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Rezensionen zu
Das verlorene Paradies

Abdulrazak Gurnah

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Als im vergangene Jahr 2021 der Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah verkündet wurde, war hierzulande erst einmal keine große Resonanz, da ja, oh Schreck!, der Roman „out of print“ war. Es gab zwar 1998 eine deutsche Übersetzung von Inge Leipold, aber das Buch war vergriffen und keine neue Auflage in Planung, obwohl der Roman auch schon mal auf der Shortlist des Booker Preises (90er Jahre) stand. Zum Glück gibt es nun eine neu gesichtete Version des Romans um ein sehr hilfreiches Glossar am Ende erweitert. ‚Das verlorene Paradies‘ spielt zum Ende des 19. Jahrhunderts auf Sansibar und zieht sich im Laufe der Geschichte bis hinunter nach Mosambik. Hier auf Sansibar, wo auch der Autor 1948 geboren wurde, beginnt die Geschichte. Dem Paradies? Im Mittelpunkt steht der Junge Yusuf, der aus der Armut heraus von seinem Vater an den fliegenden Händler Aziz verkauft wird. Die Familie, die ein 4-Bett Hotel betreibt kann seine Schulden nicht mehr begleichen und gibt den Jungen fort. Dem 12jährigen wird das erst nach geraumer Zeit deutlich. Er wird zum Diener, zur Aushilfe und befreundet sich mit Kalil, einem anderen Junge. Der Roman strotz nur so von rassistischer Übergriffigkeit, ist allseits überzeichnet und deckt auf, dass es egal ist wer, wenn nieder macht, es ist immer ein Angriff. Hier im Roman wird das anhand der historischen Situation schön demonstriert durch die Gemengelage an kolonialen Eroberern (vor allem im Roman die Deutschen), sowie indische Händler und die arabischen Sultane aus dem Oman, die zuvor die Vorherrschaft innen hatten. Der Roman lebt von dieser multikulturellen, multiperspektivischen Verschachtelung. Gelungen ist aus meiner Sicht, dass hier zwar eine Geschichte erzählt wird, aber zugleich auch ein historischer Blick auf die Gemengelage an Kindersklaverei, an Kolonialismus, an Rassismus. Sehr gelungen und das noch mit Figuren, die trotz der ständigen Ausbeutung und Unterdrückung den Lebensmut und den humorvollen Sarkasmus nicht verlieren. Die Deutung über den Roman und die Parallelen zur Bibel hätte ich ohne einen Hinweis nicht erkannt. Hier wird wohl die Geschichte Genesis parallel stark erzählt, obwohl der Roman durch die arabische Vorherrschaft Suren des Korans vorherrschen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf liest es sich noch einmal etwas anders und der Titel rückt stärker in den Fokus: Paradies! Fazit: Egalitäre Sehnsüchte und Wünsche, darin sind wir Erdenbürger uns zu jeder Zeit gleich – eine zeitlose Feststellung.

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„Das verlorene Paradies“ ist die Neuauflage, die bereits 1994 erschienen ist und 2021 mit Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ende des19-Jahrhundert Ostafrika/Tansania. Sansibar ist einer der wichtigsten Handelspunkten vom indischem Ozean. Yusuf wächst als Einzelkind in sehr einfachen Verhältnissen in einem kleinen Dorf auf, wo auch sein Vater ebenfalls ein kleines Hotel betreibt. Doch das Hotel läuft nicht gut, sodass Yusuf Tag zu Tag hungrig ins Bett geht. Nur ein mal im Jahr, wenn Onkel Aziz zu Besuch kam, gibt es Festessen und obendrauf 10-Anna von seinem Onkel, worauf Yusuf den ganzen Jahr lang ungeduldig wartet. Doch als er zwölf wurde, ändert sich sein Leben von Heute auf Morgen. Dieses Jahr gibt es stattdessen eine glänzende Münze, leise Gespräche zwischen sein Vater und sein Onkel und innige Umarmungen von seiner Mutter. Denn sein geliebter Onkel ist in Wirklichkeit ein reicher Geschäftsmann, an dem sein Vater Geld verschuldet ist. Als Aziz sein Geld zurück haben wollte, welche die kleine Familie sowieso nicht hat, pfändet Aziz Yusuf, bis seinem Vater das Geld zusammenkratzt, um Yusuf zurückzukaufen. Fortan lebt Yusuf fern entfernt von seinem Eltern, arbeitet mit einem etwas älteren Jungen zusammen, welcher ebenfalls gepfändet wurde, in Aziz's Mischwarenladen und hilft bei der Pflege seines paradiesischen Garten. Als Aziz Yusuf auf die Karawanenreise mitnimmt, lässt das ganze Reisen den Jungen vorzeitig erwachsen werden... Bildgewaltig, detailreich, farbenfroh, doch immer mit der Schatten begleitet erzählt Gurnah das Heranreifen eines Jungen. Die Geschichte fängt sehr berührend an. Wir lernen Yusuf kennen, weinen, hoffen und träumen mit ihm. Doch in der Mitte des Buches verliert, meine Meinung nach, die Handlung seine Intensität. Da Yusuf auf Karawanenreise ist, tauchen viele Männer auf, die rülpsen, pupsen, gegenseitig mit unmöglichen Wörter schimpfen und beleidigen. Es war zwar realitätsnah und authentisch, aber wenn ich ehrlich bin, hat es mich gestört und das Ganze hat Yusufs Geschichte auf Zweitestelle gedrängt, was ich sehr schade fand. Doch das Ende holt Gurnah seine Leser*in wieder ans Bord. Obwohl das Buch recht anspruchsvoll ist, lässt sich es sehr leicht lesen. Auf einem, mir unbekanntem Land, in einem weit zurück liegenden Zeitpunkt reisen, war sehr interessant. Allerdings, wer kein Vorkenntnisse über die deutsche Kolonialzeit in Ostafrika und etwas Wissen über die Islamgeschichte hat, würde sich hier verloren fühlen. Zum Glück war es für mich nicht der Fall, sodass ich das Buch flüssig und ohne Verständnisprobleme sehr gern gelesen hab. „Das verlorene Paradies“ ist einer berührende, teilweise mystische, düstere und eine ganz andere Coming-of-Age-Geschichte, welche ich sehr gern gelesen habe.

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Yusuf ist zwölf Jahre, als er am Bahnhof nicht nur die wenigen Züge bestaunt, sondern selbst einsteigt und zum Meer fährt. Onkel Aziz, ein edler Kaufmann, nimmt ihn mit in seine Stadt am Meer, in sein Haus mit großem Garten, großen, Schatten spendenden Bäumen, Orangen und Granatäpfeln, einem großen Teich mit Springbrunnen und kleinen Kanälen. Yusuf ist zwölf, als er sein Paradies verliert, als sein Vater eine Schuld begleicht bei Onkel Aziz, der nie sein Onkel war, nun aber sein Seyyid wird. Die Jahre vergehen schnell fernab der Familie und Yusuf wächst heran zu einem bildhübschen Mann. Die abergläubischen Bewohner:innen der Gegend sprechen ihm heilige Kräfte zu. Um ihn zu schützen, nimmt der Seyyid Yusuf mit auf seine Karawane ins Landesinnere, lässt ihn Lektionen lernen und später bei einem Handelspartner in den Bergen zurück. Auch dort lernt er viel über das Leben, die Menschen, die Natur, Gott und über sich. Yusuf wird zum Talisman der reisenden Karawane und ein Glücksbringer, der von seinem Glück gar nichts weiß. Wovon er weiß, sind die vielen Fragen und die Worte der Männer, die meinen, die Askaris, die Deutschen kommen und nehmen, ohne zu geben. Auf seiner Reise erlebt der Protagonist das Ende des traditionellen Lebens in Ostafrika, das Bersten tribaler Strukturen und des althergebrachten Handels mit Waren und Sklaven. Die europäischen Mächte kolonialisieren den schwarzen Kontinent und zwingen ihm ihr Leben auf. Abdulrazak Gurnah schreibt auf 321 Seiten zuzüglich Glossar von dieser Zeit geradezu mystisch. Seine literarische Welt aus Glauben und Aberglauben, Gottvertrauen und Lästerung wird schattiert von Afrikas Wildnis, Weite, Brutalität, die zwischen den Menschen, so ungleich sie auch sein mögen, vertraute, manchmal sogar liebevolle Züge annimmt. Gleichwohl sind Armut und Unfreiheit Stützen einer sterbenden Kultur und Säulen des bereits 1994 erschienenen Romans ‚Das verlorene Paradies‘. Mit Gurnahs Durchbruchsroman ist hingegen keine Zeit verloren – ganz im Gegenteil. Gurnah hat ein modernes Märchen aus alten Zeiten zu Papier gebracht, das zwar durch seine Fülle an Namen und arabischen Begriffen den Lesefluss stört, nichtsdestotrotz mitnimmt in die multiethnische Welt Ostafrikas vor 120 Jahren. ‚Das verlorene Paradies‘ ist ein Roman, der nicht schont, der erbarmungslos ist wie die Steppe. Der verzaubert und mitreißt und moralisch wenig kommentiert, was einerseits verstört und andererseits ganz wohltuend ist und für tiefe innere Ruhe spricht. Mein Fazit: Anderthalb Daumen hoch.

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Die reichen, gefühlvollen Details von "Das verlorene Paradies" täuschen über die Brutalität des Söldnerkapitalismus im Afrika des frühen 20. Jahrhunderts hinweg. Während der Roman vordergründig als Coming-of-Age-Geschichte für Yusuf dient - ein 12-Jähriger, der bei seinem Entführer Onkel Aziz lernt - erkundet er auch den Zeitgeist eines Kontinents, der am Rande von Krieg und Kolonialismus steht. Abdularaz Gurnah setzt starke Charaktere ein, um den bevorstehenden Zusammenprall der Kulturen in Szene zu setzen. Der Autor verwendet die Symbolik von Zügen und Karawanen, um die unaufhaltsame Kraft der modernen Technologie und der Kriegsführung zu verdeutlichen, die dem afrikanischen Volk ihren Willen aufzwingt, und verleiht dem Werk einen unbestreitbaren Ton von Melancholie, Wehmut und Unausweichlichkeit. Während Yusufs Schicksal - und das von Khalil, seinem gleichaltrigen Mentor, Amina, seiner verbotenen Liebe, und Aziz - am Ende des Buches unklar ist, scheint er sich damit abgefunden zu haben, dass er keine Wahl hat und nicht in der Lage ist, ein gewisses Maß an Kontrolle über seine Zukunft oder die seines Landes zu erlangen. Hervorragend vorgetragen mit der angenehmen sonoren Stimme von Pierre Sanoussi-Bliss. Klare Hörempfehlung!

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„Das Verlorene Paradies“ ist der vierte Roman des Literaturnobelpreisträgers 2021, Abdulrazak Gurnah. Ursprünglich erschienen 1994, wurde es im Dezember 2021 neu aufgelegt. Protagonist ist Yusuf, der Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen Eltern in einer nicht näher beschriebenen kleinen Ortschaft in Ostafrika lebt. Als Heranwachsender wird er von seinen Eltern mit dem Kaufmann Aziz schickt, den er bisher als seinen Onkel kennt. Schnell erfährt er jedoch, dass Aziz nicht sein Onkel ist, sondern Yusuf ein Pfand für die Schulden seiner Eltern bei Aziz. Der Roman begleitet Yusuf beim Heranwachsen, auf den Reisen des Kaufmanns durch die sich zunehmend verändernde Generation. Den historischen Kontext bilden die Verbreitung des Islam in der Region, der Niedergang der arabischen Vorherrschaft in Ostafrika und die beginnende deutsche Kolonialherrschaft. Gurnah zeigt anschaulich, wie regionale Glaubenspraktiken die Interpretation des Islam beeinflussen, wie Überzeugungen der eigenen religiösen Überlegenheit verbunden mit der Kolonialherrschaft gesellschaftliche Spaltung befördern. Die Verbreitung des Islam führt zur Abwertung traditionalen Glaubens, obwohl der Großteil der Bevölkerung Arabisch gar nicht versteht. Die muslimischen Händler bilden zunehmend brüchige Allianzen mit den deutschen Kolonialherren, die die Handelstätigkeiten zulassen und den Händlern gegebenenfalls gegen die alte Elite des Landes, gegen skeptische Dorfhäuptlinge (unzuverlässige) Unterstützung bieten – was wiederum die vorhandenen innergesellschaftlichen Spaltungen vorantreibt. Auch die Pluralität der Gesellschaft wird deutlich, wenn muslimische Bevölkerungsteile auf die indische Diaspora stoßen, die durch die britische Kolonialherrschaft nach Afrika gelangt ist, oder wenn Stammestraditionen und muslimische Vorstellungen miteinander konkurrieren, wobei beide Seiten davon ausgehen, die legitimere Position zu vertreten. Frauen spielen sich am Rand ab, sind Besitztum und Versorgerinnen der Männer, im Sinne dessen, was von Yusuf gesellschaftlich erwartet wird einschüchternd für den Heranwachsenden, werden von der Öffentlichkeit und von Männern ferngehalten und treten, wenn sie in die Öffentlichkeit treten, als Mutter oder verrückte Alte auf. Man könnte diese traditionellen und stark religiös geprägten Geschlechtervorstellungen im Roman kritisieren, doch werden sie nicht verteidigt, sondern entsprechend des zeitlichen Kontexts realistisch dargestellt. Ebenso verhält es sich mit Homosexualität, die auf Yusuf ebenso einschüchternd wirkt wie Heterosexualität und Sexualität an sich, die aber nicht per se negativ dargestellt, sondern mehr oder weniger offen gelebt wird. Wer postkoloniale Literatur liest, ist angesichts aktueller Neuerscheinungen vermutlich zunehmend weibliche Perspektiven gewöhnt, erwartet vielleicht eine sexismus- und rassismussensible Sprache. Gerade die älteren postkolonialen Autor*innen wie Farah oder Gurnah folgen dem jedoch nicht immer, sondern nutzen oft bewusst auch pejorative Sprache, um die Deutlichkeit von Herrschaftsverhältnissen und Diskriminierung aufzuzeigen. Viele der meist männlichen Figuren bedienen sich sexistischer und rassistischer Formulierungen. Das kann irritieren, auch wenn es sehr gut passt, durch eine editorische Notiz eingeordnet wird und zur Authentizität beiträgt. Ich mochte den Roman sehr, weil der Autor mit scharfem Blick die gesellschaftlichen Spannungen einzufangen weiß, dabei den Heranwachsenden Yusuf empathisch porträtiert und nichts beschönigt oder die Komplexität der Situation durch monokausale Interpretationen vereinfacht. Stellenweise wird selbst die deutsche Kolonialherrschaft als ambivalent dargestellt, da sie eben für die Kaufmannseliten durchaus Vorteile bietet – auch wenn der Preis dafür vielleicht den Verlust des Paradieses bietet. Auch hier schwebt aber die unbeantwortete Frage im Raum, was die verschiedenen Akteur*innen unter Paradies verstehen mögen. Positiv ist auch die Übersetzung von Inge Leipold, die die Atmosphäre des Buchs sehr gut einfängt. Allerdings setzt Gurnah sehr viel Vorwissen voraus, das ich selbst nur studiumsbedingt habe und das nicht unbedingt bei allen potentiellen Leser*innen vorausgesetzt werden kann. Das erschwert den Zugang und eine generelle Empfehlung ohne vorhandenes Hintergrundwissen, auch wenn ich das Buch sehr gern weiterempfehlen möchte, weil ich es wirklich gut finde. Möglicherweise eignen sich aber andere seiner Bücher noch eher als Einstieg.

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