlung.

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Zwischen Welten/Zwischenwelten

Von: Ingeborg Rosen

07.02.2023

Das Wichtigste zuerst: Ein Roman ganz nach meinem Geschmack! Ein spannender Pageturner und, was noch wichtiger ist, ganz nah am Leben - manchmal sogar so nah, dass es schmerzt! Das literarische Leben findet nur wenige Monate vor der realen Jetztzeit statt. (Über den Inhalt muss an dieser Stelle nichts gesagt werden, darüber ist schon genug zu lesen.) Dem Duo Zeh/Urban, bzw. Urban/Zeh gelingt es tatsächlich, in kurzen, konzisen Sätzen den Zwiespalt, in dem sich die handelnden Personen befinden, realitätsnah in Worte zu fassen, ihre jeweiligen Welten zu beschreiben, die Handlung findet zwischen Welten statt. Und das gelingt beiden so großartig, dass darüber im Kopf des Lesers Zwischenwelten entstehen. Stellenweise kommt es zu überzogenen klischeehaften Selbstdarstellungen (Stefan) oder erstaunlich elaborierten Diskursen nach 12 Stunden Einsatz auf dem Bauernhof - das muss der Leser einfach tolerieren. Schon vor dem Erscheinen des Romans wurde in der Presse viel über darüber und über die Form geschrieben, whats app Roman, Briefroman 2.0 ... und dass, kurz gesagt, alle, wirklich alle aktuellen „heißen“ Themen angesprochen würden. Zum Glück stimmt das auch, was die Vielfalt der diversen Themen betrifft, so vielfältig wie die aktuelle Realität eben. Was das Formale betrifft, so erscheint mir die Geschwindigkeit, die durch die Form der Whats apps (und auch der mails) entsteht, durchaus dem Inhalt angemessen und treibt das Geschehen bis zur Atemlosigkeit voran. Bei der Aufzählung der „heißen“ Themen kam mir immer zu kurz, dass es auch grundsätzlich um Journalismus, bzw. seine Zukunft geht. Befinden sich die Medien, und besonders die Print-Medien (schon) in einer Zwischenwelt? Oder zwischen Welten? Spannend ist es jetzt abzuwarten, ob/wie der Roman nach 5 - 50 Jahren rezipiert wird, ebenfalls, ob dieser Roman mit seiner fast unglaublichen Aktualität das überhaupt braucht … P.S. Ein Wort über das Cover - ich gebe zu, dass ich zunächst befremdet war über den meiner Meinung nach „zu“ schönen Schwan, aber im Verlauf klärte sich der Bezug, Schwäne haben ihr Leben lang einen (!) Sozialpartner und darüberhinaus verteidigt der Schwan sein Revier bis aufs Blut.

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