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Rezensionen zu
Über Menschen

Juli Zeh

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Über Menschen – Übermenschen Juli Zeh lässt Dora über Menschen berichten, die sich gerne als Übermenschen gerieren. Es friert einen, wenn einer dieser „Übermenschen“ erzählt, mit welcher Normalität man nach Lichtenhagen gefahren sei, sich am Feuer erfreut habe und den Beifall der Umstehenden genossen habe. Leider gibt sie diesen gewaltbereiten rassistischen engstirnigen Nazis auch freundliche und hilfsbereite Seiten, was zu einer gewissen Verharmlosung dieser Gruppe führt, die in der realen Welt ja auch vor Mord nicht zurückschreckt. Zu ihrer großen Überraschung aber auch Verwirrung findet sie die Wärme, Menschlichkeit, Empathie, die Städter immer mehr vermissen, ausgerechnet im Nazi-verseuchten Dorf. Dora stellt aber auch klar, dass sie selbst, weil Nicht-Nazi, etwas besseres ist. Zunächst sieht es so aus, als würde Juli Zeh lauter Kurzgeschichten über Dora, eine junge Werbedesignerin, die mit sich und der Welt, die für sie voller beängstigende Widersprüche ist, nicht klar kommt, aneinanderreihen. Entsprechend kurz sind die meisten Kapitel dieses Romans und sie folgen einem Muster: Die Kapitel beginnen meist mit einfachen Sätzen über Alltägliches, steigen dann aber hinab in die Tiefen von Doras Wahrnehmung und Gefühlsleben und Dora’s Versuche, das Erlebte zu verarbeiten. Der in „Unterleuten“ bereits gesichtete Kampfläufer rennt auch in „Über Menschen“ wieder durch die Natur, vermittelt somit eine gewisse Nähe zu derselben und macht auf den zerstörerischen EInfluß des Menschen aufmerksam, Stichwort „Klimawandel“. Warum allerdings der weniger gefährdete und alltäglichere Star ein „proletarisches“ Federkleid tragen muss, bleibt unklar. Ein weiteres Tier wird als Metapher eingesetzt: der Wolf symbolisiert meist alle Ängste der Menschen vor dem Unbekannten, Wilden, Starken, Gefährlichen. Es gibt immer einen, der immer dabei ist, aber eigentlich nicht dazugehört. Leider bricht dann der Charakter des Protagonisten und sein Schicksal mit diesem Bild. Manches vom Film entlehnte Atmosphäre-Stilmittel wird eingesetzt, wenn z.B. der Regen die traurigsten Momente durchnässt, und wirkt dann klischeehaft und unpassend. In dieser 2. Fassung des Romans spielt der Beginn der Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle, unterstreicht dadurch die Aktualität der Botschaft des Romans, auch wenn der Zusammenhang zum eigentlichen Thema fehlt. Für eine Auseinandersetzung mit den Folgen der Pandemie auf die Gesellschaft und die Menschen ist es zu früh und so bleibt dieser Aspekt im Gegensatz zu den anderen Themen inkohärent oberflächlich. Es könnten durchaus autobiographische Züge sein, wenn Dora von ihren Werten und ihrer Einstellung zur Religion erzählt, oder Antworten auf ihre Ängste auf Ausflügen in die Heidegger’sche Philosophie sucht. Sehr schön, wie sie von dort auch den Bogen zur heute allgegenwärtigen „Achtsamkeit“ schlägt. Juli Zeh zeigt in ihrem neuen Roman auf unterhaltsame, bisweilen auch witzige Art und Weise die derzeitige Befindlichkeit der deutschen Gesellschaft. Dabei wertet sie nicht und unternimmt weder Erklärungsversuche noch Ursachenforschung, er wird weder Lehrstück noch philosophischer Leitfaden für den Umgang mit den Problemen unserer Zeit. Sie erklärt nicht, was richtig ist, stellt aber immer wieder dir richtigen Fragen. Sie malt ein umfassendes Bild der heutigen Gesellschaft, der Rezeption und der Reaktion der Menschen auf eine immer schneller immer komplexer werdende Welt, in der der Einzelne machtlos Probleme aushalten muss, die nur gesellschaftlich zu lösen sind. Der Roman ist sehr schön geschrieben und liest sich leicht und flott. Schnell will man das Buch nicht mehr aus der Hand legen, geniesst den Humor und Wortwitz, will wissen, wie es weitergeht, wie sich Dora weiter entwickelt und wie Juli Zeh die Geschichte schließlich auflöst, und bleibt am Ende angekommen durchaus nachdenklich zurück.

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🌻Darum geht es: Dora lebt in der Grossstadt Berlin mit ihrem Freund Robert zusammen. Robert setzt sich sehr ehrgeizig für den Klimaschutz ein und ist begeistert von Greta Thunberg. Doch es macht Dora nicht nur zu schaffen, dass sie keine Plastiktüten mehr benutzen darf und dass sie Robert zuliebe sogar ihren Job gewechselt hat, nun befindet sich Dora mitten in einer Pandemie in einer kleinen Wohnung mit Robert im Homeoffice. Dora fällt das Dach auf den Kopf und so zieht sie mit ihrer Hündin Jochen der Rochen nach Bracken, wo sie vor einiger Zeit ein Haus gekauft hat. Dort angekommen, lernt Dora nach und nach ihre neuen Nachbarn kennen. Besonders wegen dem Dorf-Nazi Gote, findet sie sich in einem inneren Dilemma wieder. Aber nicht nur Dora geht es so, auch ich als Lesende habe mich natürlich gefragt, was ich denn an Doras Stelle tun würde. 🌻Meine Meinung: Über Menschen war mein erstes Buch von Juli Zeh und ich bin begeistert. Der Schreibstil lässt sich sehr flüssig lesen und die Seiten flogen nur so dahin. Anfangs hatte ich etwas Bedenken, ob mich das Thema Corona in Büchern nicht belasten wird. Tatsächlich war das überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil. Ich fühlte mich an gewissen Stellen sogar verstanden von Dora, was irgendwie eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. Gote, dem Dorf-Nazi bin ich natürlich skeptisch gegenübergestanden und bin das auch bis zuletzt geblieben. Mit Franzi, Gotes Tochter hatte ich über die ganze Geschichte hinweg Mitleid und fand es toll, wie sich Dora mit ihr abgegeben hat und sich um sie gekümmert hat. Die Geschichte nimmt gegen Ende noch eine Wendung, mit der ich zu Beginn des Buches sicherlich nicht gerechnet habe. Was das genau ist, werde ich euch natürlich nicht verraten. 🌻Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.

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Dora hat eigentlich alles, was sie glücklich machen könnte: einen guten Job in einer nachhaltig arbeitenden Berliner Werbeagentur, einen umweltbewussten Freund, einen kleinen Hund, eine Wohnung mit Balkon. Und doch spürt sie eine große Leere. Als Corona ausbricht, zieht sie mit ihrer Hündin Jochen hinaus aufs Land, in das alte Haus im brandenburgischen Bracken, das sie schon vor einiger Zeit gekauft hat. Sogleich lernt sie ihren neuen Nachbarn kennen: “Gote”, stellt der sich vor, “ich bin hier der Dorfnazi”. Bei Dora fällt sofort die Klappe. Und doch nähern sich die beiden irgendwie an, auch weil Tochter Franzi und Hündin Jochen sich so gut verstehen…. Juli Zehs neuer Roman “Über Menschen” ist eine Reise zu mehr Menschlichkeit und zu einem Blick über den eigenen Tellerrand. Sie beschreibt, wie sehr wir uns in unseren Lebensentwürfen, unseren Urteilen und Gewohnheiten eingerichtet haben. Dieses Einnisten durchkreuzt Zeh in einer charmanten und doch konsequenten Art durch ihre Protagonistin Dora, die im Landleben plötzlich etwas entdeckt, das so gar nicht zu ihrem bisherigen Bild von einem erfüllten Dasein passt. Dabei lässt Zeh sie einen Rechtsradikalen kennen lernen, mit dem eigentlich niemand, der etwas auf sich hält, zu tun haben will. Und doch schafft es Zeh, dass sich hier zwar keine Sympathie, aber doch so etwas wie Verständnis für bestimmte Umstände entwickelt. Das liegt auch daran, dass sich ihre Dora im Lauf der Geschichte weiterentwickelt und wir einiges über die Lebensbedingungen in der brandenburgischen Provinz erfahren. Mit “Über Menschen” ist Julie Zeh ein großartiger Roman über – Menschen eben gelungen, ohne dabei zu vergessen oder gar zu entschuldigen, dass wir alle auch ein wenig das Produkt unserer Umgebung und der Umstände sind, in denen wir leben. Wunderbar gelesen von Anna Schudt.

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Juli Zeh ist eine großartige Schriftstellerin, die ein feines Gefühl hat für gesellschaftliche Veränderungen, die von ihr gezielt und großartig beschrieben werden in ihren Romanen. Auch 'Über Menschen' ist wieder ein lesenswertes Stück Literatur und nicht ohne Grund schon seit dem Erscheinen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wer ‚Unter Leuten‘ gelesen hat und das ist sicherlich das Gros der Leser:innen von diesem neusten Werk wird bemerken, dass der neue Roman andere Akzente setzt und daher sehr trefflich, aber sehr ähnlich am letzten Titel angelehnt ‚Über Menschen‘ heißt. Dora steht im Mittelpunkt des Romans, sie zieht aus der Großstadt aufs Land, weil sie ihren Freund Robert in der Corona-Pandemie nicht mehr im engen home office erträgt. Er, Journalist, schlachtet mit seinen immerwährenden Untergangsszenarien das Thema aus. Sie dagegen, die nachhaltig-bewusste und ökoafine Workaholic, zieht aufs Land in ein fiktives Dorf in der Prignitz: Bracken. Sie lässt nicht nur Robert, sondern die ganze Stadt hinter sich mitten in der Pandemie. Aber keine Sorge, dass Thema Corona ist ein Aufhänger, aber nicht das alleinige und auch nicht das beherrschende Thema des Romans! Der Name des Dorfes ist Programm: Bracken. Etwas abgerockt und baufällig, ein bisschen lehmig im Abgang. Und genau da findet nun das Geschehen statt: die Reibung. Es reibt sich die Stadt mit dem Dorf, die Landbevölkerung mit dem Stadtmenschen, der Nazi mit der Linksliberalen. Diese Reibungen von Standpunkten und Glaubenssätzen ist unfassbar gut und sehr pointiert dargestellt. Und am Ende sind es alles Menschen die ihr Wohnort eint und lässt sie alle ein wenig humaner aussehen. Was den Roman ‚Über Menschen‘ klar von dem Bestseller ‚Unter Leuten‘ unterscheidet ist die stringente Erzählung von Doras Geschichte, keine Vogelperspektive auf verschiedensten Ebenen und doch so treffsicher wie es nur Juli Zeh schafft. Die Personenzahl ist reduzierter und damit der Blick etwas intensiver auf die Einzelnen. Mich hat es wieder überzeugt. Fazit: Juli Zeh brilliert wieder in ihrer feinen Analyse über das Mensch sein indem sie ‚Über Menschen‘ schreibt und zeigt uns allen worüber es sich nachzudenken lohnt.

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INHALT: Dora hat genug von dem Chaos bzgl. Corona und Lockdown, von ihrer komplizierten Beziehung mit Robert, von dessen apokalyptischen Horrorszenarien bzgl. der Pandemie und der Umweltzerstörung, von den stets negativen Nachrichten in den Medien, und von dem hektischen Treiben in der Stadt. Die Menschheit scheint immer mehr den Verstand zu verlieren. Sie muss hier definitiv weg! Sie hat ein altes Gutsverwalterhaus auf dem Land gekauft, in Bracken – ein Dorf in Brandenburg mit 285 Einwohnern. Ohne Möbel, ohne Auto, mit einem sanierungsbedürftigen Haus und einem vernachlässigten Garten in der Größe eines halben Fußballfeldes, versucht sie ihr Glück. Mithilfe von YouTube möchte sie die botanische Katastrophe in einen romantischen Landhausgarten mit Gemüsebeet verwandeln. Und ihren Job in der Werbeagentur führt sie im Homeoffice aus. Doch dann sind da noch die Nachbarn: Mehrere AfD-Wähler, hinter der Mauer der kahlrasierte „Dorfnazi“ und ein vernachlässigtes Mädchen. Trügt die ländliche Idylle etwa mehr, als vermutet? MEINUNG: Meine Erwartungen an das Buch waren nach den vielen positiven Stimmen, groß. Ich war gespannt, was mich bei Juli Zehs neuem Buch erwarten würde. Zuvor hatte ich bereits „Unterleuten“ gelesen, was mir etwas zu ruhig gewesen war, und „Neujahr“, das mich trotz dem weniger authentischen Ende, sehr beeindrucken konnte. Von Anfang an gefielen mir bei „Über Menschen“ das Setting sowie die Vorstellung, vor dem Wahnsinn in der Welt, flüchten zu können. Dora tat mir leid und ich war fassungslos, welchen Schikanen sie in ihrer Beziehung ausgesetzt war. „Ihr gemeinsames Leben verwandelte sich in ein Korsett aus Regeln.“ Als Robert ihr wegen Corona auch noch die Spaziergänge mit ihrer Hündin „Jochen-der-Rochen“ verbieten wollte, war ich froh, dass sie sich dies nicht länger gefallen lassen wollte! Besonders gut ist Juli Zeh die Zusammenstellung der unterschiedlichen und vielschichtigen Charaktere gelungen. Diese wirken lebendig und authentisch, sodass man als Leser*in schnell im Dorf ankommt. Nach und nach lernt Dora ihre Nachbarn kennen und diese Entwicklungen habe ich mit großem Interesse verfolgen dürfen. Ich mochte, in welche Richtung sich das Buch thematisch entwickelt hat, ohne, dass ich hier zu viel verraten möchte. Zwar habe ich anfangs wieder etwas Zeit benötigt, um in die Handlung hineinzufinden - die erste Buchhälfte über gab es für mich einige Längen und der Teil hat mich eher an „Unterleuten“ erinnert, bei dem es mir ähnlich erging. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die Lektüre mich noch so sehr für sich einnehmen könnte. Denn spätestens ab der Hälfte fand ich die Handlung so eindrücklich und bewegend - sie hat mich festgehalten und nicht mehr losgelassen! Das war so ein Buch, von dem ich nicht wollte, dass es endet, obwohl es später so unglaublich traurig war. Ich wollte noch eine Weile bei Dora in Bracken bleiben... Der Inhalt hallt noch immer in mir nach und ich werde ihn wohl nicht so schnell vergessen. FAZIT: Juli Zeh ist ein großartiger Gesellschaftsroman gelungen, der das aktuelle Geschehen der Pandemie und dessen Auswirkungen aufgreift. Für mich mit der Botschaft: Egal, auf welche Leute wir treffen – hinter jedem von uns steckt ein Mensch. Das sollten wir nicht vergessen… Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und 4,5/5 Sterne!

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Leute sind auch Menschen

Von: Sonnenschein17

10.05.2021

Dora zieht es aufs Land, ganz weit weg von ihrem fanatischen Freund, der sie erst mit dem Friday-for-Future verrückt macht und später mit Corona. Eigentlich hat sie es schon früher gewusst und sich deshalb – ohne Wissen ihres Lebenspartners – ein Häuschen in den Tiefen der Mark Brandenburg gekauft. Wo sie mit ihrer Hündin "Jochen der Rochen" auf sich allein gestellt leben und arbeiten will. Die Städterin auf dem Land, mit einem renovierungsbedürftigen Haus und einem übergroßen Garten. Schnell merkt sie, dass sie sich wohl zu viel vorgenommen hat. Nun hat sie zwar Nachbarn, doch die interessieren Dora nicht; allerdings interessieren die Nachbarn sich für Dora und das Schicksal nimmt halt seinen Lauf. Dann verliert sie ihre eigentlich feste Arbeit in der Werbeagentur und alles scheint über ihr zusammenzuschlagen. Bei ihr es es nun nicht der Lottogewinn, sondern ihr ziemlich betuchter Vater, der ihr finanziell, aber auch anderweitig hilft. Und Dora, die sich für weltoffen hält, kommt in Gesprächen mit diesen Nachbarn schnell an ihre Grenzen, weil sie unsicher ist, wie sie braunem Geschwafel begegnen soll. In Berlin konnte sie sich immer aus der Affäre ziehen, doch hier muss/müsste sie sich auseinandersetzen, doch so richtig kommt sie nicht mit ihrer Meinung raus. Sie, die angeblich so gut Werbung machen kann, kann sich nicht so artikulieren, wie sie es gern täte. Durch den Bezug auf Corona kam mir halt vieles bekannt vor, auch Gedanken, die wohl fast jeder im Laufe der letzten Monate hatte. Das Aktuelle an dem Buch ist aber nicht nur Corona, sondern sind auch die netten helfenden Nachbarn, die sich als AfDler entpuppen oder gar bekennende Nazis sind. Ja, da kommen Klischees ins Spiel, die zwar nett sind, aber eben Klischees. Das fand ich ein bisschen schade, ich hätte mir auch mehr Wortgefechte gewünscht, leider passt aber gerade das zu Dora, ausweichen, möglichst wenig Konfrontation im Privaten. Mir hat das Buch gefallen, auch wenn das Ende wieder ein Klischee ist.

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TW: Tod eines Elternteils, Hirntumor, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, Suizid, Covid-19, finanzielle Sorgen Dieses wunderbare Buch habe ich zum Großteil innerhalb eines Tages verschlungen! Es ist nach „Unter Leuten“ vor einigen Jahren mein zweiter Roman von Juli Zeh und garantiert nicht mein letzter! Auch war es mein zweites Buch, in dem nicht nur im Nachwort (wie beispielsweise bei „Was wir Frauen wollen“ von Isabel Allende), sondern auch im Plot selbst Bezug auf Corona genommen wird, ja teils sogar eine zentrale Rolle spielt. Vorwiegend am Anfang, während in der zweiten Hälfte noch einmal ganz andere Themen im Fokus stehen. Das Lesen war für mich zudem ein gelungener Rückblick aufs vergangene Jahr. Das Buch ist eine hochaktuelle und hervorragende Gesellschaftsanalyse, gerade in Zeiten von Corona, Klimawandel, Rechtsextremismus und Rassismus, in Roman-Form gegossen. Noch dazu alles andere als bedrückend, zumindest am Anfang. Schön, wenn man zur Abwechslung mal herzlich über die aktuelle Lage lachen kann - und Respekt, dass das jemand, noch dazu auf so kluge Weise, schafft (obwohl sich seit letztem Jahr ja noch nichts wesentlich geändert hat)! Zugleich schafft Juli Zeh es jedoch, die richtigen und wichtigen Fragen zu stellen – zum Beispiel bezüglich Effizienz und welchen Beitrag jeder einzelne gegen den Klimawandel leisten kann. Oder inwieweit die Corona-Regeln der Regierung in der Praxis und je nach Umfeld umsetzbar, logisch und gerechtfertigt sind. Selbst vor dem schwierigen Thema Rechtsextremismus scheut sie sich nicht: So verwerflich das klingen mag - sie stellt Nazis menschlich und als Menschen dar, die genauso mit Ängsten zu kämpfen haben, wie alle anderen, nur eben mit anderen, aber mit Ängsten, die man dennoch ernst nehmen sollte. Sie macht deutlich, dass niemand wirklich etwas Besseres ist, obwohl sich viele dafür halten - und dass das eines der Hauptprobleme ist, das im Wege steht, wenn man miteinander reden muss. Und das muss man langfristig, um Probleme zu lösen. Es hilft nicht, sie unter den Teppich zu kehren. Die Gesamt-Atmosphäre vom Leben auf dem Brandenburger Land hat etwas sehr Heimeliges und konnte mich absolut abholen, mit der provisorischen Lebensweise der Hauptprotagonistin Dora (und ihrer Hündin Jochen-der-Rochen), die mit Ideenreichtum und Tatendrang versucht, das Beste aus ihrer verzwickten Situation zu machen, während sie gleichzeitig ihre (vorübergehende?) Trennung von ihrem langjährigen Freund verarbeitet. Dabei ist sie stets getrieben von dem Bedürfnis, auf eigenen Beinen zu stehen. Hilfe anzunehmen, ist also nicht ihre Stärke, lernt sie im Verlauf der Geschichte aber gezwungenermaßen. Am Ende wird sie selbst zur wichtigen Helferin. Ein bisschen ist dieses Buch deshalb auch eine Art Coming-of-Age-Roman für Ü-30-Jährige. Und natürlich eine große Empfehlung! Danke an das Bloggerportal und den Luchterhand Verlag für dieses Rezensionsexemplar!

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Juli Zeh erzählt in „Über Menschen“ von selbstgerechten Besserwissern und inkorrekten Hilfsbereiten. „Dora mag keine absoluten Wahrheiten und keine Autoritäten, die sich darauf stützen. In ihr wohnt etwas, das sich sträubt. Sie hat keine Lust auf den Kampf ums Rechthaben und will nicht Teil einer Meinungsmannschaft sein.“ Eine Seuche schleudert eine Frau in die Einsamkeit, wo sie als Selbstversorgerin zunächst gegen die Natur kämpfen muss und später gegen einen großen, aggressiven Mann. Ach ja, ein Hund ist auch mit von der Partie. Die Parallelen zu „Die Wand“ scheinen offensichtlich, doch Juli Zeh setzt in ihrem neuen Roman „Über Menschen“ andere Maxime als Marlen Haushofer in ihrer berühmten Dystopie. Die Werbe-Texterin Dora tauscht die Kreuzberger Baumwollbeutel-Boheme gegen eine Saatkartoffel-Solitüde im Brandenburgischen. Dort hatte sie vor Ausbruch der Pandemie preiswert ein altes Gutsverwalterhaus erstanden. Es wird zum neuen Zuhause als Dora aus der gemeinsamen Wohnung flieht. Robert, der doch für alle nur das Beste will, hat Dora das Leben schwer gemacht. Der nachhaltige Veganer achtet auf eine korrekte Lebensführung und seit dem Auftauchen des Virus auch auf die Einhaltung aller Hygieneregeln. Schließlich rettet sich Dora, die sich nur noch als „CO2-Problem und Corona-Keimschleuder“ wahrgenommen fühlt, aufs Land. Dort hat sie Ruhe, denn dort ist nichts los. Ihr Haus, so erfährt sie, war einst der Kindergarten von Bracken. Heute gibt es im Ort keinen mehr, genauso wenig wie eine Schule oder einen Lebensmittelladen. Berlin ist nah, doch der Bus fährt selten. Ein Auto hat Dora nicht, dafür einen Hund, ein Rad und schnelles Internet. Bald befällt sie das Gefühl „existentieller Chancenlosigkeit“. Das Stichwort steht auf der ersten Seite des Romans und erinnert mich an den bekanntesten Roman der großen Marlen Haushofer. Wie die Heldin dieser Geschichte greift auch Dora zum Spaten und legt einen Acker an. Ihre einzige Begleitung ist ein treuer Vierbeiner. Und wie in Haushofers Roman tritt auch in dem von Zeh ein Mann auf, der den Hund bedroht. Dora begegnet ihm schon nach wenigen Seiten und nicht erst am Ende. Dort findet sich allerdings ein Satz, der als weitere Haushofer-Referenz gelten könnte. „Seit Doras Umzug hat in Bracken Tag für Tag die Sonne geschienen (…) als wäre das Dorf von einer großen, immer blau gestrichenen Glocke abgedeckt.“ Dora erhält, anders als die Einsame unter der Glasglocke, bald Gesellschaft. Gote, der bedrohliche Nachbar, stellt sich zwar als „Dorf-Nazi“ vor, dann aber doch manierlich an. So wie auch die übrigen Dorfbewohner mit ihrer Hilfsbereitschaft nicht zögern. Der von gegenüber rodet mit schwerem Gerät das Gestrüpp, ein anderer sammelt Dora am Einkaufzentrum ein, wo sie vergeblich auf den Bus wartet. Schließlich bringt jemand Saatkartoffeln. Und das alles ungefragt. Die kulturelle Kluft zur nur räumlich nahen Hauptstadt verstärkt Zeh durch Szenen aus ebendieser. Spätestens wenn sie für die Fahrt dorthin ihren kleinen Hund verstaut, erkennt man, wie weit die Sphären auseinanderliegen. Wer würde in Bracken schon seine Töle in einem Rucksack transportieren? Dora fährt wieder zurück. Ihr Abenteuer ist weniger gefährlich als das des von ihr verehrten Alexander Gerst, doch Mut braucht man nicht nur im All. Juli Zeh erzählt von zwei fremden Welten, indem sie ihre Protagonistin auf wenige, dafür disparate Figuren treffen lässt. Zur Wichtigsten, dem Antagonisten Gote, baut die Autorin eine Brücke mit einem Hund und einem kleinen Mädchen. Das ist glaubwürdig, auch wenn es klischeehaft klingt. Gegen Ende hin droht die Geschichte sentimental zu werden und drückt dann, so wie Dora es Gote vorwirft, ein bisschen auf die Tränendrüse. Doch das ist zum einen inhaltlich bedingt, zum anderen gelingt es Zeh vielleicht gerade dadurch, ihre Motive in gute Unterhaltung zu verpacken. Diese zeigt sich im Erzählfluss, der einen nach fulminantem Start sofort mitreißt. Doras Reflektionen bettet Zeh zwischen überraschende Reaktionen und schlagfertige Dialoge. Zwar „fällt“ zu Beginn etwas oft „der Groschen“, dafür entschädigen jedoch zahlreiche ironische Bemerkungen. Ihren Wortwitz offenbart Zeh nicht nur in den Ideen der Werbetexterin für die Ökojeans „Gutmensch“ des Labels „FAIRkleidung“. Er zeigt sich auch im Titel des Romans. Der erinnert an Zehs anderes Brandenburg-Buch, auf das sie verweist, „In Bracken ist man unter Leuten. Da kann man sich nicht mehr so leicht über die Menschen erheben.“ Der Begriff „Über Menschen“ charakterisiert fast jede Figur des Romans, sei es Robert, der sein Verhalten über das der anderen stellt, oder Steffen, der als Kabarettist Gote aburteilt. Das Schwarz-Weiß-Denken, was bei Gote erwartbar wäre, erkennt Dora im Laufe der Geschichte auch bei sich selbst. „Es geht nicht darum, Widersprüche auszulösen, sondern sie auszuhalten“, so der Rat.

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