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Rezensionen zu
Das verlorene Paradies

Abdulrazak Gurnah

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Das verlorene Paradies - Abdulrazak Gurnah

Von: laslirose aus Ludwigsburg

27.07.2022

Das verlorene Paradies - Abdulrazak Gurnah‘s 1994 erschienene Roman katapultierte ihn 2021, nach der Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis, auf den Olymp der Top-Schriftsteller. Auch ich bin erst durch den Nobelpreis auf ihn aufmerksam geworden. Der Roman spielt sich in Ostafrika, um die Wende des 19. Jahrhunderts, ab. Wir treffen, inmitten des geschäftigen und bunten Treiben einer multiethnischen Gesellschaft, auf den 12 jährigen naiven und hübschen Yusuf, der als Pfandleihe für die Schulden seines Vater’s in Onkel Aziz Obhut kommt. Zunächst arbeitet er im Laden vom Onkel Aziz, und hilft bei dessen paradiesisch anmutendem Garten. Sein Leben ändert sich abrupt, als Onkel Aziz ihn auf eine lange Handelsreise mitnimmt. Schlagartig endet die unbeschwerte Jugend. Gefahren, Tod und Krankheit begleiten die Karawane und lassen ihn erwachsen werden. Nach seiner Rückkehr verliebt er sich Hals über Kopf, doch eine neue Ära der Kolonialherrschaft läutet eine Zeit des Umbruchs ein, und ändert das bisher gekannte Leben. Dieser „coming-of-age“ Roman ist voller Wärme und Humor. Ich habe dieses geschäftige Treiben, dieses kunterbunte Leben, ständig bildlich vor meinem inneren Auge gehabt. Yusuf habe ich sofort ins Herz geschlossen. Ich habe nur eine Kritik an diesem, sonst wunderbaren, Roman. Mich hat es irritiert, dass durchgehend im Roman.. jeder, egal Mann oder Frau, verheiratet oder ledig, offen und handgreiflich Yusuf nachgestellt hat. Schwer zu glauben, dass etwas was heute so gegen jede Moral, Sitte und Anstand verstoßen würde, damals öffentlich möglich wäre. Nun sagt aber A. Gurnah, dass für ihn die Schönheit des Schreibens daraus resultiere, zu zeigen, wie „es anders sein könnte“. In diesem Sinne ist es wohl dann seine schriftstellerische Freiheit. Alles in allem aber ein warmherziger und absolut lesenswerter Roman.

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Dem 1948 im Sultanat Sansibar geborenen und heute in Canterbury lebenden Abdulrazak Gurnah wurde 2021 der Nobelpreis für Literatur verliehen. Mir war dieser Autor und sein zehn Romane umfassendes literarisches Werk bis dato kein Begriff, was auch daran liegen könnte, dass sein Werk bisher nur spärlich ins Deutsche übersetzt und zudem jahrelang nicht lieferbar war. „Das verlorene Paradies“, bereits 1994 veröffentlicht und der Roman, der Gurnahs Durchbruch als Schriftsteller zementierte, wurde am 08.12.2021 in der Übersetzung von Inge Leipold und durch ein Glossar erweitert, im @penguin_verlag neu aufgelegt. Vielen lieben Dank an den Verlag und @bloggerportal für das kostenlose Rezensionsexemplar! Der Penguin Verlag ermöglicht es, das Werk des Nobelpreisträgers in deutscher Übersetzung zu erkunden. „Ferne Gestade“ ist bereits im März erschienen und meine nächste Lektüre und im Herbst erscheint Gurnahs jüngster Roman „Nachleben“. „Das verlorene Paradies“ entführt den Leser nach Ostafrika Ende des 19. Jahrhunderts in eine ferne, im Umbruch begriffene Welt. Der zwölfjährige Yusuf wird von seinem Vater als Schuldsklave und Pfand für dessen Schulden in die Obhut eines wohlhabenden, erfolgreichen und allseits respektierten Kaufmanns gegeben. „Onkel Aziz“ nimmt den Jungen von seinem beschaulichen Leben auf dem Land mit in die Stadt, wo er sich zusammen mit dem zu einem Freund werdenden Khalil um den Krämerladen kümmert und bei der Pflege des abgeschirmten paradiesisch anmutenden Gartens des Kaufmanns hilft. Doch Yusufs beinahe unbeschwert anmutende Jugend endet abrupt, als er auf eine Karawanenreise mit ins Landesinnere genommen wird. Die gefährliche Expedition birgt Krankheit, Tod, Gewalt und offenbart das Vordringen der deutschen Kolonialherrschaft und damit das Ende der traditionellen Art des Handels. Der Leser begleitet Yusuf beim Erwachsenwerden in einer Zeit des Übergangs. Das alte, durch subtile Hierarchien und Traditionen geprägte Leben im multiethnischen, multireligiösen und multilingualen Ostafrika, in etwa dem heutigen Tansania, ist durch die beginnende gewaltsame Kolonialisierung durch die Europäer im Niedergang begriffen. Gurnah spannt eine facettenreiche Welt auf, in der afrikanischen Muslime, christliche Missionare und indische Geldverleiher in einem Schmelztopf der Kulturen zusammen leben, aber fernab jeglicher Romantisierung des präkolonialen Lebens zeigt er die Schattenseiten von Leid, Gewalt, Sklavenhandel und Rassismus. Die schwarze Bevölkerung wird von den Arabern und Indern als „Wilde“ bezeichnet, wohingegen die Europäer alle Einheimischen als „unzivilisierte Eingeborene“ betrachten, während sie selber von diesen als hässliche und grausame „Wilde“ betrachtet werden. Wunderbar wird die kulturelle Vielfalt durch die immer wieder in den Text eingestreuten Begriffe und Redewendungen auf Kiswahili, Arabisch oder Hindi untermauert, die im Glossar erklärt werden. Eindrucksvoll wird der Untergang des traditionellen Karawanenhandels im Angesicht der sich ausweitenden Kolonialisierung deutlich. Feinsinnig und lebendig, zuweilen poetisch, immer besonnen und urteilslos beschreibt Gurnah diese komplexe, im endgültigen Wandel begriffene Welt nüchtern und ohne zu beurteilen. Das alte Leben verschwindet, während wir Yusuf beim Erwachsenwerden begleiten. Yusuf, dessen Geschichte an die biblische Josefsgeschichte beziehungsweise die Geschichte des Propheten Yusuf im Koran angelehnt ist, träumt von seinem paradiesischen Garten hinter der Mauer mit dem plätschernden Wasser, den betörenden Blüten und süßen Früchten. Doch seine Sehnsüchte und Träume verlieren sich ebenso wie das alte Leben, wobei ich das Ende des Romans schwer nachzuvollziehen fand. In „Das verlorenen Paradies“ treffen Traumbilder und Sehnsüchte auf die Realität und es wird hinterfragt, was wirklich „Paradies“ ist und was nur Schein. Es geht um innere und äußere Freiheit und Entwurzelung. Der deutsche Titel nimmt dabei viel vorweg, wohingegen das originale „Paradise“ mehr Interpretationsraum lässt. Gurnahs Roman ist Zeitbild und Coming-of-Age-Roman und entführt in eine fremde, ferne Welt!

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Abdulrazak Gurnah ist der Literaturnobelpreisträger 2021, aber sein Roman „das verlorene Paradies“ im englischen Original „paradise“ wurde 1994 veröffentlicht. In deutscher Übersetzung kam es 1998 beim S.Fischer Verlag heraus und wurde 2021 in der Übersetzung von Inge Leipold beim Penguin Verlag neu aufgelegt, wahrscheinlich anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises. Der Proganonist der Geschichte ist der zwölfjährige Yussuf, der zunächst bei seinen Eltern aufwächst und dann von einem reichen arabischen Kaufmann als Schuldsklave für die Schulden seines Vaters mitgenommen wird. Yussuf wird im Geschäft seines Onkels eingesetzt, wo er gemeinsam mit einem anderen jungen Mann, der auf ähnliche Art in den Besitz des Kaufmanns gelang ist, unbezahlt arbeitet. Am Ende des Romans ist Yussuf erwachsen und seine Sicht der Welt hat sich entsprechend verändert. Der Roman spielt in einer bewegten Zeit, zu Beginn des 20ten Jahrhunderts, vor dem ersten Weltkrieg. Die zukünftige Kolonialmacht Deutschland beginnt das Leben im heutigen Tanzania mehr und mehr zu beeinflussen und zu Beginn des ersten Weltkriegs werden unter den Einheimischen Soldaten für die deutsche Armee ausgehoben. Yussuf landet, nachdem er von seinen Eltern weggebracht wurde, in einer bunten, multiethnischen, multi-religiösen Gesellschaft, die für die Leser*innen überraschend und eher unbekannt ist. Der Autor zeichnet das präkoloniale Leben in Sansibar illusionslos. Die arabischen Sklavenhändler sind allgegenwärtig, Gewalt und öffentliche Folter sind an der Tagesordnung. Der Kolonialismus wird nicht als Einbruch in ein Paradies dargestellt sondern als zusätzliche Erschwernis des Lebens. Diese objektive Sicht auf Land und Leute, auf Geschichte, Kultur und Religion ist sehr interessant zu lesen und die Sprache des Autors ist leicht, fließend und mitreissend. Gurnah zeichnet keine psychologischen Profile seiner Figuren, er beurteilt die Geschehnisse auch nicht, er beschreibt sie. Weder Schönheit, noch Brutalität werden ausgespart, die Bilder sind sehr stark, vor allem die Handelskarawanenreise fand ich sehr eindringlich. Es wird hier nicht nur diese Form des Handels mit all ihren Gefahren und Gewinnen beschrieben, es wird auch sehr klar, dass es nicht mehr lange möglich sein wird auf diese Weise Geschäfte zu machen, dass die Strukturen dieser ostafrikanischen Welt dabei sind, sich radikal zu ändern. Zwei große Themen sehe ich in diesem Roman: die innere Freiheit unter widrigen Umständen und das Thema der Entwurzelung, einerseits jener des Protagonisten und andererseits jener des gesamten Kulturkreises. Andere mögen andere Leitmotive finden. Der Roman ist für vieles offen. Sehr überraschend fand ich das Ende der Geschichte. Andererseits ist die psychologische Struktur des Protagonisten wenig vertieft und so kann man auch nicht sagen, ob das Ende nun schlüssig ist oder nicht. Für mich ist es ein plötzlicher Einbruch des Irrationalen, der verblüfft, aber bei näherer Betrachtung auch ein Vorgeschmack auf die Zukunft ist, die Yussuf erwartet.

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Ein Stück afrikanische Geschichte

Von: MarcoL

08.03.2022

Die Geschichte spielt in Ostafrika, Ende des 19. Jahrhunderts. Die Sklaverei ist zwar mehr oder weniger verboten und abgeschafft, doch es gibt auch andere Wege und Mittel, um zu billigen Arbeitskräften zu kommen, welche außer marginaler Kost und dürftigen Unterkünften keinerlei Kosten bescheren. Auch Aziz, ein erfolgreicher und wohlhabender Kaufmann, allseits respektiert, nützt solche Umstände aus, auch wenn er seine Untergebenen gut behandelt. Yusufs Vater lebt im Landesinneren, ist an Aziz hochverschuldet, und so übergibt er ihm seinen zwölfjährigen Sohn an dessen „Onkel“, damit dieser als Arbeitskraft die Schulden abarbeitet. Das ist kein Einzelfall. Dennoch ergeht es Yusuf nicht schlecht, wird von Khalil eingewiesen, oftmals mit grober Hand, aber dennoch entwickelt sich zwischen den beiden so etwas wie eine Freundschaft. Yusuf wird von Aziz gut und begünstigt behandelt, und wird bald mit dessen Karawane auf eine Handelsreise mitgenommen … und die Jahre vergehen … Yusuf wächst heran … und muss leidvoll feststellen, dass sich die Dinge ändern. Die Stämme im Landesinneren sind nicht mehr sehr willig auf den Handel, zum anderen werden sie von der Kolonialisierung der Europäer überrannt, allen voran die Deutschen. Da wird nicht mehr gefragt, sondern einfach genommen – Hab und Gut, Land und Leute. S. 115: „Diese Europäer sind wild entschlossen, und bei ihrem Streit um die Reichtümer der Erde werden sie uns alle zermalmen. Ein Narr, der glaubt, sie seien hier, um irgendwie etwas Gutes zu tun. Sie sind nicht am Handel interessiert, sondern am Land selbst. Und an allem, was darin ist … an uns.“ In einer schönen Sprache, nüchtern und nicht aufzwingend, erzählt der Nobelpreisträger von 2021 anhand von Yusuf, was in jenen Ländern geschah, ohne übertriebene Bilder oder Schnörkel. Manchmal kommen die Zeilen für mich leider etwas zu nüchtern daher, fast ein wenig zu emotionslos, was den Lesefluss ein klein wenig ins Stocken geraten lässt (mein Eindruck). Dennoch finde ich, ist dieser Roman absolut lesenswert und berichtet von einem Stück afrikanischer Geschichte – darum gebe ich gerne eine Leseempfehlung

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Als dem aus Tansania, genauer Sansibar, stammenden Autor Abdulrazak Gurnah im letzten Jahr der Literaturnobelpreis zugesprochen wurde, war zunächst einmal die Ratlosigkeit recht groß. Auch Literaturkenner:innen war der 1948 geborene Gurnah meistenteils unbekannt, in Deutschland war keines seiner Werke aktuell lieferbar. Lässt man mal die beiden weißen Südafrikaner:innen Nadine Gordimer und John M. Coetzee beiseite, ist Gurnah erst der dritte Literaturnobelpreisträger aus Afrika (nach dem Nigerianer Wole Soyinka und dem Ägypter Nagib Machfus). Kritische Stimmen merkten an, dass es sich aber wieder um einen in der Diaspora lebenden und auf Englisch schreibenden Autoren handelt. Schön, dass die Leser:innen sich nun mit Das verlorene Paradies, dem viertem, für den Booker Prize 1994 nominierten Roman von Abdulrazak Gurnah, nun selbst ein Bild von dessen literarischem Werk machen können. „Erst der Junge. Sein Name war Yusuf, und in seinem zwölften Jahr verließ er ganz überraschend sein Zuhause.“ DIE “YUSUF”-GESCHICHTE Der Junge Yusuf, hier liegt eine sich im Laufe der Erzählung bestätigende Parallele nahe, und zwar die zur Josefsgeschichte der Bibel oder, natürlich noch naheliegender, der Geschichte des Propheten Yusuf im Koran, die mit dieser fast identisch ist. Und tatsächlich gibt es zahlreiche Übereinstimmungen. Wie der Prophet wird auch der Junge Yusuf als Arbeitskraft verkauft. Nicht seine Brüder, sondern sein Vater, der ein kleines Hotel an der Küste Tansanias führt und sich hoch verschuldet hat, gibt ihn an einen reichen Händler ab. Als Pfand und billige Arbeitskraft in dessen Laden. Eine Praxis, die augenscheinlich nicht selten war zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zunächst noch als abenteuerliche Reise mit „Onkel Aziz“ empfunden, merkt Yusuf erst nach und nach, dass er seine Eltern wohl nicht mehr wiedersehen wird. Yusuf ist von freundlichem, etwas naivem Wesen und außerordentlicher Schönheit, so dass er die Herzen nicht nur seines neuen Herrn, sondern auch von dessen anderem „Gehilfen“ Khalil, des Gärtners Mzee Hamdani, des Inders Kalasinga und später, erst gegen Ende des Buchs, aber umso verhängnisvoller, der Frau von Onkel Aziz erobert. Die Herrin lebt zunächst abgeschottet in einem Haus inmitten eines paradiesischen Gartens, hoch ummauert und mit einem Teich versehen, dessen Wasserrinnen in alle vier Himmelsrichtungen fließen. Betörende Blumen und Früchte wachsen hier. Er ist wie ein Paradies. Yusuf ist der Zutritt aber nur zum Arbeiten gestattet. DIE EXPEDITION Der eintönigen, letztlich aber nicht unangenehmen Arbeit im Laden des Händlers und dessem Garten wird Yusuf eines Tages entrissen. Aziz will ihn auf eine seiner Expeditionen ins Landesinnere zu den „Wilden“ mitnehmen. Derart verächtlich bezeichnen die arabischstämmigen Bewohner der Küste, deren Vorfahren unter anderem mit Sklavenhandel reich geworden sind, die Schwarzen Einwohner des Landes. Sklaverei ist offiziell um 1900 nicht mehr gestattet, inoffiziell läuft das Geschäft weiter, auch wenn die Araber und die Inder, die als fleißige Händler in Ostafrika auch oft zu Reichtum gekommen sind, schon längst nicht mehr die Herren im Land sind. Seit 1885 ist Tansania Teil der deutschen Kolonie Ostafrika und die Kolonisatoren machen sich bemerkbar. „Alles ist im Umbruch. Diese Europäer sind wild entschlossen, und bei ihrem Streit um die Reichtümer der Erde werden sie uns alle zermalmen. Ein Narr, der glaubt, sie seien hier, um irgendwie etwas Gutes zu tun. Sie sind nicht am Handel interessiert, sondern an dem Land selbst. Und an allem, was darin ist…, an uns.“ DIE “WILDEN” Besonders die Rigidität der Deutschen verblüfft die Afrikaner. In Das verlorene Paradies werden von Abdulrazak Gurnah die unterschiedlichsten Rassismen dargestellt. Die Schwarze Bevölkerung gehört für die Araber und Inder im Land zu den „Wilden“, so wie sie alle für die Europäer als zu beherrschende „Eingeborene“ gelten. Für diese sind aber umgekehrt die Europäer die „Wilden“ und dazu noch ausgesprochen hässliche und grausame. Die Lage im damaligen multiethnischen, multireligiösen und multilingualen Ostafrika ist komplex. Im Zweifel sind immer „die Anderen“ die „Wilden“. Die Verwendung der diffamierenden, heute nicht mehr zu verwendenden Begriffe wird vom Verlag in einer editorischen Notiz erklärt und ist für mich im Zusammenhang der Geschichte notwendig. „Die Kaufleute sprachen mit Verwunderung von den Europäern, eingeschüchtert von ihrer Wildheit und Rücksichtslosigkeit.“ Gurnah zerstört mit seinem Roman jegliche Romantisierung Afrikas, auch des präkolonialen. Die Welt war hier auch vor Ankunft der Kolonisatoren alles andere als ein „Paradies“. Das wird besonders deutlich bei der ausführlichen und teils grausamen Schilderung der Handelsexpedition ins Landesinnere. Für Leiden, Gräuel und absurde Situationen brauchen die Menschen die Kolonisatoren nicht, die teilweise eher ein wenig lächerlich dargestellt werden. Am Ende zeichnet sich mit Beginn des Ersten Weltkriegs auch deren Ende in Afrika ab. DER GARTEN Von der anstrengenden und gefährlichen Expedition zurückgekehrt, schließt sich wieder der Kreis zur Prophetengeschichte. Die Herrin in ihrem paradiesischen Garten stellt dem nun siebzehn Jahre alten Yusuf nach, dieser weist sie ab, sie zerreißt sein Hemd von hinten. Auch hier wird das als Beweis für seine Unschuld anerkannt. Das könnte das Ende der Geschichte sein. Abdulrazak Gurnah wählt ein anderes, mich nicht wirklich überzeugendes und einige Fragen aufwerfendes. Abdulrazak Gurnah lässt viel erzählen in Das verlorene Paradies. Dabei herrscht oft ein ziemlich derber, vulgärer Umgangston. Andererseits ist die Erzählung, gerade auch in ihrer Perspektive auf den jungen Yusuf sehr menschenfreundlich, oft heiter und humorvoll. Wenn nicht gerade Personenrede vorherrscht, erzählt bei Abdulrazak Gurnah ein auktorialer Erzähler, was das Ganze ein wenig traditionell macht. Der Penguin Verlag will nun das gesamte Werk Abdulrazak Gurnahs in Angriff nehmen, im März bereits erscheint Ferne Gestade, das keine historische, sondern eine zeitgenössische Thematik enthält. Ich freue mich drauf.

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In die Kolonialzeit des östlichen Afrikas und einen Blick in das Leben des jungen Yusuf lässt Abdulrazak Gurnah, Nobelpreisträger für Literatur, mit „Das verlorene Paradies“ lebhaft vor unseren Augen auferstehen. Staubig, rechtslos, einsam und doch ist der Junge verzaubert von der Schönheit im Garten und dem Leben an sich und andersherum. Gurnah schenkt einen einfühlsamen Protagonisten inmitten der aufeinandertreffenden Kulturen und hinterlässt Unruhe ob der selbigen im Land.

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„Das verlorene Paradies“ zeigt eine mit Blut, Ungerechtigkeit und entsetzlichen Lebensumständen gefüllte gnadenlose Landschaft, in der ein Kind sich weder sicher noch geborgen fühlen kann. Zeitgleich handelt es sich um einen unglaublich spannenden, komplexen Gesellschafts- und Entwicklungsroman, der sowohl ein vielfältiges Bild der innenpolitischen Umstände in Ostafrika als auch eine wichtige Perspektive auf die Auswirkungen des europäischen Kolonialismus wirft. Die Komplexität der innenpolitischen Wechselwirkungen und die Beziehungen zwischen Sultanen, Kaufmännern und Königen; Häuptlingen, Geistlichen und Immigranten, die in Sansibar aufeinandertreffen, ist faszinierend – und wird auf eine ambivalente Art und Weise ausgeführt, die eine Sammlung der Arten von Feindseligkeit zwischen gesellschaftlichen Gruppen, Religionen, Herkunftsorten und Gesellschaften durchleuchtet. Kompositorisch, inhaltlich und stilistisch ist dieser Roman von Abdulrazak Gurnah ein hervorragendes Exemplar der Weltliteratur und vergrößert meinerseits nur das Interesse an weiteren Lektüren des Autors. Den Volltext findest Du auf https://sandrafalke.com.

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Was ich von dem Roman erwartet habe und was ich schlussendlich gelesen habe, sind zwei unterschiedliche Dinge. Wie viele andere Rezensenten bin auch ich der Meinung, dass das Buch durchaus gut geschrieben und leicht zu lesen ist, jedoch ohne Hintergrundwissen über die gesellschaftliche und politische Situation in Ostafrika um 1900 sehr schwer zu verstehen. So wirkt es auf jemanden, der sonst nicht viele Berührungspunkte mit der islamischen und hinduistischen Kultur sowie dem Koran hat, verwirrend und einstweilen auch sehr rau. Wir erleben die Geschichte des Jungen Yusuf, der als Auslöse für die Schulden seiner Eltern an einen Kaufmann gegeben wird und fortan sein Leben dort führen muss. Zu Anfang kann man sich als Leser gut mit Yusuf identifizieren, der entwurzelte Junge tut einem in jeder Hinsicht leid. Nach und nach begleiten wir ihn beim Älter werden, er wird als besonders hübsch beschrieben und einige schreiben ihm sogar heilende Kräfte zu. Um zu lernen nimmt der Kaufmann Yusuf eines Tages mit auf eine lange Reise, eine Karawane die zum Handeln ins Landesinnere fährt. Hier finde ich, geht die Geschichte um Yusuf selbst ein bisschen verloren, man erfährt dagegen viel über die Kultur, die Verhaltensweisen und die Umgebung der Protagonisten. Im Mittelteil des Buches viel es mir auch etwas schwerer, dran zu bleiben. Die vielen fremden Begriffe haben mich immer wieder aus dem Lesefluss geholt und ich habe des Öfteren im Glossar nachschlagen müssen. Das empfand ich jedoch keineswegs als störend, brachte es mich doch dazu, einmal über meinen Tellerrand hinaus zu schauen und mich intensiver mit einer anderen Kultur auseinanderzusetzen. Insgesamt ist das Buch eine gute Möglichkeit, sich einmal mit etwas anderem als der eigenen Kultur auseinanderzusetzen, was heutzutage ja unglaublich wichtig ist. Es kann natürlich abschreckend wirken, denn der Umgang, der in dem Buch gepflegt wird, ist keineswegs liebevoll, sondern viel mehr rau. Aber niemals kriegerisch, zumindest nicht, was die Kaufleute unter sich betrifft. Gegen Ende konnte man sich auch wieder besser in Yusuf hineinversetzen, man erlebt erste sexuelle Entwicklungen mit ihm und ebenso, wie er mehr und mehr zu dem Mann wird, der er am Ende ist. Ich persönlich konnte viel aus dem Buch mitnehmen und finde allein schon wegen der dort beschriebenen Kultur sollte man das Buch gelesen haben. Jedoch hätte ich mir ein ausführliches Vorwort zum besseren Verständnis der Zeit und Kultur gewünscht, das hätte es einfacher gemacht, Zusammenhänge zu erkennen. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dieses Buch nicht in vollem Umfang verstanden zu haben, deshalb lege ich jedem ans Herz, sich auch noch einmal ein wenig mit der Kultur und Geschichte Ostafrikas auseinanderzusetzen, einfach auch, um aus dem Buch mehr mitnehmen zu können.

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