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Rezension zu
Trotz alledem

Unter widrigen Umständen zum erfolgreichen Liedermacher – trotz alledem

Von: Jan Viktor M. aus Kiel
11.11.2019

Hannes Wader stellt sich in seiner Autobiographie als langsamen, störrischen, von inneren Widersprüchen und Krisen getriebenen Menschen dar. Wie ausgerechnet diese Eigenschaften ihn zu dem authentischen, von seinen Fans geliebten Liedermacher werden ließen, wird an interessanten und teilweise überraschenden Episoden aus seinem aufregenden Leben und seiner keineswegs geradlinigen Musikerkarriere nach und nach sehr einleuchtend. Alle früheren Versuche einer Wader-Biographie sind gescheitert; und der Künstler sagt auch einmal, warum: Niemand außer ihm selbst könne wissen, was erzählenswert sei. Das leuchtet ein und geht auf. Denn selbst kleine, zunächst vielleicht unwichtig erscheinende Erzählungen aus den vier Überkapiteln „Kindheit“, „Lernen“, „Singen“ und „Handeln“ geben doch früher oder später Einblick in das komplizierte Wesen des Liedermachers – oder sind einfach nur berührend, witzig, interessant. Das Buch ist weitestgehend chronologisch aufgebaut, wobei die Stimme des reflektierenden alten Mannes immer im Hintergrund mitschwebt und manchmal Vorwegnahmen, Bewertungen oder alltagsphilosophische Überlegungen ergänzt. An gewissen Stellen ist gar nicht eindeutig klar, ob in dem Moment die an dem Erlebten teilnehmende Figur spricht oder der erläuternde Erzähler der Gegenwart. Selbst die größten Fans werden den Sänger intensiver kennen lernen. Als Autor – sowie als Liedermacher ohnehin – ist Wader zu sich und seinem Publikum nämlich überaus ehrlich und verschweigt seine Schwächen, Scheitern, Fehlentscheidungen nicht, stellt sie sogar oft in den Mittelpunkt der Darstellungen. So entwächst jeglicher Erfolg immer unter der Überschrift „trotz alledem“. Die spektakulärsten Erzählungen stehen in der Mitte des Buches, die tiefsinnigsten Schilderungen jedoch am Anfang und Ende. Denn die Entstehung der Folk-Szene in den 1960ern, Waders Politisierung in den 1970ern, Umgang dem Erfolg – in diesen Bereichen gibt es viele aufregende Stories und somit wird die Erwartung der Lesenden ohne Frage gestillt. Zu Beginn steht allerdings ein großes Kapitel über das Aufwachsen nach dem Zweiten Weltkrieg in bescheidenen Verhältnissen. Hier wird dem womöglich viel jüngeren Publikum Einblick in eine fast fremde Welt gewährt und der Autor wiederum hat viel Basis zur Selbstreflexion. Und ähnlich ist es mit den abschließenden Schilderungen aus dem neuen Jahrtausend. Denn mit dem Älterwerden scheinen selbstattestierte Eigenschaften wie Obsessionstendenzen oder Krisendenken sich noch verstärkt zu haben. Wader beschönigt auch hier nichts, schildert etwa zunehmende Erschöpfung und Versagensängste auf seinen letzten Tourneen besonders eindrücklich. Im Fazit gelingt es ihm dabei glücklicherweise, nicht ins Beklemmende abzurutschen. Da es für Liedermacher üblich ist, autobiographische Elemente in Texte einfließen zu lassen, ist es kein Wunder, dass das Buch häufig auf Waders Lieder Bezug nimmt und viele Songtexte auszugsweise oder in Gänze abgedruckt sind – manchmal eher als Randnotiz etwa nach einer Entstehungsgeschichte, manchmal als Illustration einer bestimmten Stimmung mit eigenständigem poetischen Wert. Den waderschen Schreibstil – vielleicht aus Konzertmoderationen oder Albumbeilagen bekannt – hat eine Ausdrucksweise von Bildungs- bis Vulgärsprache und ist flüssig zu lesen mit gelegentlichen verschachtelten Nebengedanken. Unterm Strich ist „Trotz alledem – Mein Leben“ für Fans sicherlich Pflichtlektüre und niemand kann klagen, dass irgendetwas aus den Bereichen Musik, Privates oder Politik ausgespart worden wäre. Wer hingegen mit dem Musiker nicht viel am Hut hat, aber trotzdem einmal reinlesen möchte, wird wahrscheinlich insbesondere dem Kindheitskapitel viel abgewinnen können und mag dann womöglich neugierig werden, wie aus dem verträumten, langsamen Jungen vom Lande ein für seine Authentizität geliebter Sänger und Dichter mit über 50jähriger Karriere wurde.

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