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Rezensionen zu
Hanne. Die Leute gucken schon

Felicitas Fuchs

Mütter-Trilogie (2)

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Der zweite Teil der Trilogie beginnt 1951. Das Land richtet sich nach den harten Kriegsjahren langsam wieder auf, aber einfach ist es nicht. Immer noch ein hartes Leben, das vom Verzicht bestimmt wird, muss jeder sehen, wo er seinen Platz findet, eine Arbeit und wie er Geld verdienen kann. Minna lässt sich von diesen Umständen nicht unterkriegen, sie ist stark, zäh und tut alles, um ihrer Tochter ein Dach über dem Kopf und Essen auf dem Teller zu bieten. Doch Minna erkrankt - wie so viele damals - an TBC und muss sich über Monate in Behandlung begeben. Später erkrankt auch ihre Tochter Hanne und muss sich jahrelang mit der Krankheit herumschlagen, die ihr Leben bestimmt. Hanne klagt nicht, sie ist ruhig, sittsam, wohlerzogen und fleißig, nur findet sie keine Arbeit, weil niemand jemanden mit TBC einstellen möchte. Die Angst vor einer Ansteckung ist trotz medizinischer Fortschritte und Impfungen zu groß. Dafür hilft sie im Theater aus, lernt Paul Wagner kennen und gibt ihrem eigenen Leben damit eine überraschende Richtung vor. In dieser Zeit ist eine uneheliche Tochter nicht gerade das, was man sich wünscht und das Leben erleichtert, aber auch hierfür findet Minna eine Lösung. Hanne, Anfang 20, ist mit dem Kind und der Situation total überfordert und das wird auch später nicht viel besser. Hanne ist irgendwann eine verbitterte Frau, die allen anderen die Schuld an ihrem Leben gibt, mit nichts zufrieden ist und den ersten Preis im Beklagen und Meckern bekäme, gäbe es ihn denn. Ihre Tochter erfährt unheimliche Ablehnung der Mutter und wenig Verständnis. Trotzdem wird Hanne positiv dargestellt, Fehler machen immer nur die anderen, vor allem die Männer. Es ist ein vor Feminismus triefendes Werk, das es sich viel zu einfach macht. Männer sind schuld, an allem, sie unterdrücken Frauen, sie machen ihnen Kinder und sie können es den Frauen nicht recht machen, auch wenn sie sich dumm und dämlich zahlen. Männer sind der Abschaum. Das ist das, was hängen bleibt und was dieses Buch so unendlich schwierig und fast schon schlecht macht. Es wird nicht differenziert, es wird nicht einmal eine wenigstens einigermaßen objektive, neutrale Haltung eingenommen, was man durch Äußerungen gewisser Figuren durchaus hätte geschehen lassen können. Aber jedes kleine Fünkchen wird sofort im Keim erstickt. Nun gilt das Werk als teilweise autobiografisch und da kann man natürlich nicht neutral und objektiv sein, da ist natürlich jeder andere Schuld an der eigenen Misere, da ist eine Reflexion sehr schwierig. Allerdings sind nicht alle Darstellungen wahrheitsgetreu und einige Figuren sogar erfunden, wie es am Ende des Buches angegeben wird. Das macht es noch viel schwieriger, dieses Werk überhaupt einzuordnen. Bei einer Biografie, die über die eigenen Vorfahren spricht, kann man gewisse Äußerungen und Einstellungen verzeihen, bei einem Buch, das so viel Fiktion enthält, dass es nicht als Biografie stehen kann, ist dies unmöglich. Hier verwischen Grenzen beliebig und nach dem eigenen Willen der Autorin, um - ja, warum? Um die eigene Familie immer positiv dastehen zu lassen, selbst wenn sie Fehler macht? Es bleibt schwammig und unklar. Das Zeitzeugnis, das man hier erkennt, ist immer noch positiv zu erwähnen, ist aber auch sehr einseitig beleuchtet. Man geht nun immer mehr weg von den geschichtlichen Ereignissen, bleibt bei Männerhass hängen und der ewigen Schuld, die auf den Deutschen ruht, auch wenn die neuen Generationen nichts, aber auch rein gar nichts mehr für den Krieg können und sich sehr wohl bewusst sind, was damals passiert ist, aber eben einfach keine Schuld mehr daran haben und dieses Kainsmal endlich ablegen wollen und dürfen. Stellenweise fällt es schwer, weiterzulesen oder zu hören. Man möchte dieses zu subjektive Werk mit teilweise sehr engstirnigen Ansichten und dem Anspruch, Wahrheit und Biografie zu sein, nicht mehr ertragen müssen. Und doch macht man weiter, denn eines kann Fuchs: Ihre Leser bei Laune halten. Man möchte schon wissen, wie es weitergeht, hofft immer noch auf diese historische Komponente, die allerdings immer mehr verschwindet, da Hanne sich nicht für Politik und das Zeitgeschehen interessiert und damit leider sehr viel Potential verschenkt. Aber Minna wird alt, verändert sich, wird ruhiger, auch etwas demütig. Man hat die Figuren fast schon liebgewonnen und nimmt Anteil an deren Schicksal, möchte natürlich wissen, wie es weitergeht und irgendwann auch endet. Am Ende gibt es einen krassen Cut und einen Zeitsprung, der recht willkürlich erscheint, aber doch sehr viel Spannung für den dritten Teil aufbaut, wenn Romy im Mittelpunkt steht, die ganz anders ist als ihre Mutter und sich in einer anderen Zeit behaupten muss, mit ihren eigenen Träumen und Fehlern. Eingelesen ist das Buch von Irina Scholz. Gekonnt haucht sich den Figuren Leben ein, hat sich Gedanken macht, wie jemand klingen könnte, hat sich damit auseinander gesetzt, wie die einzelnen Charaktere beschrieben wurden und setzt das Ganze stimmlich wahnsinnig gut um. Es ist toll, ihr dabei zuzuhören, wie sie Minna zum Leben erweckt, Hanne verzweifeln lässt, Lebenslust und Lebensfrust hörbar macht.

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„Aber weißt du, wenigstens in Büchern, Liedern und Filmen will ich einen blauen Himmel, schöne Gegenden und glückliche Menschen haben.“ (S. 196) Hanne ist der zweite Teil der Mütter-Trilogie und schließt unmittelbar an den ersten an. Minnas Geschichte fing 1920 in Düsseldorf an und der erste Band endete in den 50er Jahren in Minden. 1952 ist Hanne elf Jahre alt und Minnas einzige Tochter. Sie leben zusammen in einer kleinen Wohnung in Minden; der Vater von Hanne hat Minna für eine andere Frau verlaßen. Der zweite Teil endet im Jahre 1978, nicht lange nach dem Epilog des ersten Teils. Hannes Geschichte ist keine sehr schöne. Sie ist ein Kriegskind, wächst ohne Vater auf und obwohl ihre Mutter Minna recht modern ist, sind es die anderen Menschen meistens nicht. Doch die schwierige Schulzeit ist nicht ihr einziges Problem, denn sie steckt sich bei Minna mit Tuberkulose an und muß ständig für mehrere Monate in Heilanstalten verbringen. Die Tuberkulosekrankheiten von beiden haben ihre Leben nachhaltig verändert. „Die Leute gehen nicht zu einer, die TB hatte, weil sie Angst haben, sich anzustecken. Dabei hätten sie mich in Bad Lippspringe gar nicht entlassen, wenn ich noch ansteckend gewesen wäre[…].“ (S. 99) Obwohl Hanne die Größe und Schlankheit von Minna geerbt hat, ist sie längst nicht so durchsetzungsfähig wie sie. Sie gibt nie Widerworte, ist sehr ergeben und ein stilles Kind, das zu einer naiven jungen Frau heranwächst. Weil Minna ihre Tochter beschützen will, trichtert sie ihr ein, ja nicht mit einem Kind nach Hause zu kommen. Wie diese entstehen, das erzählt sie ihr allerdings nicht. Während Minna meistens fröhlich war, trotz Krieg, Armut und treulosen Männern, ist Hanne vor allem still. Sie nimmt vieles irgendwie hin und ist hauptsächlich unglücklich, geradezu verbittert. Diese Reihe strotzt nur so vor unangenehmen Männern, die geheiratet werden, und von Schicksalsschlägen, die einen nahezu in den Keller ziehen. Minna hatte genug Kraft, sich aus allem herauszuziehen und immer das Beste aus den Situationen zu machen, während Hanne wie eine Blume eingeht. „Sie hatte nie gelernt, glücklich zu sein, den Moment zu genießen, den Augenblick zu leben. Ihre ganze Kraft hatte sie immer darauf verwendet, sich nicht anmerken zu lassen, wie sie sich fühlte.“ (S. 527) Obwohl ich bei diesem Buch lange, deprimierende Strecken hatte, hat mich die Geschichte um Hanne ebenso fasziniert wie die von Minna. Im ersten Buch wurde ein großes Familiengeheimnis erwähnt und ich hatte schon die wildesten Vermutungen. Nach diesem Buch ist ein großer Teil dieses Mysteriums (dem Leser) bekannt, jedoch noch nicht ausgesprochen. Der Epilog legt nahe, daß es genau darum im dritten Teil Romy – Mädchen, die pfeifen gehen wird. Dieses Buch erscheint in diesem Sommer und ich bin schon sehr gespannt, wie die Trilogie zu Ende geht.

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