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Rezensionen zu
Der gewöhnliche Mensch

Lena Andersson

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Der Verlauf des Lebens

Von: Ingeborg Rosen

13.03.2023

Ich gebe zu: für mich war Schweden auch lange Zeit das Land mit den “meisten Kindertagesstätten, die geringste Lohnunterschiede, den grössten Filmregisseur, die vorderste Kinderbuchautorin, den besten Slalomläufer, Tennisspieler und die beste Popband”. Umso mehr hat mir Lena Andersson in ihrem Roman auf fast schon schmerzhafte Weise vor Augen geführt, aus welch harten Grundlagen - Pflichtgefühl, Fleiss, Entbehrungen dieses Wohlgefühl, alles nur enstehen konnte. Geschickt verflicht die Autorin die privaten Ereignisse mit wichtigen politischen Ereignissen für Schweden (Ermordung Olaf Palmes) und die westliche Welt (Fall der Berliner Mauer). Und letztlich mündet die Vita des “gewöhnlichen Menschen” in ein Schicksal, das sicher nicht nur für Schweden gilt: das des Gefühls (oder tatsächlichen) der Bedeutungslosigkeit des nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Tragisch!

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In unserer heutigen Gesellschaft, in der Selbstverwirklichung und Selbstfürsorge gepriesen werden, wirkt ein Mann wie Ragnar Johansson wie aus der Zeit gefallen. Der Protagonist ist ein Verfechter des schwedischen Wohlfahrtsstaats, über den ich erst in diesem Buch Näheres erfahren habe. Tragisch ist die Figur deshalb, weil sich der Möbeltischler zu Höherem berufen fühlt, an diesem Anspruch jedoch scheitert und deshalb die Gewöhnlichkeit des Menschen zugunsten dem Gemeinwohl zum Ideal erhebt. Das Bedürfnis, etwas Großes zu schaffen, lebt er mittels seiner Kinder aus, die er zu sportlichen Hochleistungen antreibt. Wie schon in ihren vorhergehenden Romanen "Unvollkommene Verbindlichkeiten" und "Widerrechtliche Inbesitznahme", die ich verschlungen habe, zeichnet Lena Andersson mit scharfer Beobachtungsgabe und sprachlicher Präzision einen Menschen, der von einer Idee besessen ist und sein ganzes Leben danach ausrichtet. Ragnar stellt sich und seine Familie mit eiserner Disziplin in den Dienst der Gesellschaft und erlaubt sich keinerlei Ablenkungen oder Vergnügungen. Ich fragte mich, wie es seine Frau nur mit ihm aushält und hatte großes Mitleid mit seinen Kindern. Manche Szenen wie die genaue Zeitmessung bei einem Wettkampf zogen sich etwas in die Länge. Anhand dieser exemplarischen Familie skizziert die Autorin die Ideale des schwedischen Volksheims, das an die Macht des Staates und den technischen Fortschritt glaubte. So bekam ich einen lehrreichen Einblick in den sozialen und politischen Wandel im 20. Jahrhundert in einem Land, das bis heute wegweisende Trends in vielen Bereichen wie ökologischen Wohnungsbau, Design, Musik, Kinder- und Kriminalliteratur gesetzt hat.

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