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Rezensionen zu
Das verlorene Paradies

Abdulrazak Gurnah

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„Das Verlorene Paradies“ ist der vierte Roman des Literaturnobelpreisträgers 2021, Abdulrazak Gurnah. Ursprünglich erschienen 1994, wurde es im Dezember 2021 neu aufgelegt. Protagonist ist Yusuf, der Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen Eltern in einer nicht näher beschriebenen kleinen Ortschaft in Ostafrika lebt. Als Heranwachsender wird er von seinen Eltern mit dem Kaufmann Aziz schickt, den er bisher als seinen Onkel kennt. Schnell erfährt er jedoch, dass Aziz nicht sein Onkel ist, sondern Yusuf ein Pfand für die Schulden seiner Eltern bei Aziz. Der Roman begleitet Yusuf beim Heranwachsen, auf den Reisen des Kaufmanns durch die sich zunehmend verändernde Generation. Den historischen Kontext bilden die Verbreitung des Islam in der Region, der Niedergang der arabischen Vorherrschaft in Ostafrika und die beginnende deutsche Kolonialherrschaft. Gurnah zeigt anschaulich, wie regionale Glaubenspraktiken die Interpretation des Islam beeinflussen, wie Überzeugungen der eigenen religiösen Überlegenheit verbunden mit der Kolonialherrschaft gesellschaftliche Spaltung befördern. Die Verbreitung des Islam führt zur Abwertung traditionalen Glaubens, obwohl der Großteil der Bevölkerung Arabisch gar nicht versteht. Die muslimischen Händler bilden zunehmend brüchige Allianzen mit den deutschen Kolonialherren, die die Handelstätigkeiten zulassen und den Händlern gegebenenfalls gegen die alte Elite des Landes, gegen skeptische Dorfhäuptlinge (unzuverlässige) Unterstützung bieten – was wiederum die vorhandenen innergesellschaftlichen Spaltungen vorantreibt. Auch die Pluralität der Gesellschaft wird deutlich, wenn muslimische Bevölkerungsteile auf die indische Diaspora stoßen, die durch die britische Kolonialherrschaft nach Afrika gelangt ist, oder wenn Stammestraditionen und muslimische Vorstellungen miteinander konkurrieren, wobei beide Seiten davon ausgehen, die legitimere Position zu vertreten. Frauen spielen sich am Rand ab, sind Besitztum und Versorgerinnen der Männer, im Sinne dessen, was von Yusuf gesellschaftlich erwartet wird einschüchternd für den Heranwachsenden, werden von der Öffentlichkeit und von Männern ferngehalten und treten, wenn sie in die Öffentlichkeit treten, als Mutter oder verrückte Alte auf. Man könnte diese traditionellen und stark religiös geprägten Geschlechtervorstellungen im Roman kritisieren, doch werden sie nicht verteidigt, sondern entsprechend des zeitlichen Kontexts realistisch dargestellt. Ebenso verhält es sich mit Homosexualität, die auf Yusuf ebenso einschüchternd wirkt wie Heterosexualität und Sexualität an sich, die aber nicht per se negativ dargestellt, sondern mehr oder weniger offen gelebt wird. Wer postkoloniale Literatur liest, ist angesichts aktueller Neuerscheinungen vermutlich zunehmend weibliche Perspektiven gewöhnt, erwartet vielleicht eine sexismus- und rassismussensible Sprache. Gerade die älteren postkolonialen Autor*innen wie Farah oder Gurnah folgen dem jedoch nicht immer, sondern nutzen oft bewusst auch pejorative Sprache, um die Deutlichkeit von Herrschaftsverhältnissen und Diskriminierung aufzuzeigen. Viele der meist männlichen Figuren bedienen sich sexistischer und rassistischer Formulierungen. Das kann irritieren, auch wenn es sehr gut passt, durch eine editorische Notiz eingeordnet wird und zur Authentizität beiträgt. Ich mochte den Roman sehr, weil der Autor mit scharfem Blick die gesellschaftlichen Spannungen einzufangen weiß, dabei den Heranwachsenden Yusuf empathisch porträtiert und nichts beschönigt oder die Komplexität der Situation durch monokausale Interpretationen vereinfacht. Stellenweise wird selbst die deutsche Kolonialherrschaft als ambivalent dargestellt, da sie eben für die Kaufmannseliten durchaus Vorteile bietet – auch wenn der Preis dafür vielleicht den Verlust des Paradieses bietet. Auch hier schwebt aber die unbeantwortete Frage im Raum, was die verschiedenen Akteur*innen unter Paradies verstehen mögen. Positiv ist auch die Übersetzung von Inge Leipold, die die Atmosphäre des Buchs sehr gut einfängt. Allerdings setzt Gurnah sehr viel Vorwissen voraus, das ich selbst nur studiumsbedingt habe und das nicht unbedingt bei allen potentiellen Leser*innen vorausgesetzt werden kann. Das erschwert den Zugang und eine generelle Empfehlung ohne vorhandenes Hintergrundwissen, auch wenn ich das Buch sehr gern weiterempfehlen möchte, weil ich es wirklich gut finde. Möglicherweise eignen sich aber andere seiner Bücher noch eher als Einstieg.

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Vom verlorenen Paradies, Geheimnissen und Gefahren… Ostafrika, Ende des 19. Jahrhunderts: Der zwölfjährige Yusuf führt mit seiner Familie ein einfaches Leben auf dem Land. Als der Vater sich mit seinem kleinen Hotel verschuldet, wird Yusuf in die Hände von Onkel Aziz gegeben und landet im lebhaften Treiben der Stadt, zwischen afrikanischen Muslimen, christlichen Missionaren und indischen Geldverleihern. Die Gemeinschaft dieser Menschen ist alles andere als selbstverständlich und von subtilen Hierarchien bestimmt. Yusuf hilft in Aziz‘ Laden und bei der Pflege seines paradiesisch anmutenden Gartens. Doch als der Kaufmann ihn auf eine Karawanenreise ins Landesinnere mitnimmt, endet Yusufs Jugend abrupt. Die gefährliche Unternehmung bringt Krankheit und Tod und zeigt allen Teilnehmern schmerzhaft, dass die traditionelle Art des Handels keine Zukunft mehr hat. Was Yusuf erlebt, lässt ihn erwachsen werden. So verliebt sich der junge Mann nach seiner Heimkehr kopfüber, aber er und alle um ihn herum werden brutal mit der neuen Realität der deutschen Kolonialherrschaft konfrontiert. (Quelle: Auszug aus dem Klappentext – Penguin Verlag) „Das verlorene Paradies“ von Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah erschien im Original erstmals im Jahr 1994 und ist nun seit Dezember 2021 wieder in deutscher Übersetzung verfügbar. Hauptfigur hier ist der 12-jährige Yusuf, der in einfachen Verhältnissen aufwächst. Sein Leben ändert sich plötzlich, als sein Onkel Aziz ihn bei einem seiner Besuche mit zu sich in die Stadt nimmt – fortan soll er für ihn arbeiten. Neben Tätigkeiten im Kaufmannsladen seines Onkels zieht es ihn immer wieder in den beeindruckenden Garten hinter dem Haus, wo er dem Gärtner ab und an hilft. Einige Jahre später nimmt Aziz Yusuf schließlich mit auf eine Karawanenreise - die Reise wird zu einem gefährlichen Abenteuer und verlangt sowohl Yusuf als auch den anderen Teilnehmern alles ab… „Als er mitten in der Nacht die Augen aufmachte, ließ der Anblick des nur zur Hälfte besetzten, in düsteres Licht getauchten Waggons den Wunsch in ihm aufkommen, laut zu schreien. Die Dunkelheit draußen war eine unermessliche Leere, und er hatte Angst, der Zug sei schon zu weit in sie eingedrungen, um sicher zurückkehren zu können.“ - Seite 26, eBook Der Roman lässt sich von Beginn an gut lesen und man bekommt schnell einen detaillierten Einblick in Yusufs Leben. Schnell wird auch klar, warum der Junge fortan bei seinem Onkel leben wird und dort nicht als seinen Neffen, sondern als Mitarbeiter behandelt wird. Interessant und etwas geheimnisvoll sind die Abschnitte, die Yusuf in dem wundervollen Garten verbringt, der hinter hohen Mauern verborgen liegt. Zudem umgeben Aziz einige dunkle Geheimnisse – sowohl dessen Handelsgeschäfte, als auch die Bewohner seines Hauses. Yusufs Weg wird noch dramatisch und auf der Karawanenreise auch lebensgefährlich… Beeindruckend sind hier die Beschreibungen der Schauplätze. Bildgewaltig hält der Autor hier Momentaufnahmen der Landschaft fest. "Yusuf ging ein Stück weit am Ufer entlang und trat dabei auf die riesigen steine, die am Bach verstreut lagen. (…) Bald kam er zu einem Wasserfall und blieb stehen, um ihn zu betrachten. Etwas von einem Geheimnis, von einem Zauber, der jedoch Güte und Versöhnlichkeit atmete, lag über dem Ort.“ – Seite 75, eBook Zwischendurch wird es mal etwas mystisch und unheimlich, dann auch wieder dramatisch und auch irgendwie bedrückend. Yusuf wird auf der Reise mit schrecklichen Ereignissen konfrontiert: „Nicht bloßes Entsetzen war es, sagte er, durchaus nicht, sondern das Entsetzen, das allem Form verlieh. Und er hatte Dinge gesehen, auf die er gänzlich unvorbereitet gewesen war.“ – Seite 163, eBook Auch wenn das Buch gut geschrieben ist, fehlte mir doch etwas. Einzelne Szenen wirkten etwas abgehackt, Yusuf als Hauptfigur wird zwar zunächst gut beschrieben, aber er selbst geht oft zwischen den anderen Charakteren unter, was ich etwas schade fand. Mein Fazit: Ein außergewöhnlicher Roman mit Stärken und Schwächen. Beeindruckend sind die Schilderungen der Schauplätze – es wird geheimnisvoll und mal etwas mystisch, aber auch dramatisch und bedrückend. Jedoch waren einige Abschnitte etwas zu abgehackt und die Hauptfigur geht zwischen den anderen Charakteren etwas unter. Leider hat mir etwas bei diesem Roman gefehlt - ich hoffe aber, dass das Buch noch begeisterte Leser*innen finden wird.

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