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Rezensionen zu
Trotz alledem

Hannes Wader

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Eindrucksvoll

Von: Thomas Fischer aus Freiburg

20.08.2020

Seit Jahrzehnten verfolge ich die Liedermacherszene in Deutschland und war vor allen Dingen ein Fan von Reinhard Mey. Erst später habe ich begonnen, mich in Hannes Waders Werk rein zu hören und es immer mehr zu schätzen. Ich habe seine Abschiedstournee live miterlebt und gespannt auf das Erscheinen seiner Autobiografie gewartet. Ich habe die über 500 Seiten verschlungen und bin überrascht von Waders literarischen Fähigkeiten. Er schreibt lebendig, authentisch und versucht nicht, seine Karriere zu glorifizieren. Ehrlich und selbstkritisch geht er mit den dunkleren Seiten seines bewegten Lebens um und versucht seine begangenen Fehler nicht schön zu reden. Ich werde das Buch bestimmt noch einmal weniger hektisch, Stück für Stück, durchlesen und mir dabei die jeweils erwähnten Lieder zu Gemüte führen. Ich halte das Buch auch für ein wertvolles Zeugnis der Zeitgeschichte, vor deren Hintergrund sich die Lebensgeschichte Waders vollzog.

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Trotz alledem

Von: Dagmar

17.07.2020

„Trotz alledem“, ein Unabhängigkeitssong aus dem alten Schottland um 1795, begleitet Hannes Wader über lange Etappen seines Lebens in variierender Gestalt und gibt schließlich einen wunderbaren Titel ab, für eine Autobiographie eines eigenwilligen Musikers, bei dem man sofort einen Namen, einen Zeitgeist, ein Gefühl im Kopf hat. „Vorsicht Spoiler!“ „Allein bei der Vorstellung, mich derart einzuengen, meinen Tag zu planen, am Vorabend schon festzulegen, was ich am nächsten Vormittag tun und was ich am Nachmittag lassen werde, bekomme ich Bauchschmerzen.“ S.299 Er steht für ein in den Sechzigern aufkommendes tiefes Bedürfnis nach Befreiung von überkommenen Zwängen. Er liebt die Freiheit, seine Beziehungen sind unkonventionell, gleichzeitig ist er jemand, der an Beziehungen festhält, an seinem Wohnort gerne einen Garten hat, Gemüse anbaut, die ihn umgebenden Natur genießt und jede Nacht vor dem Einschlafen liest, egal wie betrunken er ist. Das Lied, das mich am meisten mit Hannes Weder verbindet ist „Heute hier, morgen dort“, eine zauberhafte Gitarrenmelodie, die man leicht ein bisschen umdichten kann und in die alle Sehnsüchte gepackt werden können. „Vorsicht Spoiler!“ „Ich verschließe >>dem tötenden Insekte gerühmter besserer Vernunft mein Herz<< und lasse meinem Hang zur Übertreibung bis zur Maßlosigkeit freien Lauf. Ohne Rücksicht auf eigene oder fremde Verluste.“ S.185 Hannes Waders Abkehr von einer beruflich gesicherten Zukunft, nach abgeschlossener Berufsausbildung und angefangenem Grafik-Studium in Berlin, bildet die Zäsur in seinem Leben, mit der es ihm weitestgehend gelingt, sich von den Zwängen eines Arbeitsbegriffs zu befreien, der den Vorstellungen einer Künstlernatur entgegen läuft. Mit der marxistischen Deutung von Arbeit wird er sich später befassen, zunächst wird er in seinen Zwanzigern in Berlin auf Leute treffen, die ihre Träume umsetzen wollen und er wird zum ersten mal mit der Gitarre auf der Strasse ein paar Mark verdienen. „Vorsicht Spoiler!“ „Einige meiner vor sich hindösenden Eigenheiten, die ich in den letzten Monaten unterm Deckel halten konnte, brechen jetzt erneut aus mir hervor. Rigide setzen sie ihren Führungsanspruch durch, den sie für den Rest meines Lebens immer wieder behaupten werden. Aufgelistet stünde da an erster Stelle mein Hang zur Besessenheit: mich anfallartig und obsessiv auf den jeweiligen Gegenstand meines Interesses und meiner Leidenschaft zu stürzen, um mich ihm dann mit einer fast wütenden Ausschließlichkeit zu widmen, bis ich seiner überdrüssig bin und in einen - zum Glück nie lange anhaltenden - Zustand depressiver Untätigkeit und Antriebslosigkeit verfalle.“ S.211 In seiner fast 600 Seiten starken Autobiographie beschreibt Hannes Wader seinen Werdegang als einer der einflussreichsten deutschen Liedermacher seiner Zeit. Diese Biographie ist auch ein Zeitdokument, das, immer ganz aus seiner persönlichen Perspektive heraus, die Zusammenhänge erhellt zwischen einer zunehmend anspruchsvollen Musikrezeption der jungen Zuhörerschaft und der Möglichkeit, in einer Zeit der Umbrüche mit deutschen Liedtexten dem revolutionären Anspruch auf ein anderes Leben Ausdruck zu geben. Seit 1964 gibt es Open Air Konzerte auf der Burg Waldeck im Hunsrück unter dem Titel „Chanson Folklore International“. Beim dritten mal wird dort Hannes Waders erster großer Auftritt sein, bei dem er auch gleich die entsprechenden Kontakte knüpft um schon bald sein erstes Album herauszubringen. Zu diesen Kontakten gehört auch eine sich anbahnende, über Jahrzehnte haltende Freundschaft mit Reinhard May, später auch mit Konstantin Wecker. Mit beiden wird er 2003 eine Tournee und ein Album machen unter dem Titel „Das Konzert“. Die Diskographie ist beeindruckend. Genau 40 Alben bis zu „Macht’s gut“ 2018. Hannes Wader betrachtet retrospektiv die Art und Weise eines vollkommen aufs Notwendigste reduzierten Musikmachens mit höchstem Anspruch auf das Texthören: „Wir haben unwillentlich, und gottlob nur vorübergehend, eine Diktatur der Auftrittsästhetik errichtet.“ S.429 Politisch zieht es ihn eine zeitlang zur DKP - obwohl der Juso Sigmar Gabriel damals, man glaubt es heute kaum, in Braunschweig regelmäßig Hannes Weder Konzerte organisiert. Über Jahrzehnte gehört er der DKP an, veröffentlicht Arbeiterlieder und wird dementsprechend von den öffentlich-rechtlichen in den „Giftschrank“ gepackt. Der Medienboykott schadet ihm nicht. „Heute hier, morgen dort“ singt er 2013 gemeinsam mit Campino von den Toten Hosen, als er den „Echo“ verliehen bekommt. Und diese Melodie im Kopf verleitet immer wieder dazu, die Gitarre auszupacken und den alten Träumen nachzuspüren, mit ein bisschen Wehmut und mit ein bisschen Glück in der Melancholie. Gut, dass Hannes Weder seine Biographie schließlich selbst geschrieben hat. Hannes Wader: Trotz alledem. Mein Leben. Pinguin Verlag, München 2019

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Mit diesem Buch erhält man vor allen Dingen eines: eine wirklich gelungene Biografie. Hannes Waders Schreibstil ist nicht trocken, sondern poetisch und ehrlich, wie seine Lieder, manchmal emotional und ergreifend oder heiter und komisch. Sein Leben beschreibt er an vielen Stellen äußerst selbstkritisch und es wird deutlich, wie intensiv er über das reflektiert, was er erlebt hat. Dabei hat es nie einen heroischen Charakter, der Musiker bleibt so nahbar und sympathisch wie man ihn kennt. Manchmal gleicht sein Schreiben einem regelrechten Erinnerungsstrom, bei dem man verwundert und beeindruckt zugleich zurückbleibt und fragt, wie er all das nur so genau in Erinnerung behalten konnte. Garniert ist die Biografie mit wirklich schönen, aussagekräftigen Fotografien, die nicht eine einfache Ansammlung von Pressebildern sind, sondern wirklich mit Bedeutung und Hintergrund. Ich persönlich bin ein großer Fan von Hannes Wader und fand seine Texte und Lebensgeschichte schon immer faszinierend und bewegend. Deswegen habe ich mich sehr auf dieses Buch gefreut, das mit seiner Größe und seinem Umfang einem regelrechten Monument gleicht. Es handelt sich hierbei um eine wirklich, wirklich umfangreiche Autobiographie, wie man sie sonst eher selten in den Bücherregalen findet. Man muss sich dieser Ausführlichkeit schon vorher bewusst sein, dann wird es beim Lesen auch nicht zu lang, sondern gerade dieser Umfang zur Stärke des Buches.

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Politik und Poesie haben Hannes Wader auf seinem Lebensweg bisher immer begleitet. Seine Biografie ist durchzogen von Arbeiterliedern, Folksongs, einer Kindheit im Nachkriegsdeutschland und wirft so einen bewegenden Blick auf die Entwicklung der Bundesrepublik. Mit seinen Liedtexten bringt er poetisch und aussagekräftig zum Ausdruck, was ihn bewegte. Es geht um die 68er-Jahre in Berlin, die Friedensbewegung, den Kampf für eine gerechtere Welt und auch um den Abschied von Illusionen. Hannes Wader startet mit einem aufrichtigen Vorwort, Er ist einer, wie er selbst sagt, der nicht gern schreibt, aber mit dem Schreiben seiner Lieder seinen Lebensunterhalt verdient. Hannes Waders Biografie beginnt in seiner Kindheit in der Nachkriegszeit, der frühe Verlust des Vaters, die Arbeit in einem Schuhgeschäft und die Lebensumstände dieser Zeit bringt er eindrucksvoll zu Papier. Ende der 60-er war er Protest-Liedermacher und wetterte gegen Krieg und Kapitalismus, er unterstützte den Kommunismus, trat 1979 in die Partei ein. Doch Tschernobyl und einige Erfahrungen bei Reisen in die Sowjetunion ließen ihn dann an dieser Ideologie zweifeln. Später machte er in den 90-ern auch als Interpret von Eichendorff-Texten und Schubert-Liedern von sich reden. Er wandte sich musikalisch auch traditionellem und plattdeutschem Liedgut zu, sang Shanties. Man kann heute sagen, er wanderte mal hierhin, mal dahin. Vielleicht heißt eines seiner Lieder deshalb auch "Heute hier, morgen dort". Es will heißen: Was heute wahr ist, stimmt morgen schon nicht mehr. Wader drückt in seinen Texten Gefühle, Sorgen und gesellschaftliche Zwänge aus. Seine politische Position zeigte sich auch, als er seine Hamburger Wohnung an Gudrun Ensslin, eine der bekanntesten RAF-Terroristin, vermietete. Man kann ihn als Lebenskünstler, politischen Zweifler bezeichnen und Romantiker zugleich. Gemeinsam mit Konstantin Wecker und Reinhard Mey feierte er musikalische Erfolge. Seine Lieder waren nicht mehr politisch, sie zeigten jemanden, den seine Sicht auf das Leben im Alter milde gestimmt haben. Er erzählt durchaus selbstkritisch und legt sein Leben anhand vieler persönlicher Fotos offen für seine Leser/-innen. Wader ist ein Beobachter seiner Zeit, ein sozialkritischer Chansonnier der politischen Liederszene, der die Studentenbewegung durch seine Songs prägte. Seine Lieder begleiten mich dank einiger Ohrwürmer schon viele Jahre meines Lebens. Wader ist im Alter meiner Mutter, ich sang seine schönen und eingängigen Melodienen völlig unpolitisch laut mit. Erst viel später habe ich die Inhalte der Texte realisiert und ihn bei einem Konzert miterlebt. "Es ist an der Zeit", vielleicht kam ihm beim Singen dieses Liedes die Idee, seine Biografie zu schreiben. Auf alle Fälle ist es ein sehr umfangreiches Buch, mit vielen persönlichen Inhalten, politischen An- und Einsichten und einem Leben voller Musik. Der Erzählstil ist gut zu lesen, sehr aufrichtig, selbst-kritisch und persönlich. Diese Biografie zeigt in persönlicher und natürlich musikalischer Weise die letzten 70 Jahre deutscher Geschichte aus der Sicht von Hannes Wader auf eine interessante und aufrichtige Art. Seine Lieder sind eine Art Politbarometer und sind Zeugen seines Lebens.

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Gelunge Biografie eines aufregenden Lebens

Von: Lesesofa Allgäu

17.04.2020

Im Penguin Verlag ist die 589 Seiten starke Biografie des Songpoeten und Liedermachers Hannes Wader erschienen. Wader Komponist, Dichter, Sänger und Gitarrist gehört zu den bekanntesten deutschen Liedermachern. Seine Lebensgeschichte ist Folksong, Arbeiterlied und ein bewegtes Zeitzeugnis der Bundesrepublik. Als diese fasst 600 Seiten Werk vor mir lag war ich erst einmal beeindruckt. Eine schön Buch mit unbekannte Bilder aus dem Leben des Sängers. Zu den Kapiteln Songtexte um noch tiefer in die Gedankenwelt des Künstlers einzusteigen. Es ist eine kraftvolle Biografie eines fragenden und suchenden Poeten. Dass er im Poetenweg aufgewachsen ist – Nomen es Omen. Gelungen die Beschreibung einer Kindheit in den 50er Jahren. Ein schüchternes Kind, Einzelgänger in einem oft erschreckend, emotionslos, hart und auch manchmal lieblose Umfeld. Armut und oft das reine überleben in einer traumatisieren Familie. Dann Ausbildung, Lebenssuche und die ersten Erfolge. Wader schreibt von seinen Anfängen als Straßenmusiker, den ersten Auftritten auf der Burg Waldeck. Dort traf er Reinhard Mey, mit dem er bis heute befreundet ist. Wader der rastlose Mensch der nach Anerkennung sucht. Der das Geld nicht zusammenhalten kann und will. Der sich den Konventionen nicht anpassen will und aneckt. Der Lebemensch der in die Berliner Kneipenszene eintaucht die schon David Bowie fasziniert hat. Trotzdem Erfolg bleibt er unsicher „"Ich war nie eine Rampensau. Ich habe meinem Publikum immer eher misstraut, wollte aber immer auch geliebt werden 1971 überlässt er seine Hamburger Wohnung eine vermeintlichen NDR Reporterin und reißt durch Europa und will danach auf Tour gehen. Das Gudrun Ensslin seine Wohnung aus Hauptquartier eingerichtet hat und Sprengstoff Experimente durchgeführt hat ahnt er nicht. Er wird verhaftet. Später observiert und abgehört. Die Medien reagieren mit Vorverurteilung und rufen zum Boykott auf. Solidarität erlebt er durch seine Sängerkollegen u.a. Reinhard Mey. SDS, APO, Kommune 1, Studentenunruhen, Antiatomkraft, Friedensbewegung, Friedensdemos. Das Buch reitet förmlich durch die Deutsche Geschichte bis zur Gegenwart. Ich hatte das Glück eine Konzert mit Hannes Wader und Konstantin Wecker zu erleben. Wader harmonierte mit der Wucht Konstantin Weckers. Ein Konzerterlebnis und mir blieb der Eindruck eines feinsinnigen Mensch der eine Meinung hat und diese auch konsequent vertritt. Sehr empfehlenswert Hannes Wader „Trotz alledem – Meine Leben“ Verlag Penguin ISBS: 978-3-328-60049-7

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Als ob man es nicht schon immer geahnt hätte: Hans' Mutter sang oft und gerne. Erinnerungen an sie sind aber auch stets mit ihrem Pensum an Arbeit verbunden. Für Freizeit war in den Nachkriegsjahren wenig oder meist gar keine Zeit. Jede erdenkliche Tätigkeit, sei sie auch noch so schlecht bezahlt, wurde angenommen, um das Überleben der Familie zu sichern. Zusätzlich und bis spät in die Nacht, oft bis zur völligen Erschöpfung, musste die Haus- und Gartenarbeit erledigt werden. Tränen flossen nur im Verborgenen, weshalb die Erinnerungen daran undeutlich bleiben, ganz im Gegensatz zu Mutters stattlichem Repertoire an unzähligen Liedern, mitunter auch an "Klassikern der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung", die der kleine Hans alsbald auswendig konnte. Wenn sich auch die Erinnerungen an das Kennenlernen des erst nach dem 2. Weltkrieg heimkehrenden Vaters ebenso diffus gestalten, bleiben immerhin jene erhalten, als er zur Mandoline griff, um den Gesang seiner Frau zu begleiten. Die Tristesse des grauen und arbeitsintensiven Alltags sowie die "emotionale Unterversorgung" durch die Eltern waren jedoch allgegenwärtig und prägend, die musikalischen Ablenkungsmanöver allenfalls zum tröstlichen Kaschieren der zahlreichen Entbehrungen geeignet. In diesem Zusammenhang verwundert es nicht, wenn für Hans, den seine Kommilitoninnen einst, während seines Grafikstudiums, "Hannes" nannten, und er diese Namensänderung fortan übernahm, die Dinge, die ihn einst so belasteten, "in Verse gesetzt und gesungen" so etwas wie Erlösung bedeuten sollten: "Ich schreibe und singe mir etwas von der Seele." Als ob man es nicht schon immer geahnt hätte ... ist natürlich Unsinn. Wie sich alles wirklich zugetragen hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Welche Mühen es tatsächlich bedeutete, jene spärlichen Vorzeichen richtig zu deuten, ist nur schwer zu ermessen, ebenso wenig wie Waders Fähigkeit, seinen Werdegang im Nachhinein zu einem fast logischen Puzzle zusammenzusetzen. Allein seine Kindheit, die für ihn mit dem 13. Lebensjahr und dem Beginn einer Ausbildung als "Dekorationsgehilfe" in einem Bielefelder Schuhgeschäft endet, sind ihm 150 Seiten wert. Doch damit ist es ja längst nicht getan. Nach der Armut der Kinderjahre folgten nicht minder schwere Zeiten. Das Berufsleben und die damit verbundenen leidigen Pflichten, Zwänge und Abhängigkeiten sind für Wader keine Zukunft, Auflehnung gegen das System deshalb zwangsläufig. Wohin das alles führen sollte, konnte er damals noch nicht wissen, eine feste Größe waren lediglich all die Dinge, die er NICHT wollte. Die Berliner Jahre brachten zunächst ebenfalls wenig, außer der gelegentlichen Teilnahme am Grafikstudium, kurzfristigen Jobs als Arbeiter oder Barmusiker, unzähligen Kneipenbesuchen, oder "diffusen Träumen, mal irgendwann mit irgendwas groß rauszukommen". Immerhin halfen Kontakte und der Faktor Zufall, dass Hannes Wader von einem gewissen Burg-Waldeck-Festival hörte, welches ihm völlig unbekannt war ... ... aber schon seit 1964 veranstaltet wurde. Nichtsahnend, was ihn erwarten sollte, kam es zu einem ersten Auftritt 1966 mit einem Repertoir von ganzen vier Liedern. Die Publikumsreaktionen deutete Wader zunächst völlig falsch ... und jetzt wird es wirklich spannend! Und viel mehr als das, denn wenn dem Rezensenten, der damals erst neun Jahre alt war, eine Gänsehaut nach der anderen den Buckel rauf und runter wandert, dann wird erst richtig klar, was damals passierte und noch passieren sollte ... Plötzlich sind sie wieder da, die ersten Lieder, die man so lange nicht hörte und damals, um einige Jahre zeitversetzt, auswendig konnte, ob sie nun "Das Loch unterm Dach", "Die Blumen des Armen", "Frau Klotzke" oder "Das Bier in dieser Kneipe schmeckt mir nicht mehr" heißen. Viel wichtiger jedoch ist das Wunder, das Lebensgefühl einer Zeit konserviert zu haben, die endgültig vorbei ist, die sich aber, dank der Kraft seiner Lieder, mühelos wieder zurückholen lässt. Etwas, was in dieser Intensität vielleicht noch von keinem anderen Liedermacher erreicht wurde. Für all jene, die ohne Halt und Ziel zu leben gewagt haben gleichermaßen wie für diejenigen, die nur davon träumten. So ganz nebenbei hat er Sehnsucht und Melancholie endgültig definiert, was den Kollegen vielleicht mit dem einem oder anderen Lied ebenfalls gelungen sein mag, nicht aber mit deren jeweiligem Gesamtwerk! Dass er nicht gerne schreibt, wie in der Einleitung "Vorweg" nachzulesen ist, mag man Hannes Wader jedoch nicht so recht glauben. Wundern darf man sich ebenfalls über die zahllosen Ereignisse, die er, ohne je Tagebuch geführt zu haben, aus seinen Erinnerungen hervorzaubern kann. Doch auch dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung ... Am Ende des Buches, das man keineswegs herbeisehnt, fühlt man neben der größten Hochachtung auch so etwas wie Dankbarkeit für so viel Leben, die Bereicherung und die Erlaubnis, dass man ihn auf seinem langen Weg ein gutes Stück begleiten durfte. Unentschlossene Leserinnen und Leser sollten sich im Zweifelsfall einfach das Inhaltsverzeichnis anschauen. Es ist erstaunlich karg und übersichtlich. Ein unzweifelhafter Hinweis darauf, dass Hannes Wader sich sehr klar und unmissverständlich ausdrückt, wie in seinen Texten und seiner Musik, die Reinhard Mey einst so treffend charakterisierte: "... Melodien, die aus der Kindheit, vielleicht aus der Nacht der Zeiten in uns allen klingen." Bewegend auch, dass er mit Selbstkritik nicht spart, und die ihm in Erinnerung gebliebenen Zeichnungen seines Lebens nicht mit grellbunten Farben ausfüllt und verfremdet. Das macht auf jeder Seite neugierig auf die jeweils folgenden - so wie diese kleine Besprechung hoffentlich auch.

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Trotz Alledem

Von: Bloominglybooks

29.02.2020

Ich bin als Kind mit den Liedern von Hannes Wader aufgewachsen und habe mich darum sehr gefreut seine Autobiographie zu lesen. Fast jede Geschichte aus dem Buch ist begleitet mit den Liedstellen in denen er darüber singt. Wenn ich die Geschichten auch sehr interessant fand, waren manche jedoch etwas genauer und detaillierter als vielleicht notwendig. Für mich sind es nur 3 Sterne geworden, weil es einfach zu umfangreich ist. Wader beginnt die Erzählung mit seiner ersten Erinnerung und es braucht noch circa 70 weitere Seiten bevor man zu seiner Einschulung kommt. Darum glaube ich die Biografie ist nur etwas für wirkliche Fans und nicht für jemanden mit einem nostalgischen Interesse an den Liedern.

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„Ein Mann, ein Wort.“ Dieses ohnehin sexistische Sprichwort trifft sicher nicht auf den Liedermacher Hannes Wader zu, schließlich ist seine Autobiographie ganze 592 Seiten dick. Die Leser*in begleitet dabei nicht nur Wader auf seinem Lebensweg, sondern wird auch zur Zeitzeug*in deutscher Geschichte von der Nachkriegszeit bis in die 2000er. Mir persönlich war Hannes Wader vor der Lektüre vor allem in Kombination mit Reinhard Mey und Konstantin Wecker ein Begriff, auch durch ihre deutsche Interpretation von „Bella Ciao“, das ja aktuell durch eine gewisse Fernsehserie eine ziemliche popkulturelle Relevanz bekommen hat. Ich dachte mir angesichts der Autobiographie also: Interessante politische Einstellung, auf dieses Leben bin ich neugierig. So machte ich mich ganz unverfangen an diesen dicken Schmöker. (Persönliche) Geschichte Hannes Wader wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf, Vater und Onkel kamen irgendwann – körperlich und geistig verwundet – aus dem zweiten Weltkrieg zurück. Seine prägenden Kindheitsjahre beschreibt Wader sehr ausführlich und es dauert, bis aus Wader der auf Bühnen tourende Liedermacher wird, als den ihn heutzutage wohl vor allem die ältere Generation kennt. Dabei verknüpft Wader sein persönliches Schicksal immer wieder mit den aktuellen Ereignissen in Deutschland, so dass sich das Buch für mich manchmal wie eine Zeitreise anfühlte. Besonders spannend fand ich zum Beispiel die Zeit, in der die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) unter den Studierenden viel Zulauf fand und auch Wader selbst vom CDU-Wähler zum Parteimitglied avanciert. Das Ganze gipfelt in der jahrzehntelangen Beobachtung Waders durch den Verfassungsschutz, da Wader auch in Kontakt mit der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin kam. Dazu habe ich dann selbst noch ein wenig recherchiert und einen interessanten Artikel des Spiegels von 1971 ausgegraben. Wader gibt dabei zu, dass er unbedingt selbst entscheiden wollte, wie viel Platz in er den einzelnen Ereignissen zugesteht, weshalb verschiedene Versuche anderer Autor*innen, eine Biographie über ihn zu verfassen, allesamt irgendwann scheitern mussten. Kritikfähigkeit Durchbrochen wird Waders (Lebens-)Geschichte immer wieder von Fotos und selbstkritischen Überlegungen. Er geht für mich durchaus hart mit einigen seiner Charakterzüge ins Gericht, auch wenn er diese nie wirklich ändern oder ablegen konnte beziehungsweise wollte. Trotzdem, nicht jeder spricht so offen und ehrlich über seine Fehler. Musikalische Untermalung Nach eigener Aussage basieren alle von Waders Liedern in der ein oder anderen Form auf Ereignissen aus seinem Leben und er fügt seine Liedtexte auch immer wieder an passender Stelle ein. Das habe ich als Einladung dazu aufgefasst, mich durch Waders Liederwerk zu hören, was zum Beispiel ganz gut mit dem gleich betitelten Album „Trotz alledem“ geht. Auch wenn mir längst nicht jedes Lied gefällt, fühlte ich mich gut unterhalten mit der Autobiographie zu diesem Leben, das in vielerlei Hinsicht weit von meinen eigenen Plänen abweicht. Wer ein paar von Waders Liedern kennt und jetzt neugierig ist, der greife zu!

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