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Rezensionen zu
Am Meer

Elizabeth Strout

Die Lucy-Barton-Romane (4)

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Elizabeth Strout nimmt sich in all ihren Werken, und das ist in ihrem neuesten, Am Meer, nicht anders, die ganz großen Dinge zum Thema. Und das auf so leichte, witzige wie schonungslose und nachdenkliche Art. Dabei verweilt Strout meist in kleinen Provinzstädtchen in Maine. Selten macht sie mal einen Abstecher nach New York, einen ihrer Romane lässt sie in der Heimat einer ihrer prominentesten Protagonist:innen, Lucy Barton, in deren trister Heimatstadt in Illinois spielen. Das hervorstechendste Merkmal aller Strout-Romane (es sind mittlerweile neun, auf Englisch liegt bereits der zehnte vor) ist die Liebe, die den Figuren von der Autorin ganz offensichtlich entgegengebracht wird. Ohne sie zu schonen oder zu idealisieren spürt man diese große Zuneigung, diese tiefe Empathie, und wie durch Zauberhand bringt die Leserin diese sehr bald selbst auf. Dabei sind diese Protagonist:innen alle keine ganz einfachen Charaktere (aber wer ist das schon). Sie haben ihre Macken, Ecken und Kanten und frönen meistens einem kräftigen Skeptizismus der Welt und ihren Mitmenschen gegenüber. Die kratzbürstige Olive Kitteridge aus Mit Blick aufs Meer ist da ein Beispiel. Immer wieder kommt Elizabeth Strout in lockerer Abfolge zurück auf diese Figuren. Manchmal sind sie nur flüchtige Passanten, manchmal spricht man nur über sie, manchmal nehmen sie die Hauptrolle ein. So wie Lucy Barton, die Elizabeth Strout in Am Meer nun schon zum dritten Mal ins Zentrum eines Romans stellt. Dabei ist der letzte Lucy Barton-Roman, Oh, William, erst 2021 erschienen. Aber kaum war dieser abgeschlossen, begann die Coronapandemie und die Autorin war noch so nah an ihren Figuren dran, dass sie sie offensichtlich da nicht alleinlassen konnte. Und außerdem bot sich im Lockdown viel Zeit zum Schreiben. Wir stehen also zu Beginn des Romans am Anfang der Pandemie. Es ist die erste Märzwoche 2020 und Lucys Ex-Mann William, der Wissenschaftler, Parasitologe ist, ahnt, was da auf die Welt zukommt. Er überredet Lucy, New York zu verlassen und mit ihm in ein Haus an der Küste von Maine zu ziehen. Lucys alte Bekannte Elsie Waters war wie Williams bester Freund Jerry bereits am Virus verstorben und sein Bekannter Bob Burgess bietet ihm das Haus im kleinen Städtchen Cosby (wir kennen es als Heimatort von Olive Kitteridge) günstig an. Wir kennen auch Bob Burgess aus einem früheren Strout-Roman (The Burgess Boys, dt. Das Leben natürlich), vermutlich mein allerliebster von ihr. Wir begleiten nun Lucy und William in ihrem Lockdown, treffen hin und wieder Bob Burgess, mit Masken und reichlich Abstand natürlich, verfolgen die Sorge um die gemeinsamen Töchter (Trennung, Fehlgeburt und Ehekrise inklusive), besuchen Williams erst im letzten Roman gefundene Halbschwester Lois Bubar und Lucys in prekären Verhältnissen lebende Geschwister Pete und Vicky und bekommen nebenbei die Ereignisse dieser Jahre wie ein düsteres Hintergrundrauschen mit: der Mord an George Floyd im Mai, die Massenproteste, die Wahl Joe Bidens im November 2020 und der Sturm aufs Kapitol im Januar 2021. Nicht nur die Pandemie, sondern auch der zunehmende Riss in der amerikanischen Gesellschaft beunruhigt. Die Isolation belastet Lucy, deren Sicht der Dinge wir durch die gewählte Ich-Perspektive erfahren. Panikattacken und die Schwierigkeit, wieder mit dem Schreiben zu beginnen. (Lucy ist Schriftstellerin) Aber Lucy, die aus sehr prekären Verhältnissen stammt, weiß auch ihre sehr privilegierte Lage zu erkennen, versucht, selbst Trump-Anhänger wie die Reinigungskraft des örtlichen Altenheims Charlene Bibber, die ihren Job verliert, weil sie Impfgegnerin ist, irgendwie zu verstehen. Deren Wut angesichts der Verachtung, die ihnen oft entgegengebracht wird. Es gelingt ihr nicht wirklich. Lucy erzählt uns die Geschichte ihrer Zeit im Haus Am Meer wie einer Freundin, im Plauderton, warmherzig und manchmal sehr emotional. Emotionaler als man das von vorhergehenden Romanen Strouts kennt. Das ist wohl der Krisensituation geschuldet. Lucy bleibt aber immer selbstreflektiert, skeptisch, ironisch. Ich bin ihr wieder sehr, sehr gerne gefolgt und verlasse meine literarische Wahlfamilie nur ungern. Schön, dass es schon bald einen neuen Roman von Elizabeth Strout geben wird, in dem sie noch mehr ihrer Figuren aufeinandertreffen lassen wird.

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Lucy Barton, erfolgreiche Autorin, Mitte sechzig, lebt in New York. David, ihr zweiter Ehemann, ist gestorben und um sich abzulenken plant sie eine Lesereise durch Europa. Doch der Beginn der Corona Pandemie verhindert dieses Vorhaben. William, Lucys Exmann und Wissenschaftler, erkennt die damit einhergehende Gefahr und überredet Lucy mit ihm vorübergehend in ein gemietetes Haus ans Meer zu ziehen. Nach Main. Weit weg von allem. Jeder von uns hat diese Pandemie erlebt und es ist schon beim Lesen dieser Zeilen klar, dass dieser Rückzug aus New York nicht nur vorübergehend ist. So erkennt auch Lucy bald, dass der notdürftig gepackte Koffer nicht ausreichen wird, um den Lockdown in Maine zu überdauern. Das Gesundheitssystem bricht zusammen, die ersten Todesfälle im Freundeskreis und aus Angst, dass sie und William das Virus aus New York verschleppen, werden sie von Bewohnern in Maine angefeindet. Mit „Am Meer“ geht Strout zurück in die Zeit der Pandemie, aber ein Corona-Roman ist es dennoch nicht. Es geht um alles das, was diese Situation auslöst: es geht um Selbstzweifel, um die Spaltung eines Landes, um Kindheit, um Liebe und Tod – und es geht um nichts Geringeres als darum, was das Leben für Lucy Barton ausmacht. Und schon ist man mittendrin in dem leisen-souveränen Erzählton von Strout. Fast wie beiläufig erscheinen die Beschreibungen des Alltags ihrer Protagonistin Lucy, deren Bekenntnisse, Kindheitserinnerungen, Skepsis. Es geht um Stärken und Schwächen der Gesellschaft, um Widersprüche in gefestigten Denkweisen und um die eigene Erkenntnis des Nicht-Wissens. „Ich wusste nicht, dass ich meine Wohnung nie wiedersehen würde. .. Ich wusste nicht, dass mein Leben von Grund auf anders werden würde. (…) Wie auch schon in anderen Büchern ist „Am Meer“ ein tiefgründiger Gesellschaftsroman. Und wie auch in anderen Büchern ist es ist das Unaufgeregte, das vermeintlich Unscheinbare, dass die Romane von Elizabeth Strout ausmachen. Der aktuelle Roman „Am Meer“ macht da keine Ausnahme. Ein großes Glück.

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„Am Meer“ war mein erstes Buch von Elizabeth Strout, auch wenn ich mir das eigentlich anders gedacht hatte. Idealistischerweise dachte ich zunächst, ich müsse die vorherigen Werke vorab lesen … habe ich aber natürlich doch nicht geschafft. 😅 Insofern bin ich völlig ohne Vorerfahrungen gestartet und war zugegebenermaßen im ersten Moment etwas irritiert angesichts des Schreibstils. Denn Elizabeth Strout schreibt schnörkellos, in glasklarer Sprache und erzeugt somit oberflächlich zunächst den Eindruck des Unspektakulären. Doch letztlich habe ich das Buch in kürzester Zeit verschlungen und mich ganz tief in die Geschichte und insbesondere die Emotionen der Protagonistin Lucy Barton hineinfühlen können. Und genau das ist das wirklich Spektakuläre an diesem Buch. Denn ich frage mich noch immer, wie eine Autorin es schafft, mit so schnörkelloser Sprache und so völlig ohne Effekthascherei eine so tiefe Identifikation mit den Romanfiguren mit all ihren Ängsten und Sorgen zu erreichen. Faszinierend! 😃 Ein Satz, der mich auf so schlichte Weise sehr berührt hat, war: „Die Frage, warum manche mehr Glück haben als andere - es gibt wohl keine Antwort darauf.“ (S. 48) Aber nun von vorne: Lucy Barton lebt in New York, als 2020 die Corona-Pandemie ausbricht. Ihr Ex-Mann und noch immer guter Freund William hat daher für sie beide ein abgelegenes Haus an der Küste von Maine gemietet. Lucy lässt sich überreden, New York zu verlassen und aus Sicherheitsgründen, die sie zunächst noch nicht ganz nachvollziehen kann, ein paar Wochen dort zu verbringen. Doch auch wenn sie den Trubel und die Corona-Bedrohung in NY hinter sich gelassen haben, haben sie ihre komplizierte Vergangenheit, den Bezug zum Leben ihrer beiden erwachsenen Töchter sowie den Blick auf die immer größer werdenden sozialen Spannungen im Land mit nach Maine genommen… Große Leseempfehlung! Perfekt für ein gemütliches Wochenende auf dem Sofa, an dem man sich voll und ganz in die Familiengeschichte von Lucy Barton und die Anfänge der Corona-Zeit in den USA entführen lassen kann.

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Ich bin von ganzem Herzen Meer-Mensch 🩵🌊💙. Wellen und Wind, der Rhythmus der Gezeiten all das lässt mich durchatmen, schenkt mir Kraft in schwierigen Zeiten. In ihrem neuen Roman „Am Meer“ beschreibt Elizabeth Strout auch eine schwierige Zeit. Die Zeit während Corona, die Zeit, die man schon fast wieder vergessen hat. Beim Lesen dann darüber stolpert und sich denkt „Ach ja, Maskenpflicht und Lockdown“. Es ist diese ruhige Atmosphäre und Sprache, die einen in diesen Roman hineinzieht und mitnimmt auf die Reise Lucy Bartons. Lucy Barton ist bereits eine vertraute Figur aus anderen Romanen von Elizabeth Strout. Hier nun zieht sie mit ihrem Exmann William nach Maine in ein Haus am Meer. Diese Abgeschiedenheit bietet den beiden Zuflucht und Schutz vor der Pandemie. Veränderung, Abschiede und Neubeginn, wie die Wellen und Gezeiten des Meeres beschreibt Elizabeth Strout die Stürme des Lebens. Ich habe dieses Buch wieder sehr, sehr gern gelesen! 💙🌊🩵 Vielen Dank an @team.bloggerportal und @luchterhand_verlag für dieses wunderbare Rezensionsexemplar -Übersetzung Sabine Roth-

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Die innige und zugleich schwierige Beziehung zwischen den Protagonisten Lucy und William ist mir seit dem Vorgängerroman „Oh William“ vertraut. Diesmal wird ihr Verhältnis erneut auf die Probe gestellt. Das Coronavirus breitet sich in New York aus, und William bringt seine Ex-Frau in ein Haus in Maine, um sie zu schützen. Auch für Leser, die das Paar noch nicht kennen, wird der Unterschied zwischen den Charakteren sofort sichtbar: Lucy fühlt sich überrumpelt und unterschätzt die Gefahr, während William vernunftgesteuert und tatkräftig alles Nötige in die Wege leitet. Ich konnte mich gut in Lucy hineinfühlen und erinnerte mich daran, dass auch mir der Lockdown damals so surreal vorkam. Ich war gespannt, ob die Ausnahmesituation die Verhaltensmuster, die sich nach 20 Jahren Ehe und 20 Jahre Trennung bei ihnen eingespielt haben, durchbrechen wird. Das Talent der Autorin, subtil und mit wenigen Worten intensive Emotionen und eine existenzielle Erfahrungstiefe zum Ausdruck zu bringen, habe ich schon immer geschätzt, doch in diesem Roman erreicht dies noch eine höhere Stufe. Wie kein anderer schafft sie es, ihre aufmerksamen Beobachtungen, klugen Gedanken über zwischenmenschliche Beziehungen, Ängste und Erinnerungen an traumatische Erlebnisse in eine wunderbare Sprache zu packen. Wie die Pandemie nicht nur das Leben von Lucy, William und ihren Kindern, sondern auch New York verändert hat, ist absolut lesenswert.

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Lockdown Deluxe

Von: Ingeborg Rosen

05.03.2024

Ich gebe zu, „Am Meer“ war mein erster Lucy Barton-Roman, und, egal was in den vorausgehenden vier Werken passiert ist - ich habe gelesen, die Beschreibung des amerikanischen Kleinstadt-Milieus spiele eine grosse Rolle - es hat, so finde ich, den großen Lesegenuss nicht geschmälert. Kurz zum Inhalt: der Roman spielt in den sehr frühen Anfängen der Pandemie, Lucy, Schriftstellerin, wird von ihrem Ex-Mann William, Naturwissenschaftler, mit sanftem Zwang in ein alleinstehendes Haus in Maine gebracht, wo die beiden alles vorfinden, was sie zu einem vergleichsweise angenehmen Leben benötigen. Was folgt ist die Beschreibung eines „Lockdown de Luxe“ (in keinster Weise mit dem zu vergleichen, was leider die Mehrzahl der Familien mit Kindern in 3-Zimmer Wohnungen durchmachen mussten). Wir lesen die in einfacher Sprache, in kleinen Abschnitten geschilderte aus Lucys Persepektive gesehene Beschreibung der Balance zwischen Glück und Unglück, sei es sie (Lucy) oder William, sei es die beiden gemeinsamen, inzwischen erwachsenen, Töchter betreffend. Und was ich hier mit einem schlichten Satz beschreibe ist eine grossartige Bilanzierung von Lucys und Willians Leben, und das meisterhaft !!! umgesetzt. Nicht eine Passage ist langweilig oder redundant, die wenigen Personen, mit denen sich die Bartons treffen, sind wunderbar beschrieben, ebenso die weiten einsamen Landschaften, die sie sich in ein- oder zweisamen Spaziergängen erwandern. Ein grosses Lob auch der Übersetzung von Sabine Roth, die ich mir den Weg zum Genuss des Romans eröffnet hat. LESEN !!!

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Elizabeth Strouts Roman "Am Meer" hat mich tief berührt und nachhaltig beeindruckt. Diese Fortsetzung der Lebensgeschichte von Lucy Barton, einer Figur, die mir bereits aus früheren Werken der Autorin ans Herz gewachsen ist, trifft den Nerv der Zeit und spiegelt auf feinsinnige Weise die Herausforderungen wider, denen wir uns als Gesellschaft stellen mussten und müssen. Die Handlung, die während des ersten Lockdowns in der Corona-Pandemie angesiedelt ist, hat mich besonders fasziniert. Lucy und ihr Ex-Mann William, die sich in einem einsamen Haus in Maine wiederfinden, umgeben von der rauen, aber auch beruhigenden Natur des Meeres, durchleben eine Zeit der Isolation und des Innehaltens. Ihre Beziehung, geprägt von einer tiefen Verbundenheit trotz ihrer Trennung, bietet einen interessanten Rahmen für die Erzählung. Strouts Fähigkeit, alltägliche Momente mit einer solchen Tiefe und Einfühlsamkeit zu beschreiben, dass sie universelle Wahrheiten enthüllen, ist beeindruckend. Die Dialoge zwischen Lucy und William, ihre Gedanken und die Begegnungen mit anderen Charakteren sind so lebendig und authentisch geschildert, dass ich mich als Leser direkt in die Geschichte hineinversetzt fühlte. Die Reflexionen über Familie, Freundschaft und die Zerbrechlichkeit unserer Existenz, die in diesem Roman eine zentrale Rolle spielen, haben mich nachdenklich gestimmt. Insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Thema Verlust – sei es der Verlust eines geliebten Menschen, der Verlust der Normalität oder der Verlust von Sicherheit – ist Strout auf bewegende Weise gelungen. Die Atmosphäre des Romans, eingefangen durch die detaillierte und bildhafte Sprache der Autorin, hat mir besonders gut gefallen. Das Meer, das sowohl als Kulisse als auch als Metapher dient, verstärkt die Stimmung der Handlung und symbolisiert die wechselhaften Gezeiten des Lebens. Strouts Meisterschaft zeigt sich nicht nur in ihrer charakteristischen klaren Sprache und der tiefen psychologischen Einsicht in ihre Figuren, sondern auch in der Art und Weise, wie sie es schafft, große gesellschaftliche Ereignisse auf das intimste menschliche Erleben herunterzubrechen. Dies macht "Am Meer" zu einem Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt und Trost spendet. Zusammenfassend ist "Am Meer" eine Lektüre, die ich wärmstens empfehlen kann. Elizabeth Strouts Werk berührt das Herz und den Verstand gleichermaßen und hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Es ist ein Roman, der von der menschlichen Resilienz erzählt, von der Fähigkeit, Hoffnung zu bewahren und weiterzumachen, selbst wenn das Leben uns auf die Probe stellt.

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Erneut möchte ich eine fesselnde Geschichte von Elizabeth Strout, einer erfolgreichen Autorin, vorstellen, die uns mit ihrem Bestseller »Am Meer« in einen idyllischen Küstenort Crosby in Maine entführt. In Zeiten der Corona-Pandemie und des Lockdowns sehnten sich viele nach einem Tapetenwechsel, nach neuen Eindrücken und nach der beruhigenden Wirkung des Meeres.Die Schriftstellerin Lucy war zwanzig Jahre mit William verheiratet. Mittlerweile sind sie schon zwanzig Jahre geschieden und waren anderweitig verheiratet. Als Lucys zweiter Mann vor fast einem Jahr verstorben war, fiel sie in ein tiefes Loch. Dann kam der Virus. Vor lauter Trauer hat Lucy die Wirkung des Virus nicht wirklich wahrgenommen. Aber William war wieder näher an sie heran gerückt und hat sie davon überzeugt, mit ihm in ein kleines Häuschen an einem Ort am Meer zu reisen. Er wollte sie und sich vor dem Virus schützen und den Menschen im überfüllten New York den Rücken kehren. Lucy dachte, es wäre nur für zwei Wochen, musste dann jedoch feststellen, dass sie in dem kleinen Küstenort in Maine wie in der Isolation lebten, die sie wegen des Lockdowns auch nicht verlassen konnte. Übrigens kennen die Leser der Romane von Elizabeth Strout den Küstenort Crosby bereits. Zumindest aus dem Roman »Die langen Abende« waren sie schon mal hier und müssen sich nicht wundern, dass alte Bekannte wieder die Wege kreuzen. Hier lernte sie auch die Situation kennen, von den Nachbarn als arrogant als New Yorker angefeindet zu werden. Nun erlebt Lucy also den Blick auf ihre Freunde und ihre Familie aus der Isolation heraus, aus der Ferne. Sie hat Zeit, viel Zeit, über sehr viel nachzudenken. Es verblüfft mich immer wieder, wie die Schriftstellerin den ganz normalen Alltag so interessant und spannend darzustellen vermag. Sie beobachtet akribisch ihre Umwelt und wahrscheinlich auch sich selbst. Aber das danach, vor allem die kleinsten Gefühle, so detailgetreu darzustellen, dass nahezu jeder Leser sagen kann „Ja, so geht es mir auch“ ist einfach umwerfend. Die Pulitzer-Preisträgerin Elisabeth Strout hat nicht nur den Blick für das Detail, sie kann diesen auch hervorragend in Worte fassen. Wenn ich solch einen Roman wie diesen lese, stelle ich immer wieder fest, wie wenig sich der eine Mensch von anderen unterscheidet. Ob Amerikanerin oder Deutscher, die Gefühle im Inneren sind die gleichen. Oder andersherum: Wie kann eine amerikanische Schriftstellerin wissen, was ich in Deutschland fühle? Bei solch einem Erzählstil fühle ich eine tiefe Verbundenheit mit diesem Roman. Ich erhalte wegen des sanften Plaudertons das Gefühl, als würde die Autorin neben mir auf dem Sofa sitzen und von sich erzählen. Sätze wie „Ich hatte noch nie ein Arbeitszimmer gehabt. Für mich allein, meine ich. Nie.“ kommen so schlicht daher, dass man sich einfach angesprochen fühlen muss. Andererseits war dies mein erster Roman zur Corona-Pandemie. Der zeitliche Abstand dazu war wohl ausreichend, damit ich mich jetzt wieder mit dem Thema befassen konnte. Ich muss sagen, die Beschreibungen der Situationen, sind wohltuend. Nicht hysterisch und schrill, sondern einfach so, wie es wirklich war. Das hat mir sehr gefallen. Schließlich hat Elisabeth Strout den natürlichen Mikrokosmos zu dieser Zeit genutzt, um die Beziehung der Menschen untereinander unter die Lupe zu nehmen. Denn es geht um Liebe, große Gefühle, Verluste, Ängste, Familie und so viel mehr als nur den Virus. Besonders geschickt fand ich, dass die Autorin nur sehr, sehr wenig von Corona spricht. Für sie ist es einfach nur der Virus. Der Roman erhält damit so eine Allgemeingültigkeit, die mich beeindruckt. Sollte es in einigen Jahren erneut eine Pandemie geben, würde dieser Roman sicher seine Gültigkeit behalten, denn der Virus ist, wie oben gesagt, nicht der Mittelpunkt sondern nur die Schale. Dieser Roman von Elizabeth Strout bietet eine wunderbare Flucht in eine ruhige und besinnliche Welt während des Lockdowns. Die vielen Geschichten und Gedanken, die darin enthalten sind, spiegeln auf beeindruckende Weise meine eigenen Gedanken und Gefühle wider, obwohl zwischen der Welt von Strout und mir sicherlich ein großer Unterschied besteht. Es ist erstaunlich, wie sehr wir uns in den Erfahrungen anderer Menschen wiederfinden können. Dieser Roman ist eine Empfehlung für jeden, der sich nicht scheut, den Lockdown anhand eines fiktiven Romans in Erinnerung zu rufen. © Detlef Knut, Düsseldorf 2024

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