Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Das verlorene Paradies

Abdulrazak Gurnah

(3)
(13)
(2)
(0)
(0)
€ 25,00 [D] inkl. MwSt. | € 25,70 [A] | CHF 34,50* (* empf. VK-Preis)

Als dem aus Tansania, genauer Sansibar, stammenden Autor Abdulrazak Gurnah im letzten Jahr der Literaturnobelpreis zugesprochen wurde, war zunächst einmal die Ratlosigkeit recht groß. Auch Literaturkenner:innen war der 1948 geborene Gurnah meistenteils unbekannt, in Deutschland war keines seiner Werke aktuell lieferbar. Lässt man mal die beiden weißen Südafrikaner:innen Nadine Gordimer und John M. Coetzee beiseite, ist Gurnah erst der dritte Literaturnobelpreisträger aus Afrika (nach dem Nigerianer Wole Soyinka und dem Ägypter Nagib Machfus). Kritische Stimmen merkten an, dass es sich aber wieder um einen in der Diaspora lebenden und auf Englisch schreibenden Autoren handelt. Schön, dass die Leser:innen sich nun mit Das verlorene Paradies, dem viertem, für den Booker Prize 1994 nominierten Roman von Abdulrazak Gurnah, nun selbst ein Bild von dessen literarischem Werk machen können. „Erst der Junge. Sein Name war Yusuf, und in seinem zwölften Jahr verließ er ganz überraschend sein Zuhause.“ DIE “YUSUF”-GESCHICHTE Der Junge Yusuf, hier liegt eine sich im Laufe der Erzählung bestätigende Parallele nahe, und zwar die zur Josefsgeschichte der Bibel oder, natürlich noch naheliegender, der Geschichte des Propheten Yusuf im Koran, die mit dieser fast identisch ist. Und tatsächlich gibt es zahlreiche Übereinstimmungen. Wie der Prophet wird auch der Junge Yusuf als Arbeitskraft verkauft. Nicht seine Brüder, sondern sein Vater, der ein kleines Hotel an der Küste Tansanias führt und sich hoch verschuldet hat, gibt ihn an einen reichen Händler ab. Als Pfand und billige Arbeitskraft in dessen Laden. Eine Praxis, die augenscheinlich nicht selten war zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zunächst noch als abenteuerliche Reise mit „Onkel Aziz“ empfunden, merkt Yusuf erst nach und nach, dass er seine Eltern wohl nicht mehr wiedersehen wird. Yusuf ist von freundlichem, etwas naivem Wesen und außerordentlicher Schönheit, so dass er die Herzen nicht nur seines neuen Herrn, sondern auch von dessen anderem „Gehilfen“ Khalil, des Gärtners Mzee Hamdani, des Inders Kalasinga und später, erst gegen Ende des Buchs, aber umso verhängnisvoller, der Frau von Onkel Aziz erobert. Die Herrin lebt zunächst abgeschottet in einem Haus inmitten eines paradiesischen Gartens, hoch ummauert und mit einem Teich versehen, dessen Wasserrinnen in alle vier Himmelsrichtungen fließen. Betörende Blumen und Früchte wachsen hier. Er ist wie ein Paradies. Yusuf ist der Zutritt aber nur zum Arbeiten gestattet. DIE EXPEDITION Der eintönigen, letztlich aber nicht unangenehmen Arbeit im Laden des Händlers und dessem Garten wird Yusuf eines Tages entrissen. Aziz will ihn auf eine seiner Expeditionen ins Landesinnere zu den „Wilden“ mitnehmen. Derart verächtlich bezeichnen die arabischstämmigen Bewohner der Küste, deren Vorfahren unter anderem mit Sklavenhandel reich geworden sind, die Schwarzen Einwohner des Landes. Sklaverei ist offiziell um 1900 nicht mehr gestattet, inoffiziell läuft das Geschäft weiter, auch wenn die Araber und die Inder, die als fleißige Händler in Ostafrika auch oft zu Reichtum gekommen sind, schon längst nicht mehr die Herren im Land sind. Seit 1885 ist Tansania Teil der deutschen Kolonie Ostafrika und die Kolonisatoren machen sich bemerkbar. „Alles ist im Umbruch. Diese Europäer sind wild entschlossen, und bei ihrem Streit um die Reichtümer der Erde werden sie uns alle zermalmen. Ein Narr, der glaubt, sie seien hier, um irgendwie etwas Gutes zu tun. Sie sind nicht am Handel interessiert, sondern an dem Land selbst. Und an allem, was darin ist…, an uns.“ DIE “WILDEN” Besonders die Rigidität der Deutschen verblüfft die Afrikaner. In Das verlorene Paradies werden von Abdulrazak Gurnah die unterschiedlichsten Rassismen dargestellt. Die Schwarze Bevölkerung gehört für die Araber und Inder im Land zu den „Wilden“, so wie sie alle für die Europäer als zu beherrschende „Eingeborene“ gelten. Für diese sind aber umgekehrt die Europäer die „Wilden“ und dazu noch ausgesprochen hässliche und grausame. Die Lage im damaligen multiethnischen, multireligiösen und multilingualen Ostafrika ist komplex. Im Zweifel sind immer „die Anderen“ die „Wilden“. Die Verwendung der diffamierenden, heute nicht mehr zu verwendenden Begriffe wird vom Verlag in einer editorischen Notiz erklärt und ist für mich im Zusammenhang der Geschichte notwendig. „Die Kaufleute sprachen mit Verwunderung von den Europäern, eingeschüchtert von ihrer Wildheit und Rücksichtslosigkeit.“ Gurnah zerstört mit seinem Roman jegliche Romantisierung Afrikas, auch des präkolonialen. Die Welt war hier auch vor Ankunft der Kolonisatoren alles andere als ein „Paradies“. Das wird besonders deutlich bei der ausführlichen und teils grausamen Schilderung der Handelsexpedition ins Landesinnere. Für Leiden, Gräuel und absurde Situationen brauchen die Menschen die Kolonisatoren nicht, die teilweise eher ein wenig lächerlich dargestellt werden. Am Ende zeichnet sich mit Beginn des Ersten Weltkriegs auch deren Ende in Afrika ab. DER GARTEN Von der anstrengenden und gefährlichen Expedition zurückgekehrt, schließt sich wieder der Kreis zur Prophetengeschichte. Die Herrin in ihrem paradiesischen Garten stellt dem nun siebzehn Jahre alten Yusuf nach, dieser weist sie ab, sie zerreißt sein Hemd von hinten. Auch hier wird das als Beweis für seine Unschuld anerkannt. Das könnte das Ende der Geschichte sein. Abdulrazak Gurnah wählt ein anderes, mich nicht wirklich überzeugendes und einige Fragen aufwerfendes. Abdulrazak Gurnah lässt viel erzählen in Das verlorene Paradies. Dabei herrscht oft ein ziemlich derber, vulgärer Umgangston. Andererseits ist die Erzählung, gerade auch in ihrer Perspektive auf den jungen Yusuf sehr menschenfreundlich, oft heiter und humorvoll. Wenn nicht gerade Personenrede vorherrscht, erzählt bei Abdulrazak Gurnah ein auktorialer Erzähler, was das Ganze ein wenig traditionell macht. Der Penguin Verlag will nun das gesamte Werk Abdulrazak Gurnahs in Angriff nehmen, im März bereits erscheint Ferne Gestade, das keine historische, sondern eine zeitgenössische Thematik enthält. Ich freue mich drauf.

Lesen Sie weiter

Abdulrazak Gurnah bekam letztes Jahr den Literaturnobelpreis und ganz Feuilleton-Deutschland hatte eine Reaktion: Wer?! Es ist wirklich eine Schande, dass Abdulrazak Gurnah erst jetzt im deutschsprachigen Raum wahrgenommen wird, gab es doch sogar 1996, zwei Jahre nach Erscheinen, eine deutsche Übersetzung seines Werkes "Das verlorene Paradies". Aber wenigstens wird der Roman nun endlich auch hier verstärkt gelesen. Dass dieses Buch vor fast 30 Jahren geschrieben wurde, merkt man, meines Erachtens nach, beim Lesen kaum. Es fühlt sich leider nicht an, als würde Gurnah über Vergangenes schreiben - nein, er schreibt über Kolonialismus, Wirtschaft, Habgier, Menschenhandel in einem zeitlosen Ton, der das unangenehme Gefühl herauskitzelt, dass es immer Menschen gibt, denen es besser als anderen geht und die diesen Vorteil zu ihren Gunsten ausnutzen. Und dass vor allem weiße Menschen sich immer gerne nehmen, was sie wollen, ohne Rücksicht auf Verluste. "Das verlorene Paradies" handelt von Yusuf, einem Jungen, der seiner Familie entrissen wird, weil sein Vater einem reichen Händler Geld schuldet. Yusuf arbeitet ab diesem Moment für den Händler, reist mit ihm durch das ostafrikanische Land, lernt neue Menschen und Sitten kennen und wird langsam erwachsen. Dabei schnappt er im Laufe der Jahre immer wieder Gespräche auf, die von Europäern handeln, welche das Land versuchen einzunehmen. Vor allem die Deutschen seien sehr gefährlich. Mehr möchte ich nicht von der Story vorwegnehmen - aber ist es nicht ironisch & traurig zugleich, dass dieses Buch in Deutschland bis vor kurzem keine Relevanz hatte? 🤔

Lesen Sie weiter

Im letzten Jahr hat der afrikanische Autor Abdulrazak Gurnah, der 1948 auf Sansibar geboren wurde, den Literaturnobelpreis gewonnen. Und ich war sicherlich nicht allein mit der Frage: Was für Bücher hat dieser Autor bisher geschrieben? Prompt hat Random House den vierten Roman von Gurnah von 1994 im Dezember neu aufgelegt: Das verlorene Paradies. Und so hab ich mir dieses Buch gleich einmal vorgenommen, um mehr über diesen neuen Literaturpreisträger zu erfahren. In „Das verlorene Paradies“ nimmt Gurnah uns Leser mit in eine spannende Welt voller Karavanen durch eine Gegend die wir heute Tansania nennen und was früher ein Meltingpot für Händler aus Arabien, Afrika und Indien war. Auch die deutsche Kolonialherrschaft wird bereits angeteasert. Wir erfahren keine Jahreszahl. Aber es schwelen Unruhen im Untergrund der Gesellschaft und es gibt Anzeichen, dass bald ein Krieg heraufzieht. Es wird einen Umbruch geben und die traditionellen Wege stehen kurz vor einem Ende. Reise ins Herz von Afrika Genau in dieser Zeit wächst der junge Yusuf auf. Als Kind lebt er bei seinen Eltern in einfachen Verhältnissen auf dem Land. Doch sein reicher Onkel nimmt ihn als Pfand und Sklave mit in die Großstadt, da sein Vater dem Onkel Geld schuldet. Auf einmal arbeitet Yusuf zunächst als Gärtner und dann in einem kleinen Laden in der fiktiven Hafenstadt Kawa. Er arbeitet sich hoch. Gewinnt das Vertrauen des Onkels, der ihn nicht nur aufgrund seine harten Arbeit, sondern vor allem auch wegen seiner Schönheit anziehend findet. So gelang Yusuf ins Gefolge des Onkels das auf eine Handelsreise geht. Mit Reichtümern, Stoffen und Lebensmitteln bepackt zieht die Karawane aus ins Landesinnere, um dort Waren einzutauschen. Dabei treffen die islamischen Händler auf Ureinwohner Afrikas, mit denen es nicht nur oft sprachliche Probleme gibt. Yusuf ist dabei oft stiller Beobachter. Es passiert oft mehr um ihn herum und „mit“ ihm, als dass er selbst Handlungen auslöst. So trifft er auf die verschiedensten Personen, die ihm von ihrer Lebensgeschichte erzählen, ihre Kultur mit ihm teilen, ihn aber auch beeinflussen, austricksen oder ihm ihre Traditionen aufbürden wollen. Aber diese Reise ins Herz Afrika lässt den Jungen nicht nur langsam erwachsen werden. Vielmehr nimmt er danach sein Schicksal auch selbst in die Hand. Abdulrazak Gurnah erzählt mit „Das verlorene Paradies“ eine wundervolle Geschichte über das frühere Tanganyika (jetzt Tanzania) und von den vielfältigen Einflüssen, unter denen dieses Land sich entwickelt hat. Biblische Einflüsse in der Geschichte von Abdulrazak Gurnah Bereits der Titel deutet ganz offensichtlich auch eine biblische Konnotation an. Und auch Yusufs Name – wie Josef im Koran genannt wird – macht dies noch einmal deutlich. Der Protagonist wandelt sich vom stillen, naiven Jungen zum Erwachsenen, verliert aber auch gleichzeitig seine Heimat, die ein Paradies für ihn war. Wenn man genau hinsieht, kann man auch Parallelen zum biblischen Josef erkennen, der ebenfalls versklavt wurde, mit der Karavane durch die Wüste zieht und als Traumerzähler auftritt (Yusuf redet immer wieder im Schlaf) und den Pharao dadurch bekehrt oder als Gärtner arbeitet. Das Ende dieser Coming-of-Age-Geschichte kommt etwas abrupt (ohne zu viel verraten zu wollen). Aber nachdem Abdulrazak Gurnah so viele Seiten für den Weg des Erwachsenwerdens von seinem Helden verwendet hat, will man natürlich auch wissen, wie es ihm weiter ergeht. Doch hier muss der Leser sich das Ende etwas selbst zusammenreimen. Auf jeden Fall macht dieses Buch Lust auf mehr! Und deshalb wird es hoffentlich nicht die letzte Erzählung von Abdulrazak Gurnah gewesen sein, die nun neu aufgelegt wird. Damit wir in den Genuss weiter spannender Literatur von diesem Nobelpreisträger kommen können.

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.