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Rezensionen zu
Unterleuten

Juli Zeh

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Gombrowski, der sich für das Dorf und dessen Wohlergehen einsetzt und trotzdem angefeindet wird. Sein Gegenspieler Kron, der in der DDR schon ein 100%er war. Hilde, mit ihren 20 Katzen. Jule und Gerhard, ein Akademiker - Pärchen, welches so gar nicht aufs Land gehört, sich dies aber nicht eingestehen möchte. Und Linda und Frederic, die Pferdefrau, er Software-Entwickler. Dazu kommen dann noch Nebenfiguren wie die Kinder der genannten und Nachbar Schaller, der seine Nachbarn mit brennenden Autoreifen einnebelt. Andauernd befinden sich die Charaktere *unter Leuten* und gegenseitiger Schuld und Abhängigkeit. Wie ein Thriller liest sich der Roman um altes und neues Unrecht, zerplatzte Träume, Untreue und Eifersucht. Sehr bitter war das Ende des Romans, welches nur Beschädigte kennt, zudem hätte ich mir einen anderen Gewinner beim Tauziehen um das Gelände gewünscht. Zwei Ungenauigkeiten habe ich gefunden, auf Seite 627 ist von Walfischen die Rede, dabei sind dies Säugetiere und die Olympiade ist die Zeit zwischen den Olympischen Spielen und nicht die Spiele selbst (Seite unbekannt). Fazit Ein faszinierender Roman über die Komplexität menschlicher Beziehungen.

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Manche Entscheidungen wollen wohlüberlegt sein. Auch die, in ein kleines, entlegenes Dorf zu ziehen. Alle, die von einem idyllischen Landleben, hilfsbereiten Nachbarn, einer Dorfkneipe und ganz viel Ruhe träumen, empfehle ich Unterleuten. Der große Gesellschaftsroman von Juli Zeh räumt nachhaltig auf mit der Dorfromantik, wie sie sich Stadtmenschen gerne er träumen. Das Dorf Unterleuten mit seinen 250 Einwohnern mitten in Brandenburg gibt es zwar nicht, aber bei näherem Hinsehen stellt man fest, dass es stellvertretend für zahlreiche andere Dörfer steht. So oder so ähnlich. Unterleuten wirkt wie aus der Zeit gefallen: Es gibt weder eine Arztpraxis noch eine Schule, kein Internet, und die Renten der alten Bewohner sind so klein, dass der Tauschhandel blüht. Doch da geht es nicht um Geld gegen Naturalien, sondern um „Eine Hand wäscht die andere“. Probleme werden innerhalb der Dorfgemeinschaft gelöst, die Polizei wird nicht gebraucht. Alles, was außerhalb des Dorfes passiert, ist für die Bewohner uninteressant. Aber auch ein auf den ersten Blick so rückständiges Dorf verändert sich. Es kommen neue Menschen hinzu, die sich hier ein „neues Leben“ aufbauen wollen. Da ist zum Beispiel der frühere Soziologieprofessor Gerhard Fließ, der als neuer Mitarbeiter des Vogelschutzbunds Unterleuten Gefallen daran findet, bei jedem Bauantrag beinahe zwanghaft Einspruch einzulegen, weil er die Existenz des seltenen Kampfläufers bedroht sieht. Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass er sich damit keine Freunde und das Leben zur Hölle macht. In seinem Schlepptau sind seine 22 Jahre jüngere Ehefrau Jule und ihre gemeinsame sechs Monate alte Tochter Sophie. Jule war bei Gerhard Studentin und muss im Verlauf der Handlung erkennen, dass ihr Mann ein anderer Mensch ist, als sie geglaubt hat. Doch auch Linda Franzen, die mit ihrem Freund Frederik Wachs ein heruntergekommenes Gutshaus gekauft hat, das sie jetzt renovieren will, ist mit ihrem ausgeprägten Ehrgeiz ein Fremdkörper in der Dorfgemeinschaft. Ihr ist fast jedes Mittel recht, um an eine Baugenehmigung zu kommen, die es ihr möglich macht, einen Stall für ihr Pferd Bergamotte zu bauen. Hat es etwas zu bedeuten, dass alle vorherigen Bewohner des Gutshofs nur kurz dort gelebt haben, weil es sie frühzeitig dahingerafft hat? Konrad Meiler ist der große Unbekannte des Dorfes. Er hat bei einer Versteigerung riesige Flächen rund um Unterleuten gekauft, ohne zu wissen, was er damit tun soll. Doch seine Ratlosigkeit dauert nur kurze Zeit. Wohnen wird er dort nicht. Die Zugezogenen sehen sich den Alteingesessenen gegenüber, die teilweise seit Jahrzehnten ihre Konflikte so ausdauernd pflegen wie andere Leute einen seltenen Bonsai. Die Unterleutener, die schon zu Zeiten der DDR dort gewohnt haben, sind in einem von außen nur mühsam zu durchschauenden Beziehungs- und Abhängigkeitsgeflecht miteinander verbunden, in dem Alte gegen Junge, Frauen gegen Männer, Betriebsleiter gegen LPG-Veteranen und alle zusammen gegen ihr Leben arbeiten. 2010 wird für das fast 700 Jahre alte Unterleuten ein Schicksalsjahr. Das Flurstück „Schiefe Kappe“, eine bislang karge und uninteressante Anhöhe, rückt in den Mittelpunkt des Dorfinteresses, als es zum Eignungsgebiet für einen neuen Windpark erklärt wird. Die Aufregung ist groß, viele Einwohner befürchten eine Verschandelung der Landschaft. Doch es gibt auch Nachbarn, die sich davon ein einträgliches Geschäft versprechen, dessen Ertrag sie für den Rest ihres Lebens unabhängig machen würde. Es beginnt ein Krieg, in dessen Verlauf Konflikte, die bisher dicht unter der Oberfläche schwelten, aufbrechen. Die Situation eskaliert, es wird intrigiert und gelogen, aber nicht wirklich kommuniziert. Der Dorffunk behält dabei immer die Oberhand; den Gerüchten, die er transportiert, wird vorbehaltlos geglaubt. Kein Wunder, dass Unterleuten sich mit jedem neuen Gerücht vom Frieden immer weiter entfernt. Da ist es fast schon zwangsläufig, dass auch gestorben wird. Schließlich kommt kein Krieg ohne Tote aus. Unterleuten nimmt seine Leser mit in die Unterleutener Heide mitsamt aller zwischenmenschlichen Verwerfungen. Es ist egal, wo man das Dorf ansiedelt: Zerwürfnisse, wie sie in diesem Roman geschildert werden, gibt es zuhauf auch woanders. Auch das Thema, das hier wie der Funke an der Lunte wirkt, ist austauschbar: In Unterleuten ist es ein Windpark, in anderen Orten sorgen Neubaugebiete oder neue Straßen dafür, dass Nachbarn aufeinander losgehen. Juli Zeh hat ihren Roman spannend auf mehr als 630 Seiten inszeniert und durch überraschende Wendungen, von denen oft nur der Leser erfährt, dafür gesorgt, dass es nie langweilig wird.

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Glaubt man Rainald Grebes Brandenburghymne, die auch Eingang in Juli Zehs Gesellschaftsroman Unterleuten gefunden hat, ist Brandenburg ein Ort der Öde, der Langeweile – und der unberührten Natur. Das liegt vor allem daran, dass es wenige Einwohner hat. Letzteres kann auch von Unterleuten gesagt werden, einem fiktiven Ort mit einer Handvoll Einwohnern, mehrheitlich alteingesessenen. Schon zu DDR-Zeiten schwelten dort die Konflikte zwischen treuen Kommunisten und Regimegegnern bzw. früheren Großgrundbesitzern. Nach der Wende wurden die Karten zwar im Grunde neu gemischt – und doch blieb alles beim Alten. Im konkreten Fall Unterleuten treten gegeneinander an: Kron, Kommunist und LPG-Angestellter, gegen Gombrowski, Sohn eines Großgrundbesitzers, dessen Boden verstaatlicht wurde. Nach dem Studium der Landwirtschaft war er in die LPG eingetreten und in kürzester Zeit zum Vorsitzenden avanciert, der die LPG zurück in Gewinnzone brachte. Nach der Wende hatte er auf Anraten eines Umwandlungsberaters aus der LPG die Ökologica GmbH gemacht, um möglichst viele Arbeitsplätze zu behalten. Während Kron, der keinerlei positiven Beitrag zum großen Ganzen leistet, es versteht, einige Dorfbewohner hinter sich zu scharen und gegen Gombrowski aufzuhetzen, bleibt Gombrowski, der sich für die Gemeinschaft aufreibt, erstaunlich unbeliebt. Schon dieser organisch gewachsene Mikrokosmos ist kein Ort der Harmonie und des Friedens. Das gesellschaftliche Gleichgewicht steht zu jedem Zeitpunkt auf Messers Schneide. Doch dann kommen auch noch Zugereiste aus dem Westen hinzu und bringen es völlig aus dem Lot. Da gibt es den Weltverbesserer Gerhard Fließ, einen gescheiterten Akademiker, der mit wesentlich jüngerer Frau und Baby nach Unterleuten gezogen ist, um dort die Leitung des örtlichen Vogelschutzbundes zu übernehmen, und die Pferdetrainerin Linda Franzen, die nach Unterleuten kam, um dort eine Pferdezucht aufzubauen. Man könnte meinen, die Gemeinsamkeit, als Wessis in ein kleines ostdeutsches Dorf zugezogen zu sein, würde verbinden, doch ihre Interessen lassen sich nicht vereinen, denn Fließ will Franzen eine Weide verweigern, um seine seltene Vogelart besser schützen zu können. Auch hier also keine Harmonie. In diese explosive Mischung wird noch ein Ingolstädter Investor geworfen, der bei einer Versteigerung spaßeshalber in Unterleuten und Umgebung große Flächen erworben hat. Doch es geht erst so richtig rund, als am Rande von Unterleuten ein Windpark gebaut werden soll, damit das Dorf, dem es ständig an Geld fehlt, von der Gewerbesteuer profitieren kann. Juli Zeh hat in ihrem Roman eine wunderbare Versuchsanordnung geschaffen und dann beobachtet, wie sich die einzelnen Figuren in dieser Konstellation entwickeln, nicht nur im Verhältnis zueinander, sondern auch zu ihrem jeweiligen Partner oder anderen Familienmitgliedern. Es gibt keine eindeutige Hauptfigur, sondern der Leser erfährt sowohl die Vorgeschichte als auch den Fortgang des aktuellen Geschehens aus den verschiedenen Perspektiven der wichtigsten Figuren. Entsprechend kann er sich aussuchen, mit welcher Figur er sich am ehesten identifiziert oder ob er einfach nur als neutraler Beobachter dem bunten Treiben zuschauen möchte. In Unterleuten treffen zwei Welten aufeinander: die des 20. und des 21. Jahrhunderts. War im letzten Jahrhundert im Großen und Ganzen das Leben wenig komplex und vorhersehbar und die Identitäten so gut wie vorgegeben und recht rigide, so zeichnet sich das 21. Jahrhundert durch fast unbegrenzte Wahlmöglichkeiten aus, was für viele Menschen zur Folge hat, dass sie sich nicht entscheiden können und sich nirgends zu Hause fühlen. Wie wirkt sich diese Konfrontation nun im Roman aus? Katastrophal. Von der anfänglichen – wenngleich trügerischen – ländlichen Idylle bleibt am Schluss nur wenig übrig. Wer letzten Endes in diesem Roman zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern gehört, ist allerdings überraschend. Allein das macht diesen Roman schon extrem lesenswert. Als kleines Extra hat Juli Zeh für die Spielernaturen unter ihren Lesern noch einige Webseiten in den Roman eingebaut, die sie auch tatsächlich liebevoll hat einrichten lassen. Ein unterhaltsames Klickerlebnis.

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heiliges Ego

Von: der Michi

04.07.2016

In der Regel ist der Gesellschaftsroman ein klassisches Genre, zu dem man in Schule oder Studium aufgrund seiner Sperrigkeit erst genötigt werden muss. Zeh gelingt es, eben diese Nische auf elegante Art für immer noch relevant zu erklären. Ihre Unterleutner stellen eine ebenso realistische wie dezent kritisch betrachtete Auswahl verschiedenster Typen dar, die ihren Begierden nach und nach erliegen. Der Streit um die Windräder, der schon manches real existierende Dorf entzweit haben dürfte, ist letztendlich nur der Auslöser für das, was bei jedem einzelnen längst unter der Oberfläche brodelt. Unterdrückte Konflikte brechen urplötzlich wieder hervor, zur Tradition gewordene Feindschaften werden neu belebt. Die redenden Namen von Orten und Gegenden sprechen für sich. In Unterleuten ist man nun einmal wohl oder übel "unter Leuten". Wer im benachbarten "Groß Väter" lebt, kann man sich auch denken und die beinahe ausgestorbenen "Kampfläufer" sind aus gutem Grund nur in diesem Landstrich zu finden. Jedes Kapitel widmet sich abwechselnd einem der Dorfbewohner, den der Leser darin so gut kennen lernt, dass er seine Motive gelegentlich fast nachvollziehen will. Wenig später wendet man sich aber beschämt von seiner Lieblingsfigur ab. Diese mit scharfem Blick porträtierten Persönlichkeiten sind das eigentliche Highlight in Unterleuten. Das Geschehen ist punktuell durchaus spannend, kommt sogar (fast) ohne Mord und Totschlag aus, die Unberechenbarkeit der Beteiligten macht den Roman aber erst richtig packend. Eindeutige Sympathieträger sucht man vergeblich, man stellt vielmehr bald fest, dass auch Altkommunisten, Kapitalisten, Naturschützer, linksliberale Bildungseliten, Konservative, Wendeverlierer, Karierrefrauen, Politiker, Unternehmer, Hipster, Streber und schräge Randgestalten unter den richtigen Umständen zum Schlimmsten fähig sind. Ideologie und Idealismus sind hier in der Regel nur Vorwände für das Erreichen der eigenen Ziele. Anhand dieser exemplarischen Mini-Gesellschaft wird ganz nebenbei der individuelle Egoismus als eigentliche Triebkraft und zentrales Übel der Jetztzeit entlarvt. Fazit: Ein großer Roman, eine kritische Gesellschaftsanalyse, eine romantikbefreite Hommage an Land und Leute und vieles mehr. Juli Zeh hat es spätestens jetzt geschafft, mit vollem Recht in einem Atemzug mit Autoren wie Dave Eggers oder Uwe Tellkamp genannt zu werden. Noch dazu ist ihre gleichzeitg klare und doch poetische literarische Sprache ein Genuss und wiegt sogar einige wenige Flauten in der Handlung wieder auf. Wer Literatur nicht nur zur Gedankenberieselung nutzt, für den ist "Unterleuten" Pflichtlektüre. Das Buch ist übrigens mehr, als man zwischen den Buchdeckeln findet. Einrichtungen wie der "Märkische Landmann" und die Vogelschutzwarte Unterleuten haben eigene Internetauftritte, einzelne Figuren betreiben eigene Facebookprofile, ein im Buch erwähntes anderes Buch ist tatsächlich erschienen. Deutlicher kann man den Bezug zur realen Welt gar nicht mehr machen. Seitenzahl: 640 Format: 14,9 x 22,6 cm, gebunden Verlag: Luchterhand

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Juli Zeh Unter Leuten (Luchterhand) „Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf Unterleuten irgendwo in Brandenburg. Als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist … Mit Unterleuten hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?“ (Luchterhand) In der Tat ist es ein „großer Gesellschaftsroman“, den die vielfach ausgezeichnete Autorin hier vorlegt. Weniger der Umfang von 634 Seiten, als vielmehr das breite Spektrum menschlicher (und unmenschlicher) Befindlichkeiten und deren bedrückende Entwicklung macht die literarische und psychologische Größe des Werkes aus. Die Gesellschaft des brandenburgischen Kaffs Unterleuten präsentiert sich in facettenreich ausgearbeiteten Charakteren – das gelingt der Autorin so sorgfältig und anschaulich, dass man sich eigentlich mit keinem von ihnen identifizieren möchte - deren Handeln beobachtet, beschrieben und analysiert wird. Das ist eigentlich alles. Jedes Kapitel ist aus der Sicht eines anderen Protagonisten erzählt, so dass dem Leser nach und nach verschiedene Sichtweisen und Wertungen der fortschreitenden Handlung präsentiert werden. Das ist an sich reizvoll und abwechslungsreich, die Vielzahl der Charaktere erschwert allerdings mitunter die Orientierung. „Inzwischen kann ich behaupten, Unterleuten recht gut zu kennen, was nicht bedeutet, dass ich etwas verstanden habe“ resümiert die (fiktive) Erzählerin des Epilogs (S. 628). Diese Erkenntnis wird der eine oder andere Leser teilen. Dass der Roman stellenweise echte Pageturner-Qualitäten aufweist, liegt eingangs an der Einführung der sehr unterschiedlichen Figuren, die dem Leser von Anfang an ein leichtes Unwohlsein verursacht. Gegen Ende nimmt die Handlung noch einmal deutlich Fahrt auf Richtung Showdown, den manch ein Unterleuter Bürger nicht überlebt. Dazwischen gibt es Längen im Mittelteil, die der stagnierenden Handlung bei leicht verworrener Figurenführung anzulasten sind – auch eine Kindesentführung hilft hier nicht wirklich weiter. Im Blick auf Stil und Sprache ist „Unterleuten“ allerdings der pure Genuss. Zwischen zarter Ironie und bitterem Sarkasmus steuert Juli Zeh das Dorf mit seinen Insassen dem vorhersehbaren Kollaps entgegen. Zwischendurch hält eher die sprachliche Ausdruckskraft als die Handlung den Leser am Ball. Manche Passage liest man gleich noch mal – weil es so schön ist. Über die Buchdeckel hinaus haben Verlag und Autorin keine Kosten und Mühen gescheut, die Unterleuten-Gesellschaft auch in der pseudorealen social-media-Welt zu verorten: Der fiktive Gasthof des fiktiven Dorfes veröffentlicht seine Speisekarte online („Fischeintopf wieder erhältlich“), einige Romancharaktere betreiben facebook-Profile und auf der Website des fiktiven Vogelschutzbundes (Motto „Bei uns piepts!“) kann man durchaus reale Shirts bestellen… Größter Kunstgriff ist dabei wohl die reale Veröffentlichung des im Roman viel zitierten „Erfolgs-Ratgebers von Manfred Gortz“ bereits ein Jahr vor Erscheinen des Romans selbst. Selbst die FAZ müht sich, der Autorin im Interview Aussagen über die Existenz des Manfred Gortz und eine potentielle Verbindung zu entlocken – vergeblich. Wer den Roman mag, hat sicher auch Spaß an diesen Meta-Spielereien. Nötig wäre das nicht gewesen: „Unterleuten“ ist ein starkes Stück Literatur, gesellschaftskritisch und wortgewaltig. „Großer Gesellschaftsroman“ eben, in jeder Hinsicht. Barbara Hauschild & Christian Funke

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Einfach großartig!!

Buchhandlung Hugendubel, Petersstr.12, 04109 Leipzig

Von: Beate Leinweber aus Leipzig

10.06.2016

"Teilweise Spoiler"! Ich finde: Dieser neueste Roman von Julie Zeh ist einfach großartig und unbedingt lesenswert: Was als Roman, oder auch als eine Art Stück Aufarbeitung deutsch-deutscher Geschichte beginnt, entwickelt sich nach und nach und immer mehr zu einem äußerst klugen, psychologischen Kammerspiel, über menschliche Abgründe. Der Roman zeigt auf (anfangs sehr subtil, später immer deutlicher und drängender), was Neid und Missgunst, jahrelange, unter der Oberfläche brodelnde, unterdrückte Wut und lang gehegte, unausgesprochene Konflikte, gepaart mit einer gut funktionierenden Gerüchteküche im Menschen an sich und in einer kleiner Dorfgemeinschaft, wo die Nachbarn sich ein Leben lang kennen, anrichten können- wenn man nur einen passenden „Aufhänger“ findet, der den schon lange Zeit vor sich hin schwelenden Vulkan schließlich zum emotionalen Ausbruch bringt. Und wie erschreckend einfach es ist, eine kleine Gemeinschaft von Leuten so gegeneinander aufzuhetzen und so sich gegenseitig auszuspielen, dass Würde, Freundschaft und Anstand auf der Strecke bleiben- man braucht dazu nur ein paar gezielte Seitenhiebe. „Unterleuten“ mag zwar an manchen Textstellen etwas überspitzt wirken, aber im Kern trifft Juli Zeh mit ihrer ganz eigenen Beobachtungsgabe völlig ins Schwarze, meiner Meinung nach; sie legt quasi ihren Finger in die noch immer aktuelle, brisante Wunde, die (stellvertretend dafür) das Dörfchen Unterleuten in verschiedene Lager spaltet: Auf der einen Seite stehen die Menschen, die nach der Wende nie mehr so richtig auf die Beine kamen, dann sind da noch die Menschen, die den „alten Zeiten“ nachtrauern, oder die Einwohner, die die „neue Zeit“ als Chance sehen und schließlich kommen noch die vermeintlich reichen Zugezogenen aus dem „Westen“- und mittendrin ein Windpark, der neu gebaut werden soll... Und der letztenendes das Fass zum Überlaufen bringt, bzw. die vor sich hin brodelnden Probleme der Dorfgemeinschaft zum Überkochen. (Denn hier zeigt sich ganz deutlich ein weiteres gesellschaftliches Phänomen: Viele Bürger sind für die Abschaffung der Atomkraftwerke und wollen gerne die Energiewende haben- aber „bitte nicht vor der eigenen Haustür“.) Beeindruckend finde ich, mit welcher Genauigkeit die Autorin unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält: Unwillkürlich musste ich beim Lesen an solche Redewendungen wie „Schuld sind immer die Anderen“, oder „Jeder ist jedermanns Feind“, oder auch „Jeder ist sich selbst der Nächste“ denken, denn solche Sätze werden in diesem großartigen Gesellschaftsroman zur bedrückenden Realität. Toll finde ich den Schreibstil der Autorin: Sie schreibt einfach über gesellschaftliche und persönliche Abgründe, ohne dem Leser ihre eigene, ganz persönliche Meinung aufzudrängen, nein - sie schreibt ganz einfach so, dass man sich beim Lesen in die Protagonisten hineinversetzen kann, ob man dies nun will oder nicht, und Juli Zeh regt mit ihrem Roman „Unterleuten“ zum Nachdenken an. Also: Wie schon oben gesagt: Unbed

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Ein Lieblingsbuch der Deutschen in diesem Frühjahr. Die intelligente Juli Zeh bringt einen neuen Roman raus, manche ihrer Bücher waren mir zu seicht oder zu konstruiert, das hier ist ein Hammer, sicher ihr bestes Werk bisher. Erzählt wird das Leben in einem ostdeutschen Dorf, in dem Windkrafträder aufgestellt werden sollen. Dass das beim Öko-Zugezogenen, beim Ex-Stasi, beim alt eingesessenen Bauern und dem Neu-Kapitalisten, außerdem beim ganz normalen Volk zu Wirrungen führt, kann man sich denken. Exemplarisch vielleicht für Vorgänge in vielen anderen Dörfern destilliert Juli Zeh jeden einzelnen Charakter auf seine dunklen und hellen Seiten. Die Zustände und Meinungen wechseln während des Buches, die Winkelzüge der Kommunalpolitiker und Dorfältesten sind raffiniert, die Klischees der Zugezogenen treffsicher beschrieben. Dazu noch eine süffige runde Sprache. Lesen! Ganz lustig übrigens: Ich habe das Buch als ebook gelesen, und die erwähnten Hyperlinks im Buch lassen sich tatsächlich anklicken und führen den Leser auf (konstruierte?) Websites zu Windkraftanlagen oder Pferdezüchtern. Witzig. (5/5)

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Juli Zeh hat mit „Unterleuten“ einen Gesellschaftsroman geschrieben. Einen Roman, der den Mikrokosmos des Dorflebens in all seinen Eigenarten und Besonderheiten seziert. Dass gerade die Sozialdynamiken des Dorfes die Folie für diesen Gesellschaftsroman bilden, ist kein Zufall, denn das dichte Netz aus Perspektiven, Gerüchten und Geschichten exemplifiziert eine Art der Kommunikation, die mehr denn je unsere Realität konstituiert. Ein exzellentes Mosaik moderner menschlicher Beziehungen! Ausführliche Rezension: http://postmondaen.net/2016/05/29/juli-zeh-unterleuten-dorfroman-im-kommunikationszeitalter/

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