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Rezensionen zu
Trotz alledem

Hannes Wader

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Eindrucksvoll

Von: Thomas Fischer aus Freiburg

20.08.2020

Seit Jahrzehnten verfolge ich die Liedermacherszene in Deutschland und war vor allen Dingen ein Fan von Reinhard Mey. Erst später habe ich begonnen, mich in Hannes Waders Werk rein zu hören und es immer mehr zu schätzen. Ich habe seine Abschiedstournee live miterlebt und gespannt auf das Erscheinen seiner Autobiografie gewartet. Ich habe die über 500 Seiten verschlungen und bin überrascht von Waders literarischen Fähigkeiten. Er schreibt lebendig, authentisch und versucht nicht, seine Karriere zu glorifizieren. Ehrlich und selbstkritisch geht er mit den dunkleren Seiten seines bewegten Lebens um und versucht seine begangenen Fehler nicht schön zu reden. Ich werde das Buch bestimmt noch einmal weniger hektisch, Stück für Stück, durchlesen und mir dabei die jeweils erwähnten Lieder zu Gemüte führen. Ich halte das Buch auch für ein wertvolles Zeugnis der Zeitgeschichte, vor deren Hintergrund sich die Lebensgeschichte Waders vollzog.

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Mit diesem Buch erhält man vor allen Dingen eines: eine wirklich gelungene Biografie. Hannes Waders Schreibstil ist nicht trocken, sondern poetisch und ehrlich, wie seine Lieder, manchmal emotional und ergreifend oder heiter und komisch. Sein Leben beschreibt er an vielen Stellen äußerst selbstkritisch und es wird deutlich, wie intensiv er über das reflektiert, was er erlebt hat. Dabei hat es nie einen heroischen Charakter, der Musiker bleibt so nahbar und sympathisch wie man ihn kennt. Manchmal gleicht sein Schreiben einem regelrechten Erinnerungsstrom, bei dem man verwundert und beeindruckt zugleich zurückbleibt und fragt, wie er all das nur so genau in Erinnerung behalten konnte. Garniert ist die Biografie mit wirklich schönen, aussagekräftigen Fotografien, die nicht eine einfache Ansammlung von Pressebildern sind, sondern wirklich mit Bedeutung und Hintergrund. Ich persönlich bin ein großer Fan von Hannes Wader und fand seine Texte und Lebensgeschichte schon immer faszinierend und bewegend. Deswegen habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut, das mit seiner Größe und seinem Umfang einem regelrechten Monument gleicht. Es handelt sich hierbei um eine wirklich, wirklich umfangreiche Autobiographie, wie man sie sonst eher selten in den Bücherregalen findet. Man muss sich dieser Ausführlichkeit schon vorher bewusst sein, dann wird es beim Lesen auch nicht zu lang, sondern gerade dieser Umfang zur Stärke des Buches.

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Gelunge Biografie eines aufregenden Lebens

Von: Lesesofa Allgäu

17.04.2020

Im Penguin Verlag ist die 589 Seiten starke Biografie des Songpoeten und Liedermachers Hannes Wader erschienen. Wader Komponist, Dichter, Sänger und Gitarrist gehört zu den bekanntesten deutschen Liedermachern. Seine Lebensgeschichte ist Folksong, Arbeiterlied und ein bewegtes Zeitzeugnis der Bundesrepublik. Als diese fasst 600 Seiten Werk vor mir lag war ich erst einmal beeindruckt. Eine schön Buch mit unbekannte Bilder aus dem Leben des Sängers. Zu den Kapiteln Songtexte um noch tiefer in die Gedankenwelt des Künstlers einzusteigen. Es ist eine kraftvolle Biografie eines fragenden und suchenden Poeten. Dass er im Poetenweg aufgewachsen ist – Nomen es Omen. Gelungen die Beschreibung einer Kindheit in den 50er Jahren. Ein schüchternes Kind, Einzelgänger in einem oft erschreckend, emotionslos, hart und auch manchmal lieblose Umfeld. Armut und oft das reine überleben in einer traumatisieren Familie. Dann Ausbildung, Lebenssuche und die ersten Erfolge. Wader schreibt von seinen Anfängen als Straßenmusiker, den ersten Auftritten auf der Burg Waldeck. Dort traf er Reinhard Mey, mit dem er bis heute befreundet ist. Wader der rastlose Mensch der nach Anerkennung sucht. Der das Geld nicht zusammenhalten kann und will. Der sich den Konventionen nicht anpassen will und aneckt. Der Lebemensch der in die Berliner Kneipenszene eintaucht die schon David Bowie fasziniert hat. Trotzdem Erfolg bleibt er unsicher „"Ich war nie eine Rampensau. Ich habe meinem Publikum immer eher misstraut, wollte aber immer auch geliebt werden 1971 überlässt er seine Hamburger Wohnung eine vermeintlichen NDR Reporterin und reißt durch Europa und will danach auf Tour gehen. Das Gudrun Ensslin seine Wohnung aus Hauptquartier eingerichtet hat und Sprengstoff Experimente durchgeführt hat ahnt er nicht. Er wird verhaftet. Später observiert und abgehört. Die Medien reagieren mit Vorverurteilung und rufen zum Boykott auf. Solidarität erlebt er durch seine Sängerkollegen u.a. Reinhard Mey. SDS, APO, Kommune 1, Studentenunruhen, Antiatomkraft, Friedensbewegung, Friedensdemos. Das Buch reitet förmlich durch die Deutsche Geschichte bis zur Gegenwart. Ich hatte das Glück eine Konzert mit Hannes Wader und Konstantin Wecker zu erleben. Wader harmonierte mit der Wucht Konstantin Weckers. Ein Konzerterlebnis und mir blieb der Eindruck eines feinsinnigen Mensch der eine Meinung hat und diese auch konsequent vertritt. Sehr empfehlenswert Hannes Wader „Trotz alledem – Meine Leben“ Verlag Penguin ISBS: 978-3-328-60049-7

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Als ob man es nicht schon immer geahnt hätte: Hans' Mutter sang oft und gerne. Erinnerungen an sie sind aber auch stets mit ihrem Pensum an Arbeit verbunden. Für Freizeit war in den Nachkriegsjahren wenig oder meist gar keine Zeit. Jede erdenkliche Tätigkeit, sei sie auch noch so schlecht bezahlt, wurde angenommen, um das Überleben der Familie zu sichern. Zusätzlich und bis spät in die Nacht, oft bis zur völligen Erschöpfung, musste die Haus- und Gartenarbeit erledigt werden. Tränen flossen nur im Verborgenen, weshalb die Erinnerungen daran undeutlich bleiben, ganz im Gegensatz zu Mutters stattlichem Repertoire an unzähligen Liedern, mitunter auch an "Klassikern der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung", die der kleine Hans alsbald auswendig konnte. Wenn sich auch die Erinnerungen an das Kennenlernen des erst nach dem 2. Weltkrieg heimkehrenden Vaters ebenso diffus gestalten, bleiben immerhin jene erhalten, als er zur Mandoline griff, um den Gesang seiner Frau zu begleiten. Die Tristesse des grauen und arbeitsintensiven Alltags sowie die "emotionale Unterversorgung" durch die Eltern waren jedoch allgegenwärtig und prägend, die musikalischen Ablenkungsmanöver allenfalls zum tröstlichen Kaschieren der zahlreichen Entbehrungen geeignet. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, wenn für Hans, den seine Kommilitoninnen einst, während seines Grafikstudiums, "Hannes" nannten, und er diese Namensänderung fortan übernahm, die Dinge, die ihn einst so belasteten, "in Verse gesetzt und gesungen" so etwas wie Erlösung bedeuten sollten: "Ich schreibe und singe mir etwas von der Seele." Als ob man es nicht schon immer geahnt hätte ... ist natürlich Unsinn. Wie sich alles wirklich zugetragen hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Welche Mühen es tatsächlich bedeutete, jene spärlichen Vorzeichen richtig zu deuten, ist nur schwer zu ermessen, ebenso wenig wie Waders Fähigkeit, seinen Werdegang im Nachhinein zu einem fast logischen Puzzle zusammenzusetzen. Allein seine Kindheit, die für ihn mit dem 13. Lebensjahr und dem Beginn einer Ausbildung als "Dekorationsgehilfe" in einem Bielefelder Schuhgeschäft endet, sind ihm 150 Seiten wert. Doch damit ist es ja längst nicht getan. Nach der Armut der Kinderjahre folgten nicht minder schwere Zeiten. Das Berufsleben und die damit verbundenen leidigen Pflichten, Zwänge und Abhängigkeiten sind für Wader keine Zukunft, Auflehnung gegen das System deshalb zwangsläufig. Wohin das alles führen sollte, konnte er damals noch nicht wissen, eine feste Größe waren lediglich all die Dinge, die er NICHT wollte. Die Berliner Jahre brachten zunächst ebenfalls wenig, außer der gelegentlichen Teilnahme am Grafikstudium, kurzfristigen Jobs als Arbeiter oder Barmusiker, unzähligen Kneipenbesuchen, oder "diffusen Träumen, mal irgendwann mit irgendwas groß rauszukommen". Immerhin halfen Kontakte und der Faktor Zufall, dass Hannes Wader von einem gewissen Burg-Waldeck-Festival hörte, welches ihm völlig unbekannt war ... ... aber schon seit 1964 veranstaltet wurde. Nichtsahnend, was ihn erwarten sollte, kam es zu einem ersten Auftritt 1966 mit einem Repertoir von ganzen vier Liedern. Die Publikumsreaktionen deutete Wader zunächst völlig falsch ... und jetzt wird es wirklich spannend! Und viel mehr als das, denn wenn dem Rezensenten, der damals erst neun Jahre alt war, eine Gänsehaut nach der anderen den Buckel rauf und runter wandert, dann wird erst richtig klar, was damals passierte und noch passieren sollte ... Plötzlich sind sie wieder da, die ersten Lieder, die man so lange nicht hörte und damals, um einige Jahre zeitversetzt, auswendig konnte, ob sie nun "Das Loch unterm Dach", "Die Blumen des Armen", "Frau Klotzke" oder "Das Bier in dieser Kneipe schmeckt mir nicht mehr" heißen. Viel wichtiger jedoch ist das Wunder, das Lebensgefühl einer Zeit konserviert zu haben, die endgültig vorbei ist, die sich aber, dank der Kraft seiner Lieder, mühelos wieder zurückholen lässt. Etwas, was in dieser Intensität vielleicht noch von keinem anderen Liedermacher erreicht wurde. Für all jene, die ohne Halt und Ziel zu leben gewagt haben gleichermaßen wie für diejenigen, die nur davon träumten. So ganz nebenbei hat er Sehnsucht und Melancholie endgültig definiert, was den Kollegen vielleicht mit dem einem oder anderen Lied ebenfalls gelungen sein mag, nicht aber mit deren jeweiligem Gesamtwerk! Dass er nicht gerne schreibt, wie in der Einleitung "Vorweg" nachzulesen ist, mag man Hannes Wader jedoch nicht so recht glauben. Wundern darf man sich ebenfalls über die zahllosen Ereignisse, die er, ohne je Tagebuch geführt zu haben, aus seinen Erinnerungen hervorzaubern kann. Doch auch dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung ... Am Ende des Buches, das man keineswegs herbeisehnt, fühlt man neben der größten Hochachtung auch so etwas wie Dankbarkeit für so viel Leben, die Bereicherung und die Erlaubnis, dass man ihn auf seinem langen Weg ein gutes Stück begleiten durfte. Unentschlossene Leserinnen und Leser sollten sich im Zweifelsfall einfach das Inhaltsverzeichnis anschauen. Es ist erstaunlich karg und übersichtlich. Ein unzweifelhafter Hinweis darauf, dass Hannes Wader sich sehr klar und unmissverständlich ausdrückt, wie in seinen Texten und seiner Musik, die Reinhard Mey einst so treffend charakterisierte: "... Melodien, die aus der Kindheit, vielleicht aus der Nacht der Zeiten in uns allen klingen." Bewegend auch, dass er mit Selbstkritik nicht spart, und die ihm in Erinnerung gebliebenen Zeichnungen seines Lebens nicht mit grellbunten Farben ausfüllt und verfremdet. Das macht auf jeder Seite neugierig auf die jeweils folgenden - so wie diese kleine Besprechung hoffentlich auch.

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Er ist einer der bekanntesten Liedermacher Deutschlands, sein „Heute hier, morgen dort“ hat wohl jeder Deutsche schon gehört und gesungen: Hannes Wader. Von Protestsong bis Volkslied, von gesellschaftskritischem Talking Blues bis chansonartigem Schlager und Shanty hat Hannes Wader ziemlich viel ausprobiert und die deutsche Liedermacherszene wie kaum ein anderer geprägt. In seiner Autobiografie „Trotz alledem“ gewährt er seinen Lesern Einblicke in sein Leben – und geht dabei teilweise selbstreflexiv-analytisch, aber immer auch poetisch vor. Auf den insgesamt knapp 600 Seiten schildert er zunächst seine harte Kindheit im Nachkriegsdeutschland. Allerdings ohne zu jammern (denn eine schwere Kindheit hatten im Nachkriegsdeutschland alle, wie Wader anmerkt). Er beschreibt einzelne Erlebnisse, die zusammengenommen einen guten Eindruck seines Alltags geben – und schwer im Magen liegen. Gerade der Anfang des Buches ist keine leichte Kost. Seine späteren Jahre in Berlin, seine ersten Auftritte auf Burg Waldeck, seine Begegnung mit Reinhard Mey und Schobert und Black, Insterburg & Co. und wie sie alle heißen – all das schreibt er in einem schieren Erinnerungsstrom, bleibt dabei aber immer nachdenklich und reflektiert, kommentiert seine Handlungen, erklärt seine Motive. Sein Hin-und-Her-Getriebensein macht ihn zu jemandem, der ständig auf der Suche ist, zu einer Art Dr. Faust. Wie seine Lieder ist auch seine Autobiografie eine Gesellschaftskritik bzw. eine Gesellschaftsbeschreibung, die er mit messerscharfem Blick und ebenso präzisen Formulierungen skizziert. Manchmal böse-sarkastisch, manchmal geradezu fatalistisch, gespickt mit zahlreichen Liedtexten kriegt man selbst als eingefleischter Fan (aber auch als Hannes-Wader-Neuling) einen noch tieferen Bezug zu seinen Liedern. Es lohnt sich, die Lektüre bei den Lied-Passagen zu unterbrechen und das entsprechende Lied zu hören. Nachkriegszeit, 68er- und Friedensbewegung, Deutscher Herbst – überall war Hannes Wader dabei. Deshalb ist seine Autobiografie nicht nur ein Rückblick auf sein Leben, sondern eine gesellschaftskritische Geschichte der Bundesrepublik – durch die Augen Hannes Waders betrachtet. Aufrichtig, ehrlich, spannend, toll geschrieben. Eine packende und bewegende Biografie von und über einen feinsinnigen Revoluzzer und romantischen Weltverbesserer – der sich von mancher Illusion verabschieden musste.

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Beständiger Phönix

Von: helgo aus Hilchenbach

01.12.2019

Beständiger Phönix... Nun lege ich das Buch ergriffen zur Seite, weil ich es durchgelesen habe: Die Bipolarität als Grundprinzip seines reichhaltigen Lebens! Ungefähr 50 Jahre lang konnten wir aus den Liedern des großen Hannes Wader lernen. Für fast jede Lebenssituation konnte man sich an seinen Gefühlen und Interpretationen von Erlebtem orientieren - fast keinen Bereich menschlicher Existenz hat er je ausgelassen. Diese Tradition setzt er in seinem zwar sehr dicken, doch keineswegs pompösen, Buch fort: Immer wieder mal ziemlich weit unten, steigt er dem mythischen Phönix gleich aus eigener, aber auch aus der Kraft des Schicksals oder der seiner vielen Freunde, wieder empor und vollzieht damit einen Lebenslauf, der uns unendlich viele Alternativen zeigt, ohne zu belehren, der der Vernunft zum Sieg verhilft, ohne die Gefühle zu vernachlässigen, der die Zuwendung zum Neuen aus der Orientierung am Tradierten speist. Ein wohltuend modern-konservatives Buch, das man nahezu gar nicht mehr aus den Händen legen kann, wenn man es einmal geöffnet hat, eine stimmige Gebrauchsanweisung für den täglichen Kampf ums Überleben, aber gleichsam für die Freude am Genießen dieses Daseins! Für Freunde seines bisherigen Wirken ein absolutes Muss: "Trotz alledem" von Hannes Wader! Lieber Hannes, ich bitte dich: erzähl uns in wenigen Jahren weiter, wie es dir im (Un-) Ruhestand ergangen ist!

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Hannes Wader stellt sich in seiner Autobiographie als langsamen, störrischen, von inneren Widersprüchen und Krisen getriebenen Menschen dar. Wie ausgerechnet diese Eigenschaften ihn zu dem authentischen, von seinen Fans geliebten Liedermacher werden ließen, wird an interessanten und teilweise überraschenden Episoden aus seinem aufregenden Leben und seiner keineswegs geradlinigen Musikerkarriere nach und nach sehr einleuchtend. Alle früheren Versuche einer Wader-Biographie sind gescheitert; und der Künstler sagt auch einmal, warum: Niemand außer ihm selbst könne wissen, was erzählenswert sei. Das leuchtet ein und geht auf. Denn selbst kleine, zunächst vielleicht unwichtig erscheinende Erzählungen aus den vier Überkapiteln „Kindheit“, „Lernen“, „Singen“ und „Handeln“ geben doch früher oder später Einblick in das komplizierte Wesen des Liedermachers – oder sind einfach nur berührend, witzig, interessant. Das Buch ist weitestgehend chronologisch aufgebaut, wobei die Stimme des reflektierenden alten Mannes immer im Hintergrund mitschwebt und manchmal Vorwegnahmen, Bewertungen oder alltagsphilosophische Überlegungen ergänzt. An gewissen Stellen ist gar nicht eindeutig klar, ob in dem Moment die an dem Erlebten teilnehmende Figur spricht oder der erläuternde Erzähler der Gegenwart. Selbst die größten Fans werden den Sänger intensiver kennen lernen. Als Autor – sowie als Liedermacher ohnehin – ist Wader zu sich und seinem Publikum nämlich überaus ehrlich und verschweigt seine Schwächen, Scheitern, Fehlentscheidungen nicht, stellt sie sogar oft in den Mittelpunkt der Darstellungen. So entwächst jeglicher Erfolg immer unter der Überschrift „trotz alledem“. Die spektakulärsten Erzählungen stehen in der Mitte des Buches, die tiefsinnigsten Schilderungen jedoch am Anfang und Ende. Denn die Entstehung der Folk-Szene in den 1960ern, Waders Politisierung in den 1970ern, Umgang dem Erfolg – in diesen Bereichen gibt es viele aufregende Stories und somit wird die Erwartung der Lesenden ohne Frage gestillt. Zu Beginn steht allerdings ein großes Kapitel über das Aufwachsen nach dem Zweiten Weltkrieg in bescheidenen Verhältnissen. Hier wird dem womöglich viel jüngeren Publikum Einblick in eine fast fremde Welt gewährt und der Autor wiederum hat viel Basis zur Selbstreflexion. Und ähnlich ist es mit den abschließenden Schilderungen aus dem neuen Jahrtausend. Denn mit dem Älterwerden scheinen selbstattestierte Eigenschaften wie Obsessionstendenzen oder Krisendenken sich noch verstärkt zu haben. Wader beschönigt auch hier nichts, schildert etwa zunehmende Erschöpfung und Versagensängste auf seinen letzten Tourneen besonders eindrücklich. Im Fazit gelingt es ihm dabei glücklicherweise, nicht ins Beklemmende abzurutschen. Da es für Liedermacher üblich ist, autobiographische Elemente in Texte einfließen zu lassen, ist es kein Wunder, dass das Buch häufig auf Waders Lieder Bezug nimmt und viele Songtexte auszugsweise oder in Gänze abgedruckt sind – manchmal eher als Randnotiz etwa nach einer Entstehungsgeschichte, manchmal als Illustration einer bestimmten Stimmung mit eigenständigem poetischen Wert. Den waderschen Schreibstil – vielleicht aus Konzertmoderationen oder Albumbeilagen bekannt – hat eine Ausdrucksweise von Bildungs- bis Vulgärsprache und ist flüssig zu lesen mit gelegentlichen verschachtelten Nebengedanken. Unterm Strich ist „Trotz alledem – Mein Leben“ für Fans sicherlich Pflichtlektüre und niemand kann klagen, dass irgendetwas aus den Bereichen Musik, Privates oder Politik ausgespart worden wäre. Wer hingegen mit dem Musiker nicht viel am Hut hat, aber trotzdem einmal reinlesen möchte, wird wahrscheinlich insbesondere dem Kindheitskapitel viel abgewinnen können und mag dann womöglich neugierig werden, wie aus dem verträumten, langsamen Jungen vom Lande ein für seine Authentizität geliebter Sänger und Dichter mit über 50jähriger Karriere wurde.

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