Nachdem mir „Der mexikanische Fluch“ von Silvia Moreno-Garcia schon so gut gefallen hatte, war ich sehr gespannt auf ihren zweiten Roman. „Die Tochter des Doktor Moreau“ ist inspiriert von dem 1896 erschienen Roman „Die Insel des Doktor Moreau“ von H. G. Wells und spielt auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Dort, tief versteckt im Dschungel und abgeschieden von der Welt, liegt das Anwesen des mysteriösen Doktor Moreau, das nicht nur von ihm und seiner Tochter, sondern auch von allerhand merkwürdigen Kreaturen, den Schöpfungen des Doktors, bewohnt wird.
Ein absolut spannendes Setting – schauerlich, atmosphärisch und großartig gezeichnet. Dabei ist „Die Tochter des Doktor Moreau“ wie schon Moreno-Garcias erster Roman ein wilder Genremix und lässt sich nicht so richtig einordnen. Es wird romantisch und ein bisschen gruselig, aber auch tiefgründig und moralisch. Denn die Geschichte spielt vor dem realen Konflikt des Kastenkriegs von Yucatán und beschäftigt sich nicht nur mit ethisch fragwürdigen Experimenten, sondern auch mit dem Umgang der europäischen Siedler mit der indigenen Bevölkerung Mexikos. Dabei geht es in Moreno-Garcias Roman bisweilen auch sehr hart zu – nicht übertrieben, sondern eher wohl sehr realistisch, wie man vermuten kann.
Eine gruselige Horrorgeschichte zum Thema Genexperimente in einer abgelegenen Gegend vor dem Hintergrund realer Konflikte? Kling erst einmal richtig gut und in ihrer Anlage ist die Geschichte das auch. Allerdings hat sie mich trotzdem bis zum Ende nicht wirklich erreicht. Die Handlung selbst kommt nur sehr langsam in Gang und zieht sich bisweilen wie Kaugummi – so richtig will einfach nichts passieren, obwohl die Hybriden des Doktors eigentlich so viel Stoff für eine packende Story bieten.
Hier ging mir das Ganze aber insgesamt zu wenig in die Tiefe. Weder wird thematisiert, wie der Doktor seine Experimente durchführt, wie er bei seinen Forschungen vorgeht und wie die Mischwesen aus Mensch und Tier eigentlich erschaffen werden – noch findet eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den historischen Konflikten statt. Alles wird irgendwie angekratzt, aber nicht so richtig zu Ende gebracht. Gestört hat mich hier auch die etwas aufgesetzte Lovestory um Carlota und ihren Verehrer. Ich hätte mir lieber mehr Thrill, mehr Grusel und mehr kluge Dialoge gewünscht. Denn die Dialoge waren mir insgesamt zu oberflächlich und zu schwülstig – zur Handlung haben sie nur wenig beigetragen.
Ich musste mich stellenweise sogar dazu zwingen, das Buch wieder zur Hand nehmen. In der Hoffnung, dass endlich irgendetwas passiert, ich mehr Details erfahre und mehr mit den Charakteren mitfiebern kann. Stattdessen blieb die Geschichte für mein Empfinden bis zum Schluss sehr zäh und wurde stellenweise durch Wiederholungen nur noch mehr aufgebläht. Sehr schade, denn wie gesagt: Die Grundidee, das Setting und die Atmosphäre sind eigentlich toll. Aber insgesamt fehlte mir bei „Die Tochter des Doktor Moreau“ einfach der rote Faden, das Ziel, der Sinn hinter der Geschichte. Und so bleibt bei mir am Ende leider nicht viel von der Story haften.