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Rezensionen zu
Die Verlassenen

Matthias Jügler

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Es ist ja schon viel über diesen Roman geschrieben worden, und dem einhelligen Lob will ich mich gern anschließen: Starke Bilder, starke Sprache, wichtiges Thema, großartiges Buch und bis zur letzten Seite spannend. Und eine völlig neue Sicht auf das Thema DDR. Ich glaube, das ist, was mir am meisten daran gefällt.

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Die schmerzende Ungewissheit sitzt tief

Von: Kristall86 aus An der Nordseeküste

22.04.2021

!ein Lesehighlight 2021! Klappentext: „Was würde man lieber vergessen, wenn man könnte? Johannes blickt zurück auf eine ostdeutsche Kindheit, die von feinen Rissen durchzogen war. Der frühe Tod seiner Mutter, das rätselhafte Verschwinden seines Vaters. All seine Fragen dazu blieben unbeantwortet, weshalb er noch als Erwachsener vorsichtig tastend durchs Leben geht. Ein melancholischer Eigenbrötler, der sich in einer stillen Existenz eingerichtet hat. Als Johannes in einer alten Kiste auf einen Brief stößt – adressiert an seinen Vater und abgeschickt nur wenige Tage, bevor dieser den Sohn wortlos verlassen hatte –, verändert dieser Fund nicht nur seine Zukunft, sondern vor allem seine Vergangenheit als Kind der Vorwende-DDR. Seine Erinnerungen sortieren sich neu und mit ihnen sein Blick auf das eigene Leben.“ Autor Matthias Jügler hat mich mit seiner Geschichte „Die Verlassenen“ ganz tief berührt. Mit seiner punktgenauen Wortwahl und seiner Sprachmelodie ist ihm etwas ganz Großes hiermit gelungen. Die Geschichte um Johannes ist emotional in jeder Weise. Ihn hier kennenzulernen ist ein besonderer Weg, den wir Leser uns erstmal erarbeiten müssen. Wir müssen versuchen ihn mit seiner Art zu verstehen....Wer, wie er und ich, selbst in der DDR groß geworden ist, wird viele Parts in diesem Buch wiederfinden und sich daran erinnern, wie es damals war. Das war ein echter Flashback, den ich so nicht erwartet hätte (hier nur das Beispiel Kindergarten). Die Geschichte um Johannes‘ Vater ist für mich das eigentliche Mysterium und bekommt eine sanfte und bewegende Führung der besonderen Art. Auch hier finden wir meine liebsten Buchdetails: die Zeilen und Gedanken zwischen den Sätzen, die uns der Autor fein dosiert vor die Füße legt. Johannes‘ Gedankengänge im Hier und Jetzt aber auch die Rückblicke sind extrem feinstimmig, aber auch die Qual nach dem Ungewissem, nach alle den Antworten auf die Fragen die er hat und die nie beantwortet werden. Wir erleben ihn in seiner Welt und erfahren die Hintergründe seiner Welt in einer warmherzigen, leisen Sprache. Hier ist kein Wort zu viel, keine Emotion zu wenig - hier ist alles ganz perfekt abgestimmt! Ich hatte hiermit ein ganz perfektes und besonderes Leseerlebnis, welches mich noch lange beschäftigen wird. 5 von 5 Sterne

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„Zärtlich, traurig, schmerzhaft, schön.“ So wird auf dem Cover des neuen Romans von Matthias Jügler, Die Verlassenen, geworben. Und so skeptisch man solchen Blurbs in der Regel gegenüber stehen mag, hier treffen alle vier Adjektive zu einhundert Prozent zu. Der 1984 geborene Matthias Jügler erzählt in Die Verlassenen eine Geschichte aus der DDR und der Nachwendezeit, die so spannend wie berührend ist. Es geht darin, wie so oft in Erzählungen aus dem sozialistischen Deutschland, um stille Ungeheuerlichkeiten, um Verrat, um zerstörte Familien und Freundschaften. Es ist ein schmales Buch von gerade einmal 170 Seiten, äußerst dicht, komprimiert, intensiv. Ich-Erzähler ist Johannes Wagner, Volkswirt in der städtischen Verwaltung, Vater eines vierzehnjährigen Sohns. Und ein Mann, der seit langem eine Leerstelle mit sich herumträgt. Eine Leerstelle, die seine Eltern, ihre Geschichte und damit auch die seine umschließt. An einem Morgen im Mai 1986 bringt ihn seine Mutter, er ist damals gerade fünf Jahre alt, ein letztes Mal in den Kindergarten in Halle. Johannes kann nicht wissen, dass es das letzte Mal sein wird, dass er seine Mutter gesehen hat. Am Abend erzählt ihm sein Vater, dass die Mutter tot ist, einen Herzinfarkt erlitten hätte. Die Trauer bei Vater und Sohn ist grenzenlos, die Restfamilie, die sie daraufhin bilden, fragil. Der Vater vergräbt sich darin, was er schon immer getan hat, ins Lesen und Schreiben. Die Großmutter unterstützt, ein großer Freundeskreis ebenso. Im Mai 1994, die Mauer ist inzwischen gefallen, verabschiedet sich der Vater auf eine Dienstreise. Johannes, mittlerweile dreizehn, bleibt mit der Großmutter zurück. Der Vater wird nicht wiederkommen. Fünf Jahre später stirbt auch die Großmutter. Der Tod der Mutter, das Verschwinden des Vaters, seine nie beantworteten Fragen an die Großmutter – Johannes quält auch als Erwachsenen sein Nicht-Wissen, die Ungewissheit seiner Erinnerungen. Eines Tages findet er in den Büchern seines Vaters einen Brief aus Norwegen vom Mai 1994, der sein ganzes bisheriges Leben in einen neuen Blickwinkel rückt, viele seiner Erinnerungen und Gewissheiten infrage stellt. Er beschließt, den Spuren nach Norwegen zu folgen. Die Geschichte von Johannes Wagner ist inspiriert von der Geschichte einer wahren Geschichte. Aber auch ohne diesen realen Bezug ist sie erschütternd genug. Matthias Jügler schreibt in Die Verlassenen in schnörkelloser, sanft melancholischer Sprache über eine Kindheit in der DDR, über Verluste, Verrat, Lügen und eine zerstörte Familie. Er arbeitet dabei mit Zeitsprüngen und Leerstellen, die aber niemals störend wirken, sondern die Intensität der Geschichte noch steigern. „Zärtlich, traurig, schmerzhaft, schön.“

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«Schliesslich kam Grossmutter aus dem Wohnzimmer. Sie verlor kein Wort über Vaters Abwesenheit, stattdessen hielt sie eine Tüte Bonbons in der Hand…zum Trost, wie sie sagte. Als ich sie nun sah, die Tüte in der Hand, mitleidig ihr Blick, da begriff ich, dass Vater nicht wiederkommen würde. Ich fing an zu weinen. Viel lieber wollte ich wütend sein, auf Vater, so wütend, wie ich es am Vormittag gewesen war. Aber es klappte nicht.» Johannes hat schon früh seine Mutter verloren. Als auch noch sein Vater von einem Tag verschwindet, bleibt er bei der Grossmutter zurück. Mit ihm bleiben viele offene Fragen, über die aber nie gesprochen werden kann. Auf diesem unsicheren Boden wächst er zu einem melancholischen, an vielem zweifelnden Mann heran, sucht seinen Platz im Leben und kann sich doch nicht frei einlassen. „Dann entdeckte ich den Brief, und kaum dass ich ihn gelesen hatte, wusste ich, dass dies der eine Moment war, der alles änderte, nicht nur meine Zukunft, sondern vor allem meine Vergangenheit, beziehungsweise das, was ich dafür gehalten hatte.“ Als er eine Kiste mit Briefen findet, in welcher auch einer an seinen Vater adressiert ist, sieht er plötzlich einen Weg, doch noch zu Antworten zu kommen. Dazu macht er sich auf nach Norwegen, wo er immer tiefere Einsichten in seine Kindheit in der DDR und das, was damals ablief bekommt. Matthias Jügler erzählt die Geschichte eines Jungen, Johannes, aus dessen Sicht und es gelingt ihm dabei, das Erzählte in Sprache und Denken authentisch und dem Alter entsprechend zu halten. Trotz der tragischen und Johannes erschütternden Umstände verfällt die Erzählung nie in eine zu melancholische Stimmung, das Beibehalten einer Sachlichkeit und Distanz sind die dem Verhalten von Johannes entsprechend Form. Sie bringen es aber auch mit sich, dass es nicht möglich ist, dem Protagonisten und seinem Fühlen wirklich nahe zu kommen. Man bleibt als Leser der Betrachter von aussen, so wie es wohl im wirklichen Leben bei einem Treffen mit Johannes auch gewesen wäre. So begleitet man Johannes durch seine Kindheit, Jugend hinein ins Erwachsenenalter, sieht ihn eine Familie gründen, doch etwas bleibt immer präsent: Die Erinnerung an die Vergangenheit, die Ungewissheit, was wirklich war damals und die Unsicherheit im Leben und in seinem Sein, die daraus entstanden ist. Das Finden des Briefes erscheint da wie ein Weckruf aus einem Schlafzustand. Endlich schreitet er zur Tat, endlich zeigt er den Willen, den Dingen auf den Grund zu gehen. „Die Verlassenen“ ist ein Buch ohne grosse Ereignisse, ohne laute Töne, ohne eindringliche Bilder. Leise und sanft fliesst die Erzählung dahin und nimmt den Leser mit auf eine Reise ins Ungewisse. Was dann ans Licht kommt, hätte man zwar bei dem Setting erahnen können, und doch liegt es nicht so offen da, dass das Weiterlesen sich erübrigen würde. Eine durch und durch gelungene Erzählung, in welcher der Autor es versteht, Inhalt und Form in ein stimmiges Ganzes zu verweben und den Leser durch eine unterschwellige Melancholie zu berühren, die nie zu abgrundtief wird, dass sie bedrückt. Fazit: Ein Buch der leisen Töne, die Lebensgeschichte eines Jungen, der zu früh von den nächsten Menschen verlassen wird, dabei das Vertrauen verliert, und erst zu sich selber findet, als er sein Leben selber in die Hand nimmt und Antworten auf seine offenen Fragen sucht. Grosse Empfehlung!

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„Mach’s gut, Junge“, heißt es zu Beginn des Romans. Halle an der Saale, Nachwendezeit, 1994. Der 13-jährige Johannes weiß, dass er nicht wiederkommen wird, der Vater, der ihn zur Großmutter gebracht hat. Und der Leser spürt, dass hier nur eine traurige Geschichte beginnen kann. Das überstürzte Verschwinden des Vaters ist aber nicht Johannes‘ einzige offene Wunde. Seine Mutter stirbt früh, da war er fünf. Jüglers Held entwickelt sich rasch zu einem eigensinnigen und zurückgezogenen Kind, das sich eingerichtet hat in der Stille seiner Umlaufbahn. Erst als er Jahre später in einer Bücherkiste seiner Eltern einen an seinen Vater adressierten Brief findet, der ihn dazu veranlasst das eigene Narrativ von Grund auf neu zusammen zu setzen, geraten alle Gewissheiten ins Wanken. Ein initialer Moment, der gleichermaßen seine Vergangenheit als Kind der ausgehenden DDR, wie auch seine Zukunft neu verhandeln wird. Eine Aufarbeitung, die uns bis in entlegene Orte Norwegens führt, deren Topografie Matthias Jügler lebendig zu schildern vermag. Und vor allem eine eindringliche und an die Substanz gehende Beschreibung der tiefen Risse und Verwerfungen, die das Unrecht der DDR in so vielen Biografien verursacht hat und es bis heute tut. Jügler besitzt die Gabe den Plot verdichten zu können und zügig zum Kern vorzudringen. Auf 176 Seiten erzählt er kraftvoll, klar und mit einer Mut machenden Traurigkeit, der ich nur allzu gern gefolgt bin. Sein verknappter Stil erinnert manchmal an Tomas Espedal, einen meiner liebsten norwegischen Autoren. Es könnte Schlechteres geben!

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