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Rezensionen zu
Prosaische Passionen

Sandra Kegel

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€ 40,00 [D] inkl. MwSt. | € 41,20 [A] | CHF 52,50* (* empf. VK-Preis)

Ich habe ein neues Leseprojekt, welches perfekt zum heutigen Weltfrauentag passt. Seit ein paar Wochen lese ich das wunderbare kostbare und himmlisch schöne Buch Prosaische Passionen. Die Literaturkritikerin Sandra Kegel hat in diesem Band 101 Kurzgeschichten ausschließlich von Autorinnen herausgegeben. 101 sozusagen als Pendant zu den 1001 Geschichten aus 1000 und einer Nacht. „“Frauenliteratur gibt es nicht – genauso wenig wie Linkshänderliteratur oder Rothaarigenliteratur“, definierte die schottische Autorin A. L. Kennedy vor ein paar Jahren, weil Schriftsteller so unterschiedlich seien wie alle Menschen und die Ausdrucksformen und ihre Interessen „so variabel und unvorhersehbar, wie jeder vernünftige Psychologe (und jeder vernünftige Mensch) erwarten dürfte.““ Das Buch erschien bereits im vorletzten Jahr, ist mir aber jetzt erst zugefallen und mir war klar, dass ich den knapp 1000-Seiten-Band sicher nicht in einem Zug durchlesen werde. Deshalb lese ich (ähnlich habe ich es schon beim Leseprojekt Uwe Johnsons Jahrestage gehandhabt) täglich als zusätzliches Pensum, vorzüglich morgens noch vor meiner „normalen“ Lektüre, eine der Geschichten und blättere dann meist sofort neugierig zur Autorinnenbiografie am Ende der Sammlung. Es ist ein weites Feld und ich kann es jeder/m nur empfehlen. Welch eine Fülle! Passend außerdem zu meinem Vorhaben mehr Erzählungen zu lesen. So bin ich 101 Tage lang mit „Frauen lesen“ beschäftigt. Schon jetzt kann ich sagen, dass einige Perlen dabei sind. Teilweise sind es Namen, die ich noch nicht gehört hatte, teilweise bekanntere. Von manchen werde ich sicher noch mehr lesen. Sandra Kegel hat ihre Auswahl eingegrenzt auf die Geburtsjahrgänge der Frauen: 1850 bis 1921. Sie hat Geschichten aus Europa, aber eben auch aus Südamerika, Asien und Afrika ausgewählt und ich freue mich über diese Vielfalt. Und ich hoffe, dass dieser Band eine Fortsetzung mit den jüngeren Jahrgängen erhält. Kegel startet mit Sofja Tolstoja, der einzigen Frau, die etwas früher geboren wurde. Und es ist eine würdige Erzählung, die hier den Anfang macht, ist sie doch eine Hommage an die Musik und die darin verborgene Verbindung zum Göttlichen. Meine Favoritinnen auf den ersten 130 Seiten (so weit bin ich bis jetzt gekommen), sind Kate Chopin, Selma Lagerlöff, und mir gänzlich unbekannt George Egerton (ein männliches Pseudonym, wie so oft in dieser Zeit), in Irland aufgewachsen und Sui Sin Far, Tochter eines Engländers und einer Chinesin. Ganz hervorragend feministisch ist die Erzählung “ Wenn ich ein Mann wäre“ von Charlotte Perkins Gilman. Sie beschreibt, wie es wäre, wenn die Protagonistin als ihr Ehemann morgens das Haus verlassen und mit den Kollegen im Zug ins Büro fahren würde. Die Erzählung entstand 1914! „Und während sie sprachen, gelangte mit diesem neuen Gedächtnis und diesem neuen Begreifen, das den Geist all dieser Männer zu erfassen schien, ein neues und verstörendes Wissen in das unterschwellige Bewusstsein – das Wissen, was Männer wirklich von Frauen halten. […] Im Kopf von jedem Einzelnen und bei allen zusammen existierte offenbar ein Untergeschoss, das nichts mit den übrigen Gedanken zu tun hatte, ein abgesonderter Ort, der ihre Gedanken und Gefühle Frauen gegenüber enthielt.“ Sandra Kegel hat hier wirklich große Arbeit geleistet. Im Anhang finden sich ausführliche Biographien zu den Autorinnen. Zudem gibt es zu jeder Geschichte den Hinweis, wann sie entstand und in welchem Kontext sie zu finden ist. Natürlich werden hier auch die vielen Übersetzer*innen aus 25 Sprachen genannt. Im Nachwort von Kegel, in dem auch der Entstehungsprozess dargelegt wird, liest man gleich eingangs von der Gruppe 47, die vorrangig aus männlichen Teilnehmern bestand und zu der ab und an auch eine Schriftstellerin eingeladen wurde. Nicole Seifert hat zu diesem Thema gerade ein Sachbuch herausgegeben „einige Herren sagten etwas dazu“, welches schon hier zur Lektüre bereit liegt.

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Wow! Ich bin geflasht, geplättet, baff! Auch wenn die Beschreibung meiner Reaktion, als ich diese Anthologie erstmals in den Händen hielt, etwas salopp anmutet, so kann ich meinen Eindruck zu diesem Buch nicht anders wiedergeben. Es ist nicht nur ein großes (in Bezug auf die Seitenzahl) Buch sondern auch ganz und gar großartiges Buch: 101 Short Storys aus 25 Weltsprachen von 101 Autorinnen auf über 900 Seiten (incl. einem Anhang aus Nachwort, Autorinnenviten und Quellenverzeichnis). Dabei kommen die Erzählungen der versammelten Damen nicht immer so artig daher – doch davon später mehr. Es ist nun mehr als drei Jahren her, da echauffierte sich die Blogger-Gemeinschaft über eine neue Buch-Edition der „Süddeutschen Zeitung“ mit 10 Werken, die (angeblich) in keiner Sammlung fehlen dürften. Stein des Anstoßes: Es handelte sich hierbei ausschließlich um Werke von Männern. In meinem Beitrag Diversität „auf Teufel komm’ raus“: Bitte nicht! habe ich damals meine Meinung ausführlich kund getan, zu der ich heute noch stehe. Nun warte ich auf die ersten Unkenrufe, die bemängeln, dass in dieser nun vorliegenden Auswahl keine Männer vertreten sind. Meine Antwort darauf: Geht’s noch?! Habt Ihr keine anderen Probleme?! Mal gibt es Anthologien, die eine bunte Mischung (m/w/d) präsentieren, dann liegt der Schwerpunkt eher bei den Männern, und in diesem Fall geht es eben um die weibliche Sicht. Und diese kann sich durchaus von der männlichen Sichtweise unterscheiden bzw. im Laufe der Jahr(zehnt)e wandeln und verändern – abhängig von Ort und Zeit, will sagen: In welchem Jahrhundert, in welchem Land und vor welchem kulturellen Hintergrund hat die jeweilige Autorin gelebt und gewirkt. Für diese Anthologie hat Herausgeberin Sandra Kegel sich einer wahren Mamut-Aufgabe gestellt und diese mit Bravour gemeistert. So decken die hier von ihr zusammengetragenen Geschichten einen Zeitraum von Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des 20. Jahrhunderts ab und spiegeln so nicht nur die Veränderungen innerhalb der Gesellschaft sondern auch den Wandel im (Selbst-)Bild der Frau wieder. Von den genannten Autorinnen war mir nur ca. ein Fünftel namentlich bekannt, was nicht bedeutet, dass ich darum schon etwas von ihnen gelesen hatte. Da berichtet Agatha Christie in Die Fahrt auf der Themse über eine Frau, die Menschen nicht mag und der es somit schwer fällt, zwischenmenschliche Floskeln gesellschaftskonform anzuwenden. In Eine Heidin in der St. Paul´s Cathedral setzt Tekahionwake ihren Eindruck beim Besuch des besagten Gotteshauses aus grauem Stein im Vergleich zu den Ritualen ihres Stammes in der Erhabenheit der Natur. Sofia Tolstaja erzählt in Eine ganz überflüssige Bekanntschaft von den Gefühlswallungen beim Zusammentreffen einer verheirateten Frau mit einem Fremden, der sich über die Musik zu erkennen gibt. In Die Träumerin von Chawa Schapira begräbt die Titelheldin im Laufe ihres Lebens ihre Wünsche und Hoffnungen in ihrem Herzen, um den Erwartungen gerecht zu werden, die an sie gestellt wurden. Charlotte Perkins Gilman lässt in Wenn ich ein Mann wäre ihre Heldin in den Körper des Gatten schlüpfen und ermöglicht ihr so eine andere, doch nicht unbedingt angenehmere Sichtweise. Der Mond überm Dachfirst scheint bei Higuchi Ichiyo auf eine Ehefrau und Mutter, die sich standhaft den Avancen eines älteren, ebenfalls verheirateten Mannes verwehrt. Dorothy Parker lässt uns in Der Walzer an den bissig-ironischen Gedanken einer jungen Frau teilhaben, die mit ihrem Tanzpartner kein Glück hat, da dieser sich als allzu tollpatschig herausstellt. Dafür hat Die Tänzerin bei Patricia Highsmith einen kongenialen Partner, dem sie sich bewusst sexuell verweigert, um so den gemeinsamen Tango leidenschaftlicher zu zelebrieren. Bei Marlen Haushofer in I’ll Be Glad When You’re Dead… lauschen wir dem Monolog einer Frau, die sich von ihrem bisherigen Leben gelöst hat und nun mit sich, ihren Mit-Menschen im Besonderen und der Welt im Allgemeinen abrechnet. Die Frauen in diesen Geschichten sind alle Individuen: Es gibt nicht die Frau. Es gibt nicht das Bild, wie eine Frau zu sein hat. Die Frauen in diesen Geschichten sind melancholisch und kokett, mitfühlend und berechnend, ernst und verschmitzt, liebevoll und verschlossen, sympathisch und abstoßend. Sie lachen und lieben, leiden und leben, weinen und singen, tanzen und verzweifeln, und manches Mal sterben sie auch. Sie bieten uns ein buntes, vielschichtiges Kaleidoskop an Lebensentwürfen, die zwischen den Extremen von Freude und Lebenslust bis Resignation und Verbitterung hin und her pendeln. Dieses Buch präsentiert sich und seine Geschichten wie eine bunte Schatulle, die wertvolle Schmuckstücke in sich beherbergt. Niemand würde alle Schmuckstücke gleichzeitig aus der Schatulle nehmen und sich mit ihnen behängen. Im Gegenteil: Besonnen nimmt man – je nach Anlass – mal dieses, mal jenes Schmuckstück aus der Schatulle, um sich an ihm zu erfreuen. Und genau so verhalte ich mich mit diesem Buch. Ich habe bei weiten noch nicht alle Geschichten gelesen. Ich will auch nicht alle Geschichten in einem Rutsch lesen. Ich verweigere mich! Vielmehr möchte ich jede Geschichte als Solitaire für sich allein auf mich wirken lassen, um so ihre literarische Schönheit gebührend würdigen zu können. Und so liegt dieses wunderbare Buch griffbereit auf dem Tischchen neben meinem Lesesessel und hat dort vielleicht seine Heimstätte für die Ewigkeit gefunden: Denn es gibt sie – die Bücher, die immer wieder und wieder zur Hand genommen werden müssen.

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Klassikerinnen

Von: Ingeborg Rosen

17.12.2022

Das dicke Buch mit dem wunderschön gestalteten Cover in der Hand zu halten ist allein schon ein Glück! Und dann geht es quasi atemlos vor Hochachtung weiter, mit welchem Engagament, Fachwissen und wahrscheinlich auch einer gesunden Neugier Sandra Kegel diese Anthologie auf die Beine gestellt, bzw. zwischen zwei Buchdeckel gefüllt hat. Berufenere Köpfe als ich haben sicher schon darüber geschrieben: jetzt ist klar belegt, dass das Fehlen von Literatur von Frauen nicht an mangelndem Talent der Autorinnen gelegen hat und das Schreiben offensichtlich eine männliche Domäne sei - nein, hier wird in über 700 Seiten deutlich nachgewiesen, dass Frauen auf der gesamten Welt sich immer schon literarisch geäußert hatten, von der männlich dominierten Literaturwelt aber mit Absicht klein gehalten wurden. Ich kann leider nicht behaupten, dass ich schon alles gelesen habe, außerdem habe ich hinten bei dem brillanten Nachwort der Herausgeberin angefangen und mich auch gerne von den vielen mir bislang unbekannten Namen/Biographien der Autorinnen festgelesen - mache der Viten würden ja schon Stoff für einen eigenen Roman bieten …

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Vor hundert Jahren gab es noch nicht so viele schreibende Frauen – das hört frau immer wieder als Antwort auf die Frage, warum der Literaturkanon so männlich (und weiß) ausfällt. Das Auswahlkriterium sei selbstverständlich nur die literarische Qualität, nicht das Geschlecht oder die Herkunft. Wirklich? Das vorliegende Buch ist eine wunderschön gestaltete Schatzkiste, die diese Behauptungen ad absurdum führt. Es versammelt 101 Geschichten, ausschließlich von Autorinnen der Moderne, also der Geburtsjahrgänge von ca. 1845 bis 1920, aus allen Teilen der Welt. Die Werke wurden aus 25 verschiedenen Sprachen übersetzt und liegen teilweise erstmals auf Deutsch vor. Wie viel aus dem Koreanischen, Persischen oder der Sprache Urdu übersetzte Prosa kennt Ihr? Wie viele Autorinnen vom afrikanischen Kontinent oder aus Neuseeland sind Euch geläufig? Eben. Aber es gibt sie – nicht erst seit gestern - und sie sind großartig! Ein umfangreiches Nachwort der Herausgeberin Sandra Kegel ordnet die literarische Epoche der Moderne ein und informiert über die Lebens- und Arbeitsbedingungen schreibender Frauen in aller Welt. Kegel erklärt die Herangehensweise an die vorliegende Zusammenstellung, in der große, bekannte Namen wie Agatha Christie, Virginia Woolf oder Selma Lagerlöf neben in Deutschland völlig unbekannte Autorinnen wie Tekahionwake oder im Schatten von Männern stehenden Frauen wie Sofia Tolstaja (die Ehefrau von Lew Tolstoi) gestellt werden. Um tiefer eintauchen zu können, werden im Anhang die Lebensgeschichten aller enthaltenen Autorinnen dargestellt. Die Kurzgeschichten in dieser Sammlung sind so unterschiedlich und vielfältig wie die Frauen der Welt es sind. Da gibt es z.B. „Eine ganz überflüssige Bekanntschaft“ (S. 5 ff), in der Sofia Tolstaja die Begegnung einer Dame mit einem Musiker beschreibt, der ihr ein ungeahnt intensives Hörerlebnis beschert. Die Waliserin Kate Roberts erzählt in „Heimkehr“ (S. 388 ff) von einer Frau, die gleichzeitig alt und doch ein junges Mädchen, verstrickt in ihre Kindheitserinnerungen zu sein scheint, übersetzt aus dem Walisischen. Einerseits als altes Weiblein verspottet von Schuljungen, spricht sie andererseits mit ihren Eltern und zitiert walisische Kinderreime wie früher. Besonders gefallen hat mir eine Kurzgeschichte von Marlen Haushofer mit dem Titel „I’ll Be Glad When You‘re Dead…“ (S. 763 ff). Es ist das Gespräch einer geschiedenen Ehefrau mit ihrer Freundin, von dem wir nur den Part der monologisierenden Ehefrau lesen, die sich Kognak trinkend den Abend versüßt, während sie der Freundin (und sich selbst) den Grund des Scheiterns ihrer Ehe erklärt. Eine völlig andere Weltsicht begegnet der Leserin in der Geschichte „Eine Heidin in St. Paul’s Cathedral“ (S. 53 ff), übersetzt aus dem Onondaga-Englisch, verfasst von der indigenen Kanadierin Tekahionwake. Sie wurde als Tochter eines Mohawk-Häuptlings und einer Engländerin in einem Reservat in Ontario geboren. Anlässlich ihres ersten Besuchs in der Hauptstadt der Kolonialmacht England schildert sie ihre Eindrücke der alten Welt. Den König von England bezeichnet sie als den „Großen Weißen Vater“, der „im Hohlraum seiner Hände den Frieden zwischen den einst miteinander verfeindeten Roten und Weißen bewahrt“, der in seinem „Wigwam“ lebt, „von den Bleichgesichtern Buckingham Palace genannt“ (S. 53). Sie betritt die Kathedrale und weiß, dass sie sich in einem fremden sakralen Raum befindet. Ich kann dieser Zusammenstellung mit meiner Rezension nicht annähernd gerecht werden. Jede einzelne Geschichte wäre der Erwähnung wert. Das Buch ist ein Geschenk, das seine Leserinnen und Leser lange Zeit erfreuen wird. Dieses faszinierende Buch soll auf meinem Lesetisch noch lange liegen bleiben, so dass ich es immer wieder an anderer Stelle aufschlagen und etwas Neues entdecken kann. Viele, viele Männer und Frauen sollen sich an diesen schönen Worten und Geschichten erfreuen, von denen uns etliche so lange gefehlt haben, ohne dass wir es wussten. Und dann wollen wir noch eine und noch eine und noch eine solche schöne Sammlung mit verschütteten Perlen haben. Warum sollten wir auf so großartige Literatur weiterhin verzichten?

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Diese Anthologie über große Literatinnen ist eine wahre Freude und in der Tat umfangreich! Es enthält 101 Kurzgeschichten von 101 Autorinnen aus aller Welt. Es sind Übersetzungen aus 25 Sprachen und hier ist spannend, dass es Kurzgeschichten in dieser Sammlung gibt, die bisher noch nicht ins Deutsche übertragen wurden. Genauso gibt es auch Neuübersetzungen. Weibliche Literatur ist hier geballt zu finden und ist ein Gegengewicht zu der doch dominierenden männlichen Schreibkunst, die wir alle kennen aus dem letzten Jahrhundert. Dieses Buch zeigt uns was es noch zu entdecken gibt, eine unerwartete Fülle und Variation. Und vor allem nicht nur in Europa, ein Bild der globalen weiblichen literarischen Schaffenskunst. Natürlich liegt mit dieser Anthologie nur ein Ausschnitt der schieren Vielfalt vor und es wurden die Geburtsjahrgänge 1850 bis 1921 gewählt mit einer einzigen Ausnahme: Sofja Tolstaja (geboren 1844). Aber selbst in diesen Geburtstjahrgängen gibt es Schriftstellerinnen, die leider nicht enthalten sind. Sprich diese Sammlung ist der Beginn einer Entdeckungsreise für uns alle! Simone Beauvoir, Agatha Christie und Doris Lessing gehören sicherlich zu den bekanntesten Autorinnen in der Sammlung. Aber wie steht es um Sui Sin Far oder Florbela Espanca oder Ulfat Idilbi? Ich habe einige spannende Entdeckungen gemacht, die mir sehr gut gefallen haben. Dazu helfen hinten im Buch die Autorinnenviten. Hier gibt es zu jeder Autorin einen kurzen Lebenslauf und ihre Werke. Hochspannend und hilft auch Weiteres dieser vielen Damen zu erkunden. Meine Leseliste und meine Lust auf Klassikerinnen ist stark angestiegen! Die einzige marginale Kritik die ich an diesem tollen Buch äußern kann:Das Nachwort von Sandra Kegel ‚Schreiben, um nicht zu sterben‘ hätte ich gerne an den Anfang gestellt. Ich habe es nach ca 10 Kurzgeschichten gelesen und wäre auch gerne mit dieser Einstimmung in die Texte gestartet. Die Herausgeberin dieser Anthologie, die auch Feuilletonchefin der FAZ ist, rundet das Bild der Kurzgeschichten gekonnt und gut ab. Auch ein lesenswerter Text mit der Gegenwartsbrille auf die short stories. Fazit: Mehr Modernistinnen lesen!

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Auszug aus der Produktbeschreibung: Diese erste globale Prosasammlung weiblichen Schreibens um und nach 1900 zeigt: Die literarische Moderne war ganz wesentlich weiblich! Nicht nur in Europa, überall auf der Welt veränderte sich das künstlerische Selbstverständnis von Frauen von Grund auf. Sie eroberten sich kreative Freiräume, machten weibliches Denken und Fühlen literaturfähig, vor allem aber schufen sie große Erzählkunst und behaupteten sich so auf dem Feld der Hochliteratur, die bis dahin als exklusive Männerdomäne galt. Ab 1900 ist Weltliteratur nicht mehr bloß ein Gruppenbild mit Dame. Eine eigene Inhaltsangabe zu dieser fantastischen Kurzgeschichtensammlung fällt mir dann doch etwas schwer. Die Herausgeberin Sandra Kegel hat eine wunderbare Auswahl an Kurzgeschichten zusammen getragen, die von mal mehr, mal weniger bekannten Autorinnen geschrieben wurden. Mir waren tatsächlich nicht alle bekannt, da waren die Autorinnenviten am Ende des Buches mehr als hilfreich, immer wieder habe ich nach dem Lesen der einzelnen Storys nachgelesen, um wen genau es sich eigentlich handelt.Da waren die Lebensläufe der Autorinnen teilweise genauso interessant wie ihre Geschichten und manchmal sogar sehr viel spannender. Stellvertretend dafür nenne ich hier die Autorin Halide Edip Adivar, die 1884 in Konstantinopel geboren wurde. Sie ergriff den Beruf der Lehrerin und heiratete mit siebzehn Jahren. Als ihr erster Mann eine zweite Frau heiratete, bestand sie auf der Scheidung. Später wurde sie die Symbolfigur für alle im Türkischen Befreiungskrieg kämpfenden Frauen. Ihre Geschichte um das Mädchen Rabia machte mich traurig, ein kleines Mädchen, das sich selbst verleugnet. Aus Angst vor der Hölle, die ihr der Großvater ihr bildhaft beschreibt, ist sie folgsam und nachgiebig, sie gibt niemandem Anlass zur Klage. Ihre Erfüllung findet das Kind, als sich herausstellt, dass sie ein besonderes Talent dafür hat, den Koran auf besondere Art und Weise zu rezitieren. Ich muss zugeben, dass ich nicht genau weiß, was die Autorin mir mit ihrer Geschichte sagen will. Es blieb nur dieses Gefühl von Traurigkeit in mir zurück. Anders die zweite Geschichte der Sammlung. Die Geschichte einer Stunde von Kate Chopin. Der herzkranken Mrs. Malland wird schonend beigebracht, dass ihr geliebter Mann Opfer eines Unglücks geworden sei, nach einem kurzen Zusammenbruch zieht sie sich in ihr Zimmer zurück, um dort langsam zu begreifen, was sein Tod für ihr Leben bedeutet: Freiheit. Denn trotz aller Liebe war sie immer dem unterworfen, was ihr Mann für richtig hielt. Leider nimmt diese Geschichte ein eher tragisches Ende. Die Autorin hat es geschafft, die ganze Palette an Gefühlen auf nicht einmal vier Buchseiten unterzubringen. Die ganz hohe Kunst der Kurzgeschichte, die nur einen Ausschnitt im Leben der Protagonistin zeigt. Und doch kann man sich vorstellen, was vorher war und wie es im besten Falle weitergegangen wäre. Teilweise sind die Themen auch in der heutigen Zeit noch aktuell, sie handeln von Gleichberechtigung, Mutterschaft und der Unterdrückung der Frau und ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit. Natürlich gibt es unter den 101 Short Stories die eine oder andere, die mich nicht ganz überzeugen konnte, aber der Gesamteindruck war durchweg positiv. Ich werde das Buch sicherlich noch häufiger in die Hand nehmen, um die eine oder andere Geschichte nochmals zu lesen und vielleicht erreichen mich dann auch die wenigen unter ihnen, die mich beim ersten Lesen nicht ganz überzeugten. Bei denen, die ich liebte und das ist der Großteil, freue ich mich jetzt schon auf einen erneuten Lesegenuss.

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Tolle Sammlung!

Von: Naraya

10.11.2022

Jahrhundertelang spielte Literatur von Frauen nur eine untergeordnete Rolle. Autorinnen wurden bewusst unsichtbar gemacht; stattdessen wurde darauf verwiesen, dass es in einer bestimmten Epoche eben keine oder nur wenige bedeutende schreibenden Frauen gegeben habe. Mit der vorliegenden Ausgabe rückt der Manesse Verlag Schriftstellerinnen der Moderne nun ins rechte Licht. Herausgegeben von Sandra Kegel ist so eine bemerkenswerte Anthologie entstanden, die weibliches Schreiben aus mehr als 50 Ländern gebührend würdigt. Der Fokus der – übrigens auch wunderschön anzusehenden – Ausgabe liegt auf Kurzprosa. Konkret wurden Autorinnen der Geburtenjahrgänge 1850 bis 1921 ausgewählt; mit Ausnahme der 1844 geborenen Sofja Tolstaja, die den Anfang macht. Die ingesamt 101 Short Stories umfassende Sammlung endet mit der 1921 geborenen Eileen Chang und enthält viele große, bekannte Namen: Selma Lagerlöf, Charlotte Perkins Gilman, Else Lasker-Schüler, Virginia Wolf, Agatha Christie, Simone de Beauvoir, Tove Ditlevsen – um nur einige zu nennen. Übersetzt wurde dabei aus 25 Sprachen, teilweise zum ersten Mal oder komplett neu. Ob es ein typisch weibliches Schreiben gibt, ist bereits vielfach diskutiert worden. Deutlich wird in dieser Anthologie aber, dass Frauen durchaus andere Themen umtreiben als Männer. So beschäftigen sich die Texte oft mit der zwanghaften, einengenden Struktur der Ehe und dem Wunsch nach Unabhängigkeit. Darüber hinaus sind die ungerechte, stereotype Verteilung von Aufgaben (Männer im Beruf, in der Außenwelt, Frauen im Haushalt, in der Innenwelt) ebenso Motiv, wie sexuelle Selbstbestimmung oder Mutterschaft. Interessant ist hierzu auch das Nachwort der Herausgeberin. Eine Sammlung wie diese erfordert immer eine gewisse Auswahl, welche in „Prosaische Passionen“ jedoch sehr gut gelungen ist – sei es, was Inhalt oder Struktur der Texte oder den Kulturkreis der Autorinnen betrifft. Meine einzige, winzige Kritik ist, dass oftmals Auszüge aus Romanen verwendet werden, wodurch der Kontext fehlt. Umso größer die Motivation, die Sammlung als Startpunkt für weitere Lektüre zu verwenden.

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