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Rezension zu
Die Verlassenen

Eine Kindheit in der DDR

Von: LiteraturReich
21.04.2021

„Zärtlich, traurig, schmerzhaft, schön.“ So wird auf dem Cover des neuen Romans von Matthias Jügler, Die Verlassenen, geworben. Und so skeptisch man solchen Blurbs in der Regel gegenüber stehen mag, hier treffen alle vier Adjektive zu einhundert Prozent zu. Der 1984 geborene Matthias Jügler erzählt in Die Verlassenen eine Geschichte aus der DDR und der Nachwendezeit, die so spannend wie berührend ist. Es geht darin, wie so oft in Erzählungen aus dem sozialistischen Deutschland, um stille Ungeheuerlichkeiten, um Verrat, um zerstörte Familien und Freundschaften. Es ist ein schmales Buch von gerade einmal 170 Seiten, äußerst dicht, komprimiert, intensiv. Ich-Erzähler ist Johannes Wagner, Volkswirt in der städtischen Verwaltung, Vater eines vierzehnjährigen Sohns. Und ein Mann, der seit langem eine Leerstelle mit sich herumträgt. Eine Leerstelle, die seine Eltern, ihre Geschichte und damit auch die seine umschließt. An einem Morgen im Mai 1986 bringt ihn seine Mutter, er ist damals gerade fünf Jahre alt, ein letztes Mal in den Kindergarten in Halle. Johannes kann nicht wissen, dass es das letzte Mal sein wird, dass er seine Mutter gesehen hat. Am Abend erzählt ihm sein Vater, dass die Mutter tot ist, einen Herzinfarkt erlitten hätte. Die Trauer bei Vater und Sohn ist grenzenlos, die Restfamilie, die sie daraufhin bilden, fragil. Der Vater vergräbt sich darin, was er schon immer getan hat, ins Lesen und Schreiben. Die Großmutter unterstützt, ein großer Freundeskreis ebenso. Im Mai 1994, die Mauer ist inzwischen gefallen, verabschiedet sich der Vater auf eine Dienstreise. Johannes, mittlerweile dreizehn, bleibt mit der Großmutter zurück. Der Vater wird nicht wiederkommen. Fünf Jahre später stirbt auch die Großmutter. Der Tod der Mutter, das Verschwinden des Vaters, seine nie beantworteten Fragen an die Großmutter – Johannes quält auch als Erwachsenen sein Nicht-Wissen, die Ungewissheit seiner Erinnerungen. Eines Tages findet er in den Büchern seines Vaters einen Brief aus Norwegen vom Mai 1994, der sein ganzes bisheriges Leben in einen neuen Blickwinkel rückt, viele seiner Erinnerungen und Gewissheiten infrage stellt. Er beschließt, den Spuren nach Norwegen zu folgen. Die Geschichte von Johannes Wagner ist inspiriert von der Geschichte einer wahren Geschichte. Aber auch ohne diesen realen Bezug ist sie erschütternd genug. Matthias Jügler schreibt in Die Verlassenen in schnörkelloser, sanft melancholischer Sprache über eine Kindheit in der DDR, über Verluste, Verrat, Lügen und eine zerstörte Familie. Er arbeitet dabei mit Zeitsprüngen und Leerstellen, die aber niemals störend wirken, sondern die Intensität der Geschichte noch steigern. „Zärtlich, traurig, schmerzhaft, schön.“

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