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Rezensionen zu
Aus der Welt

Karl Ove Knausgård

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€ 26,00 [D] inkl. MwSt. | € 26,80 [A] | CHF 35,50* (* empf. VK-Preis)

Inhalt: Hoch oben im Norden Norwegens spielt diese Geschichte, kurz vor der Jahrtausendwende. Der junge Henrik Vankel arbeitet hier als Aushilfslehrer. Selbsthass, Einsamkeit und Schamgefühle bestimmen sein Leben. Schon lange ist er aus der Welt gefallen, schon lange versteht er die Zeichen seiner Mitmenschen nicht mehr – schon lange verschwimmen ihm Traum und Realität. Bis ihm eines Tages klar wird, dass er sich verliebt hat. In eine seiner Schülerinnen. Eine eigentlich unmögliche Liebesgeschichte. Ist dies wirklich die Rettung – oder der Auftakt zum endgültigen Zusammenbruch? „Aus der Welt“, das gefeierte Romandebüt von Karl Ove Knausgård, hat viele Facetten. Von Sprach- und Verbindungslosigkeit ist darin die Rede, vom verzweifelten Versuch, sich einen Sinn zu erschaffen in einem rätselhaften Dasein. Es erzählt die Geschichte einer Kindheit und Jugend im Norwegen der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, in einer Familie und einer Welt, in der Scham und Schuldgefühle zu den stärksten Triebfedern überhaupt gehören. Es ist das sprachmächtige Debüt eines jungen Schriftstellers, eine erbarmungslose Erkundung des männlichen Egos und der Selbstzerstörung, aber auch eine literarische Feier von überbordender Phantasie. Meine Meinung: Wenn ihr meinem Blog folgt habt ihr sicherlich mittlerweile mitbekommen, dass ich ein großer Fan Knausgårds bin und bereits einige seiner Bücher mit Begeisterung gelesen habe, darunter seine Vier Jahreszeiten Bände. Als nun dieses Buch endlich einmal auf deutsch erschien, das zudem sein Debüt ist, wollte ich natürlich gerne einen Blick hineinwerfen. Das Cover passt mit seiner kühlen Welt sehr gut einerseits zum Standort des Protagonisten in Nordnorwegen und andererseits auch zu der oftmals kühlen Distanz, mit der er die Menschen um sich herum betrachtet. Der Protagonist Henrik, den man im Laufe der Handlung immer besser kennenlernt, zeichnet sich nicht nur, wie so oft in Romanen, durch positive Charaktereigenschaften aus, sondern durch sehr viele negative, unter anderem durch den Zorn gegenüber seinem Vater und seinen Egoismus, der an der ein oder anderen Stelle zutage tritt. Trotz dieser Umstände stand ich während seiner Erzählungen meist auf seiner Seite, was daran liegen könnte, dass der Autor, wenn es um die Perspektive Henriks geht, die Ich-Erzählung verwendet. Auffallend ist auch, dass oftmals in der Gegenwart geschrieben wird, was meiner Meinung nach eine Unmittelbarkeit erzeugt, die die Spannung des Geschehens erhöht. Es wird jedoch nicht immer aus der Sicht des Protagonisten, sondern auch aus der seiner Eltern oder einer unbekannten, allgemeinen Person erzählt, sodass auf den gut 900 Seiten viel Abwechslung entsteht. Auch handelt der Roman nicht ausschließlich vom Leben Henriks, er behandelt auch das Kennenlernen seines Vaters mit seiner Mutter und schafft somit das Porträt einer ganzen Familie. Wie es auch bei den anderen Büchern Knausgårds der Fall war, regt "Aus der Welt" fast unentwegt zum Nachdenken über das Leben, den Tod und viele andere Mysterien an, wodurch es einen philosophischen Beigeschmack erhält. Obwohl der Autor auf einer Vielzahl der Seiten in Beschreibungen von Landschaften, Personen oder Vorgängen schwelgt, wurde mir beim Lesen nie langweilig und ich habe das Buch relativ schnell ausgelesen. Nach der Lektüre von "Aus der Welt" hoffe ich, dass mir in naher Zukunft ein weiterer Roman Knausgårds in die Hände fallen wird. Mein Fazit: Ein Roman, der zum Nachdenken anregt und die Geschichte eines in sich gekehrten, ungewöhnlichen Mannes erzählt. Vielen Dank an den Luchterhand Literaturverlag für das Rezensionsexemplar! Aus der Welt bekommt von mir volle 5/5 Sterne!

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Die Geschichte ist schnell umrissen. Henrik Vankel zieht für ein knappes Jahr in einen Ort direkt am Meer "im nördlichsten Norwegen". Sein Alltag als Aushilfslehrer gestaltet sich eher unspektakulär, wenn da nicht seine Schülerin, die dreizehnjährige Miriam, wäre ... Spektakulär ist erst einmal Henriks wacher Geist, der die Dinge leider viel zu oft aus einer erhöhten Position betrachtet. Da wären erst einmal die Dorfbewohner, deren Verhaltensmuster er umgehend analysiert, obwohl es da gar nicht so viel herauszufinden gibt. In Frage zu stellen aber schon, denn einerseits bewundert er ihre Freundlichkeit und dass sie ihm als Fremdem wohlgesonnen sind, relativiert dieses aber sofort, denn das an sich wäre "noch nie ein Kriterium für Güte" gewesen. Doch das markiert nur den Beginn einer Odyssee durch Henriks wahrlich unübersichtliche Psyche, die niemand versteht, am allerwenigsten er selbst. Er erkundet und beobachtet sein soziales Umfeld, und die ganze Welt gleich mit, unentwegt und nur durch Schlaf unterbrochen. Wobei (auch) hier die Grenzen immer weiter verwischen. Henrik ist längst "aus der Welt" gefallen, an was er sich klammert, sind Momente, die, egal in welcher Schattierung auch immer, keinen rechten Sinn ergeben wollen. Dass sie das nicht können, sieht er nicht. Deshalb muss er weiterziehen, von seiner endlosen Gedankenflut über alle Ufer gespült. Ein furchtbar kluger Mann mit furchtbar großen Problemen. Eines davon ist weiblich und 13 Jahre alt. Es passiert nicht all zu viel, doch das was passiert, liegt jenseits der unsichtbaren Grenze, die niemals überschritten werden sollte. Die räumliche Flucht, für die er sich deshalb entscheidet, scheint ohne Wirkung zu sein, denn er ist so oder so mit dem immer gleichen Gepäck beladen. Stets sieht er einen Ausweg, doch es sind so viele. Zu viele. Welcher ist der richtige? "Aus der Welt" erzählt in ausschweifendem Perfektionismus von einem, der sich in der Welt und sich selbst verlaufen hat. Henrik hat eine "einfache" Fahrt gelöst, denn ein Rückweg ist ausgeschlossen. Wohin auch? Zwanghaft ergibt er sich gnadenlosen Selbstzweifeln. Leben kann er nicht, weil er es ständig zu durchschauen versucht. Jeden Gedanken sezieren und jeden Moment, jedes Gefühl, jede noch so kleine Emotion auf die Goldwaage legen. Karl Ove Knausgård lädt uns in seinem 1998 in Norwegen erschienenen und jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlichten Debüt zu einer aufregenden Reise durch die rastlose Existenz seiner Hauptfigur ein, die einerseits abstoßend und andererseits, trotz einiger mühsamen Längen auf den weitläufigen Rückblick in die Familiengeschichte, unendlich spannend ist. Man befindet sich in einer permanent belastenden Aufmerksamkeit, immer gespannt auf den nächsten Satz, die nächste Erkenntnis und die nächsten Zweifel, die sich auf einer immerwährenden Überholspur nähern, bis zum nächsten Sturz in die endlosen Kellergewölbe einer beschädigten Seele, die sich selbst nicht versteht, die Angst vor dem Tod, aber auch vor dem Leben hat. Man liebt diesen seltsamen Henrik, der alles und jeden registriert und wenn es nur die Bewegungen von auf Kundschaft wartender Taxifahrer sind, die Lässigkeit junger Leute oder jenen weinenden Mann in dem kleinen Café, seine Gedankenflut und den Sturz durch die Literatur- und Kunstgeschichte der Welt, und bedauert und verachtet ihn im nächsten Augenblick. Aber wer sagt denn, dass Hauptdarsteller immer sympathisch sein müssen? Suche nach dem Wesentlichen und eine männliche Tragödie.

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Dass Literatur immer auch Gedächtnis ist, dass ein Werk noch Jahre nach seinem Erscheinen erneut in den Fokus rücken und bedacht werden kann, beweist auch Karl Ove Knausgård, der berühmte weil auch preisgekrönte Norweger, dessen Bücher in zahlreichen Sprachen übersetzt wurde; allen voran sein sechsbändiges autofiktionales Mammut-Schreibprojekt „Min kamp“. 22 Jahre nach dem Erscheinen seines umfangreichen Debüts „Ute av verden“ kann dieser Erstling unter dem Titel „Aus der Welt“ auch in deutscher Übertragung gelesen und vor allem debattiert werden. Denn dieses Buch hat große Diskussionen ausgelöst, nicht so sehr in Knausgårds Heimatland, wo er vielmehr als erster Debütant überhaupt mit dem renommierten Kritikerprisen geehrt wurde, sondern zuerst in Schweden. 2015 kritisierte die Literaturwissenschaftlerin Ebba Witt-Brattström das Buch und bezeichnete es als „literarische Pädophilie“. Und auch in Deutschland, nun fünf Jahre später, geht die Diskussion weiter, die einen loben, die anderen zerreißen das Buch förmlich in der Luft, eine Auseinandersetzung, die allerdings bereits die „Min kamp“-Reihe angesichts ihrer privaten Details aus dem Leben des Schriftstellers und seiner Familie begleitet hat. Streitpunkt ist nunmehr die intime Beziehung zwischen dem 26-jährigen Henrik Vankel und seiner nur halb so alten Schülerin Miriam, die in dem Debüt geschildert wird und an den Klassiker „Lolita“ von Vladimir Nabokov aus dem Jahr 1955 erinnert, der von der Liebesbeziehung des Literaturwissenschaftlers und Ich-Erzählers Humbert Humbert zu der zwölfjährigen Dolores Haze, die er Lolita nennt, erzählt. Vankel kommt für ein Jahr als Aushilfslehrer in einen nordnorwegischen Ort unweit von Tromsø. Er versucht, Anschluss an die Gemeinschaft aus Lehrerkollegen und Eltern zu finden, doch er scheitert. Vor allem seine Kollegin und Nachbarin Linda rückt von ihm ab, als er sich ihr aufdrängt. Zeitgleich zeigt sich Vankel fasziniert von Miriam. Er sucht die Nähe zu ihr, empfindet ein intensives Begehren. Heimlich besucht sie ihn. Nach einer gemeinsamen Nacht flieht er Hals über Kopf gen Süden, um schließlich wieder in der Stadt seiner Jugend, in Kristiansand, anzukommen. Ein Rückzug, der von Erinnerungen an seine Kindheit begleitet wird. An die schwierige problembeladene Beziehung zwischen seinen Eltern und zu seinem Bruder Klaus, die erfolglosen Annäherungsversuche an gleichaltrige Mädchen, die zu seinem unsicheren und schambehafteten Wesen beigetragen haben. Vankel lebt in seiner eigenen Welt. Die Komplexität des Buches entsteht sowohl durch die zahlreichen, auch ineinander verschränken Zeitebenen als auch durch die Wechsel der Perspektiven sowie zwischen erzählter Handlung und vielschichtigen, oft auch essayhaften Reflexionen des Helden. So ist auch von den Großen der Literaturgeschichte wie Flaubert, Hamsun und Proust zu lesen, vom Genie Leonardo da Vinci, vom Zauberer Houdini oder vom deutschen Kaiser Wilhelm I., der sich regelmäßig in Norwegen erholt hat. Dass Knausgård Grenzen überschreitet, zeigt auch ein langer, ausufernder surrealer Traum des Ich-Erzählers. Wer deshalb dieses Buch nur auf die nur kurze, wenn auch detailfreudige Intim-Szene beschränkt, wird diesem Werk nicht gerecht werden. Sicherlich und glücklicherweise werden heute Debatten über Sexualität und Missbrauch ganz anders geführt, doch soll es dabei Schriftstellern verwehrt sein, darüber zu schreiben? Persönlich stimme ich Knausgårds persönliche Verteidigung seines Buches zu, die in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist: Alles Menschliche habe in ihr eine Berechtigung, „da die Literatur, indem sie frei ist, auch frei von Moral ist, das heißt, frei von Verdammung.“ Vielmehr sei es, so finde ich, dem Leser die Aufgabe zugesprochen, über das Wesen der Protoganisten, ihre Stärken und Schwächen, zu urteilen und zu erkennen: Erzählen ist nicht das Gleiche wie Gutheißen, wie es an einer weiteren Stelle in dem Beitrag heißt. Einzig und allein, dass die Geschehnisse rein aus der männlichen Perspektive geschildert werden, laste ich ihm an. Mit Blick auf die Anspielungen auf sein eigenes Leben – der Norweger ist wie sein Protagonist in Kristiansand aufgewachsen, war als Lehrer im Norden tätig – verwies er jedoch, dass der Missbrauch reine Fiktion sei. In einem Interview für den norwegischen Fernsehsender NRK nach Erscheinen seines Debüts in Norwegen betonte der 30-Jährige – damals ohne Bart und mit Kurz-Haarschnitt – zudem, dass er ein Problem mit der Bezeichnung „Pädophilie“ habe. Auch aus anderen Gründen sollte dieser umfangreiche Band mit einem durchaus positiven Blick bedacht werden. Knausgård erweist sich in „Aus der Welt“ als ein sensibler Beobachter der Menschen, ihren Handlungen und ihrem Gefühlsleben. Überaus intelligent setzt er sich mit den Themen Zeit und Erinnerungen, Vergänglichkeit und die Rolle des Zufalls aueinander, beschreibt mit sehr viel Sprachkraft und Poesie die markante Landschaft im Norden sowie die Straßen und Plätze der Stadt, durch die Vankel streift. Mit Stadt und Land, Norden und Süden erschafft der Autor zudem zwei Pole, die den Helden prägen. Einmal mehr setzt während der Lektüre der bekannte Sog ein, der mich bereits während der „Min kamp“-Reihe begleitet hat, entsteht der Eindruck, dass sich bereits in diesem von Details überbordernden Debüt – er schreibt, als müsste er eine Fotografie so gut es geht beschreiben – die Klasse Knausgårds zeigt. Wenngleich ich weiterhin hoffe, dass trotz der Berühmtheit und Präsenz des Norwegers dessen Kollegen hierzulande nicht vergessen werden.

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Zwischen tausend Spiegeln, vor dir selber falsch

Von: Benedikt Maria Trappen aus 55619 Hennweiler

02.11.2020

Wenn das 1998 in Norwegen veröffentliche, preisgekrönte Erstlingswerk von Karl Ove Knausgard (...) skandalverdächtig ist, dann sicher, weil das Vorzeigeland Norwegen Lehrkräfte einstellt, die nicht hinreichend qualifiziert sind. Die aus der Verzweiflung des neurotisch verstrickten 26 jährigen Aushilfslehrer Henrik Vankel hervorgehende Beziehung zu seiner 13 Jahre alten Schülerin Miriam dagegen befriedigt weder Voyeuristen, noch Moralwächter wirklich. Die Schilderung der Phantasien, Begierde und der einmaligen erotischen Begegnung nimmt nicht nur vergleichsweise wenige Seiten des mehr als 900 Seiten umfassenden Romans ein. (...)Anderseits aber ist das Licht, das diese, von der Allgemeinheit tabuisierte, nicht akzeptable Romantik und Begierde in die FInsternis seines neurotischen Lebens wirft, die einzige Hoffnung auf Authentizität. Henrik Vankel ist "aus der Welt" gefallen, eine Borderline-Persönlichkeit jenseits aller Unmittelbarkeit und Natürlichkeit, (...) ein Fremder. Was ihn von anderen Neurotikern unterscheidet, ist seine Gabe zu beobachten und zu schreiben (...) Wenn die Verunmöglichung der Freiheit eine Folge des normalen, konventionellen Lebens ist, kann der Weg zurück, zum Ursprung, die Aufhebung dieser "Erbsünde" nur ein Tabubruch sein.(...) Zugleich aber ist diese Versuchung der Begierde gegen besseres Wissen mehr: ein Bild für die Kurzsichtigkeit der Moderne, die das Wohlergehen der Erde für die Befriedung kurzsichtiger Genüsse und Begierden aufs Spiel setzt. Henrik Vankel ist damit kein bisschen unvernünftiger als die Möchtegermoralapostel unserer Zeit. Und das Wagnis, hinab zu tauchen in den Abgrund der Zeit, der uns alle bedingt, gewinnt ebenso mythologische wie vernunftkritische Dimensionen. (...) (aus: Benedikt Maria Trappen für "Yoga aktuell" und "Evolve")

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