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Rezensionen zu
Die nicht sterben

Dana Grigorcea

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Sehr sonderbar!

Von: Lesehummel

31.03.2022

Wow was war das denn? Es fällt mir tatsächlich sehr schwer, hier die Handlung zu umreißen, aber Transsilvanien und Dracula sind wohl ein ganz passender Anfang. Denn man könnte wohl sagen, der Dracula-Mythos spielt in diesem Roman die Hauptrolle. Eine durchweg namenlose Ich-Erzählerin kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück, der ebenfalls keinen Namen trägt und lediglich mit dem Buchstaben "B" umschrieben wird. In dieser Kleinstadt, irgendwo in der Walachai am Rande zu Transsilvanien, treffen sich Verwandte und Freunde nach langer Zeit wieder, genießen das Leben in großbürgerlicher Sitte/Manier. Als sich beim Wandern ein Unfall mit Todesfolge ereignet, kommt es zum Knackpunkt, ab welchem das Buch an Fahrt aufnimmt und die Handlung richtig durchdreht: Beim Öffnen der Familiengruft wird ein Toter gefunden, der Erinnerungen an die Foltermethoden von Vlad den Pfähler weckt - jenem spätmittelalterlichen Fürsten, der in der heutigen Popkultur wohl fest mit dem Namen Dracula verankert ist. Als sich dann auch noch herausstellt, dass Vlad der Pfähler himself in eben dieser Gruft liegt und der Ahnenkette der Erzählerin angehört - naja, ihr könnt es euch vorstellen, was das für eine Kleinstadt bedeutet: da geht natürlich ganz schön die Post ab. Grigorcea schreibt mit "Die nicht sterben" keinen blutrünstigen Vampirroman oder etwa einen modernen Dracula nach Vorbild Bram Strokers. Sondern sie baut Merkmale des Schauerromans in eine rumänische Orts- und Familiengeschichte ein, schreibt über das postkommunistische Land und dessen Gesellschaft, über Klassenunterschiede, das "in der alten Zeit festhängen" und die Perpektivlosigkeit des Gegenwärtigen. Natürlich mokiert man sich auch hier über den Dracula-Hype des Westens, doch wenn die Chance besteht mit dem alten Mythos selbst Geld scheffeln zu können, sagt man halt auch nicht nein. Nur die Touristen will man hier auch nicht unbedingt haben - außer vielleicht im zügig entstehenden Dracula-Themenpark. Ich fands leider streckenweise verwirrend und relativ schwierig durchzublicken, zwischendurch wurde auch gerne mit lateinischen Phrasen rumgeworfen, die man auch gerne irgendwo für Leute ohne Latinum hätte übersetzen können. Es hat mich aber doch ziemlich gefesselt, war sehr träumerisch, phantastisch angehaucht und hat mich sehr gut unterhalten. "Die nicht sterben" ist nicht nur ein Buch, welches die Dracula-Legende quasi wieder auferleben lässt, sondern ist ein doch ziemlich anspruchsvoller, aber auch skurriler Roman über eine altrumänische Historie, der auch auf der Longslist zum letztjährigen Buchpreis stand. Geschichte mal anders!

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Dana Grigorceas Roman „Die nicht sterben“, der 2021 für die Longlist des Deutschen Buchpreises nominiert wurde, ist ein ebenso atmosphärischer wie ungewöhnlicher politischer Vampirroman. Vielen Dank @bloggerportal und @penguin_verlag für das Rezensionsexemplar! Die namenlose Ich-Erzählerin der Geschichte, eine in Paris ausgebildete Malerin, kehrt in die Kleinstadt B. in den Bergen an der Grenze zu Transsilvanien zurück. In B. verlebte sie bei ihrer Großtante idyllische Ferien, umgeben von großbürgerlichem Hausrat und kunstbeflissenen und belesenen Weggefährten; eine aus der Zeit gefallene bourgeoise Sommerfrische vor der Kulisse bukolischer Landschaft und dem einfachen Leben der einheimischen Bevölkerung, weit weg von den Zwängen der kommunistischen Diktatur unter Ceausescu. Zurückgekehrt ins postkommunistische Rumänien bekommt diese Idylle Risse, soziale Abgründe, Perspektivlosigkeit und Verzweiflung herrschen im abgehalfterten B. vor. Der Kommunismus ist Vergangenheit, doch tradierte Machtstrukturen, Korruption und Aberglaube bleiben bestehen. Das Unheil nimmt seinen Lauf, als auf dem Familiengrab der Erzählerin eine geschändete Leiche gefunden wird und zwar auf dem Grab Vlad des Pfählers, besser bekannt als Dracula. Die Einheimischen schlachten die Dracula Faszination aus, um B. zu neuer Blüte zu verhelfen, selbst ein „Dracula-Park“ ist bereits in Planung, während düstere Ereignisse aufziehen. Die Erzählerin bemüht sich hingegen, die Geschichte des ebenso gerechten wie grausamen Fürsten zu erzählen. Dana Grigorcea hat ein atemberaubend atmosphärisches Porträt der postkommunistischen Gesellschaft Rumäniens geschaffen, in der alteingesessene Strukturen, Aberglaube, Geschichte, Korruption und Machtmissbrauch ebenso an der Tagesordnung sind wie Hoffnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit und Enttäuschung. Ein Milieu, in dem sich viele nach einem strengen Fürsten sehnen, der hart durchgreift und für Recht und Ordnung sorgt, wie der als Nationalheld gefeierte Vlad der Pfähler. Da kommt die Wiederbelebung der vor allem im westlichen Europa populären Dracula-Legende als finanzielles Zugpferd gerade richtig, um dem mehr in der Vergangenheit als der Gegenwart lebenden Ort B. zu neuer Blüte zu verhelfen. Wobei die folkloristische Rückbesinnung sehr ironisch betrachtet wird. Grigorcea zeichnet aber nicht nur ein Gesellschaftspanorama, sondern spielt mit der Phantasie des Lesers, zitiert populäre Vampirklischees und kreiert eine geheimnisvolle, unheimliche Atmosphäre reich an Suggestionskraft. Sie erschafft eine phantasmagorische Zwischenwelt, in der Gegenwart und Vergangenheit, Realität, Traum und Erinnerung verschwimmen, in der Schreckliches banal wird und das Alltägliche schrecklich. Zunehmend surrealer, morbide sinnlich und wollüstig entwickelt sich eine klassische Schauergeschichte. Mit großer Sprachkraft nimmt Grigorcea den Leser mit auf eine Reise in eine der Realität und Zeit enthobene Geschichte, voller phantasieanregender Lücken, Poesie und Vielschichtigkeit. Sie verlangt dem Leser einige Konzentration ab und schreibt mit klarem bildungsbürgerlichen Anspruch, so werden fremdsprachige Zitate nicht übersetzt. „Die nicht sterben“ ist ein tiefgründiger und archaischer politischer Vampirroman; Schauergeschichte, politische Gesellschaftskritik, sprachlicher Hochgenuss und ein außergewöhnliches Leseerlebnis, auf das man sich einlassen muss. Liebhabern stringenter Handlungsverläufe sei abgeraten. Ein Roman, den man entweder liebt oder hasst! Vier Sterne von mir!

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Ein Vampirroman der etwas anderen Art. Atmosphärisch,surreal und politisch: Als die junge Ich-Erzählerin und Künstlerin aus Paris zurück in den kleinen Ort B. in Rumänien kommt, mit dem sie wunderschöne Kindheitserinnerungen verbindet, findet sie bei einer Beerdigung die grauenvoll verstümmelte Leichen eines ehemaligen Kindheitsfreundes. Ihre Großtante wurde im Kommunismus enteignet und bekam später ihre heruntergekommene Villa mit knarzenden Dielen und verwildertem Garten zurück. Die Erzählerin hatte das einfache, authentische Leben hier geliebt, doch sie hatte sich davon entfernt und beginnt nur allmählich die schwierige Situation der Nachbarn und Freunde im postkommunistischen Rumänien zu begreifen: Dass das Gespenst des brutalen Diktators Ceaucescu noch ebenso präsent, doch langfristig prägender für das Land ist als Dracula, und dass neue Karrieristen wie der Bürgermeister noch immer bestrebt sind, dieses Land auszusaugen. Als dann angeblich das Grab von Vlad dem Pfähler entdeckt wird, gerät der Mord in den Hintergrund, der Bürgermeister spielt sich auf, eine alte Telefonzelle wird mit Vampirromanen gefüllt und die Zelte der Touristen sprießen auf den wilden Wiesen zwischen den alten und neuen Hausruinen. Ein Dracula Park soll entstehen, als die junge Frau an sich eine nächtliche Verwandlung zur Vampirin bemerkt. Eine große, tragisch-romantische Liebe zu diesem Land spricht aus diesen Zeilen, die immer wieder Bram Stoker oder auch Stefanie Meyer zitieren. Dabei lässt sich eine gewisse Ironie, mit der die Rückkehr zur Folklore dargestellt wird, nicht übersehen und auch die teilweise altertümelnde Sprache scheint ein Hinweis auf sich anbahnenden Extremismus und rechtes Traditionsbewusstsein zu sein. „Einzig Vlad der Pfähler habe unsere Geschichte markiert, punktiert, eben gepfählt mit aller Entschlossenheit. Vor ihm und nach ihm, leider auch jetzt, sei Rumäniens Geschichte nur eine öde Welle voller Dummheit und Herdentrieb.“ Ein wilder Flug durch Rumänische Kultur und Geschichte, die den Schauder der Vergangenheit hinter sich lassen will und gerade deshalb Draculas Erbe beschwört. Originell, sprachlich großartig und sehr besonders! Penguin 2021

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Eine Geschichte mit unheimlichen Ereignissen… Eine junge Bukarester Malerin kehrt nach ihrem Kunststudium in Paris in den Ferienort ihrer Kindheit an der Grenze zu Transsilvanien zurück. In der Kleinstadt B. hat sie bei ihrer großbürgerlichen Großtante unter Kronleuchtern und auf Perserteppichen die Sommerferien verbracht. Eine Insel, auf der die kommunistische Diktatur etwas war, das man verlachen konnte. „Uns kann niemand brechen“, pflegte ihre Großtante zu sagen. Inzwischen ist der Kommunismus Vergangenheit und B. hat seine besten Zeiten hinter sich. Für die Künstlerin ist es eine Rückkehr in eine fremd gewordene Welt, mit der sie nur noch wenige enge Freundschaften und die Fäden ihrer Familiengeschichte verbinden. Als auf dem Grab Vlad des Pfählers, als Dracula bekannt, eine geschändete Leiche gefunden wird, begreift sie, dass die Vergangenheit den Ort noch nicht losgelassen hat – und der Leitspruch ihrer Großtante zugleich der Draculas ist. Die Geschichte des grausamen Fürsten will sie erzählen. Am Anfang befürchtet sie, dass sie die Reihenfolge der Geschehnisse verwechseln könnte. Dann wird ihr klar: Jede Reihenfolge ergibt einen Sinn. Weil es in der Geschichte nicht um Ursache oder Wirkung geht, sondern nur um eines: Schicksal. Inzwischen aber ist es für jede Flucht zu spät. (Quelle: Auszug aus der Inhaltsangabe – Penguin-Verlag) „Die nicht sterben“ stand lange auf meiner Wunschleseliste - schon die Inhaltsangabe hat mich sehr neugierig auf dieses besondere Buch gemacht, das für den Deutschen Buchpreis 2021 nominiert ist. Schon auf den ersten Seiten wird der bildgewaltige Schreibstil sichtbar – atmosphärisch dicht erzählt die Hauptfigur, eine Bukarester Malerin, eine Geschichte mit unheimlichen Ereignissen. Es ist die Geschichte ihrer Familie und des Ortes B., wo sie bei ihrer Großtante Margot immer ihre Sommerferien verbrachte. Zugleich ist es aber auch eine Geschichte über eine fremdgewordene Welt, über Veränderungen und auch die des Fürsten Dracula. Anfangs erfahren wir ausführlich, wie die Erzählerin bei ihrer Großtante regelmäßig ihre Ferien verbrachte - der Ort B. kommt hier zunächst etwas verträumt rüber, die Schilderungen muten oft etwas poetisch an. „Ich schaute auf und sah alles gestochen scharf, zu meiner Rechten die Berge mit ihren grauen Maserungen, den hellgrünen Abhängen, Heiden, gezackten Tannenketten und auf den Felswänden vereinzelt einen geneigt wachsenden Baum, am Fuße dann der dichte Mischwald, worin manchmal die Buchenblätter rauschten und dabei wie kleine Spiegel glitzerten. (…) Die Welt schien hier eng zusammengerückt, alles war mir nah und zugewandt; und überall das aufblitzende Licht durch die hohen Tannenzweige.“ – Seite 25, eBook Doch mit den Jahren verfällt der einst schöne Ort – und das Verhältnis der Malerin zu dem Dorf verändert sich: „Und mir war, als löste sich dieses Damals endgültig von mir. Damals, als alle Niederschläge ihre Feierlichkeit hatten und eine angemessene Bühne. Jetzt regnete es gleichgültig.“ – Seite 37, eBook Danach beginnt der mysteriöse Teil der Geschichte, in der Vlad, der Pfähler – auch bekannt als Dracula – eine zentrale Rolle spielt. Zunächst wird das Grab des berühmten Fürsten auf dem Friedhof entdeckt, was prompt Touristen anlockt – doch kurz darauf wird auf dem Grabstein eine gepfählte Leiche gefunden… Ab hier vermischt sich schließlich alles miteinander – durch weitere Geschehnisse rund um die Erzählerin es wird mysteriös, zugleich kommt auch ein Hauch Fantasy mit ins Spiel. Dieses Verwischen der Grenzen ist der Autorin sehr gut gelungen. An manchen Stellen wird es sehr speziell – dem ausführlichen und oft leicht poetischen Schreistil behält die Autorin aber die ganze Zeit bei. „Mit der einbrechenden Nacht flogen die Fledermäuse auf, mit langem, spitzem Geschrei, während aus dem dunklen Garten die Hitze emporstieg und mit ihr der süße Odem sterbender Blumen.“ – Seite 112, eBook Mein Fazit: Ein sehr außergewöhnliches Werk mit einer Vampirgeschichte der etwas anderen Art. Atmosphärisch dicht erzählt die Autorin hier eine ganz besondere Geschichte – mysteriös und mal etwas skurril, aber auch spannend. Das Vermischen verschiedener Genres ist ihr hier gut gelungen. Oft sehr speziell, besonders in der zweiten Hälfte, aber immer irgendwie auch beeindruckend durch den detailreichen Schreibstil. Auf besondere Weise lesenswert.

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Eine junge Frau kehrt nach ihrem Kunststudium aus Paris zurück nach Rumänien, in das Dorf B., das sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Doch nicht nur der Ort ist in ›Die nicht sterben‹ mit Erinnerungen verknüpft. Auch die Villa Aurora, in der sie bei ihrer Großtante Margot lebt und die Menschen sind ihr vertraut. Aber das beschauliche Leben in B. endet jäh, als eine Frau bei einem Sturz in die Tiefe stirbt. Als die Familiengruft der Icherzählerin für die Bestattung geöffnet wird, findet diese darin zweierlei. Zum einen einen toten Mann. Gepfählt und die Augen bereits ausgehöhlt. Zum anderen, wie jedoch erst später bekannt werden soll, das Grab des berühmten Fürsten Vlad. Und mit diesem Fund nimmt die Veränderung in B. ihren zügigen Lauf. Touristen strömen in den Ort. Angelockt von den Berichten über den mysteriösen Toten und das Grabmal eines Fürsten, dessen Ruf über die ganze Welt bekannt ist. Bald sind Gerüchte über den Bau eines Dracula-Parks im Umlauf. »Ich kann nicht umhin, diese Geschichte zu erzählen, zumal ich sie aus nächster Nähe erlebt habe und alle Berichterstattung darüber als falsch erkenne.« Doch während B., allen voran der Oberbürgermeister und dessen Sohn, vor allem wegen des Grabfundes des legendären Fürsten in Aufregung scheinen, ist die Icherzählerin an beiden Funden interessiert. Denn der Tote ist kein Unbekannter in B. und auch die Icherzählerin verbindet mit diesem eine Geschichte. Vor dem Hintergrund des Mordes am Toten und dem Fund des Grabes verwebt Grigorcea eine Geschichte, die voller schauriger Märchenelemente ist. ›Die nicht sterben‹ wirkt wie aus der Zeit gefallen. Der Sprache der Icherzählerin und ihrer Art, die Geschichte zu erzählen, haftet etwas Altertümliches an. Zugleich erscheint der Roman seltsam in der Gegenwart verortet, auch wenn Internet nur auf einem bestimmten Hügel zu finden ist. »Nach der Diktatur, bald nach 1989, wurde die Villa an uns zurückerstattet. Margot ließ das Schildchen mit der Gravur ›Villa Diana‹ auswechseln, neu stand da nun in geschwungener Schrift ›Villa Aurora‹.« Elemente bekannter Vampirromane finden in ›Die nicht sterben‹ Einlass, allen voran Bram Stokers ›Dracula‹, doch auch Stephenie Meyers ›Twilight‹-Saga findet am Rande Erwähnung. Wir finden nicht die aus ›Dracula‹ vertraute Briefform und doch erscheint ›Die nicht sterben‹ im Gewand eines Berichtes. Bisweilen ist es schwierig zu sagen, wo das Geschehen in Träume und Erinnerungen gleitet, sodass die Icherzählerin unzuverlässig erscheint. ›Die nicht sterben‹ fragt nach dem Früher. Das Früher der Großtante Margot, die den Kommunismus und Enteignung kannte. Das Früher der Icherzählerin, in dem der Tote noch gelebt hat und B. für sie ein wunderbarer Ort gewesen war. Ein Zustand, dem sie zum Teil fremd zu werden und zu entwachsen scheint, und dem sie dennoch gerecht werden will. Und das Früher eines ganzen Landes, dessen Geschichte eng mit dem Schicksal des Fürsten Vlad verbunden ist, der im 15. Jahrhundert lebte. »In mancher Nacht wähnte ich mich im B. von früher, als es hier ruhig war und beschaulich. Als ich den Weg hinaufging, roch es wieder stark nach Gras und nach Erdigem, auch nach dieser harzigen Feuchte, die mich beim Atmen beben ließ, ich hörte manche Vogelart, den ich aus der Kindheit kannte.« ›Die nicht sterben‹ erzählt von Brüchen. Von früher und heute, von dem, was diese unterscheidet und dem, was sie eint. Korruption, Tradition und Schauer verbinden sich zu Themen einer besonderen Geschichte, die Grigorcea mit einem ganz eigenen Klang erzählt. Ein interessanter, verwobener und atmosphärischer Roman mit vielen literarischen Bezügen. 2021 ist ›Die nicht sterben‹ auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.

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Als eine junge Malerin von ihrem Studium in Paris in das kleine Dorf B. in Rumänien zurückkehrt, hat sie sich zwar verändert, doch die Erinnerungen ihrer Kindheit und die engstirnigen Bewohner des Dorfes und ihre Ansichten, sind immer noch dieselben geblieben. Bewegung kommt erst in das Dorf, als auf dem Grab Draculas eine grausam zugerichtete Leiche gefunden wird. Promt will der Bürgermeister die Situation nutzen, Touristen anlocken und einen Dracula-Freizeitpark eröffnen. Die Erzählerin selbst ist mit Fürst Vlad dem Pfähler verwandt und gerät immer mehr in die Fänge der Nacht. Dieses Buch ist nur schwere zu beschreiben. Fehlte mir zunächst noch der jüngste geschichtliche Hintergrund Rumäniens, um die Ereignisse und Anspielungen zuordnen zu können, so wurde ich im nächsten Moment von einer detailreichen Schilderung aus Vlads Jugend und seinem Werdegang überrascht. Ich musste das Buch mehrmals zur Seite legen, Pause machen, ihm wieder eine Chance geben, bis es mich wirklich packen konnte. Es braucht eine ruhige Umgebung und etwas Konzentration, um den Gedankengängen der Erzählerin, ihrer Verwandlung und den plötzlich mystischen Elementen folgen zu können. Aber der wunderbare Schreibstil der Autorin und die Bilder, die sie über die Geschichte hinweg geschaffen hat, haben mich letztendlich überzeugt.

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Achtung: Lassen Sie sich von Titel und Cover nicht täuschen! Wer hier eine klassische Vampirgeschichte mit blutrünstigen Untoten erwartet, wird enttäuscht. „ER“ wabert, klettert, fliegt und sexelt lediglich im Hintergrund. Auf 260 Seiten wird ihm gerade einmal eine Dialogzeile zugesprochen. Stattdessen entscheidet sich die aus Bukarest stammende Autorin für eine andere Perspektive: Für einen Sitten- und Gesellschaftsroman Rumäniens beginnend im 15. Jahrhundert über Diktatur und Wende bis in die Gegenwart. Die wahren Blutsauger sind allgegenwärtig: Menschen mit ihrer unersättlichen Habgier nach Geld, Macht, Besitz. Ob im Makrokosmos der Politik oder im Mikrokosmos eines kleinen Feriendorfes. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht einer Künstlerin, die in einem Bergdorf nahe Transsilvanien die Sommer ihrer Kindheit verbracht hat. Im Haus ihrer Tante Margot ging die betuchte Bukarester Gesellschaft ein und aus. Nach ihrem Studium in Paris kommt die junge Frau zurück, um sich von der Naturschönheit der Gegend inspirieren zu lassen. Doch etwas hat sich verändert – ihr Blickwinkel. Die kindliche und jugendliche Autorin sieht den Glanz des Sternenhimmels, das ausgelassene Toben in den Feldern mit den Dorfkindern, die illustre Gesellschaft der Bukarester High Society, einen Sommer voller Freizeitvergnügungen. Die erwachsene Erzählerin entdeckt das Dahinter. Illegale Müllhalden im Wald, nicht minder illegale Abholzung in Naturschutzgebieten, Korruption auf allen Ebenen, verfallene Bauruinen, ärmliche Alte und immigrierende Junge. Als einer der Sommergäste auf tragische Weise stirbt, taucht ein weiterer, seltsam entstellter Leichnam auf. Dieser fördert eine gewaltige Frage zutage: Befindet sich in der Familiengruft die letzte Ruhestätte von Vlad dem Pfähler, alias Graf Dracula? Der umtriebige Bürgermeister wittert bereits das Geschäft seines Lebens. Die Künstlerin stellt derweil Nachforschungen über den Leichnam an. Es stellt sich heraus, dass es sich eine ihrer Jugendliebschaften handelt. Doch je mehr sie den Spuren ihrer Vergangenheit folgt, desto mehr Veränderungen bemerkt sie an sich selbst… Grigorceas Grauen ist subtil und dürfte manchen Lesern einiges an Geduld abfordern. Die ersten 100 Seiten ähneln eher einem Sittenroman Rumäniens nach dem Fall der Diktatur mit vagen, mystischen Andeutungen. Die Beschreibungen sind atmosphärisch, dicht, anziehend. Richtig Fahrt gewinnt die Geschichte nach dem Fund der merkwürdig zugerichteten Leiche. Vlad dem Pfähler wird dann auch mehr Raum eingeräumt, wenngleich fast nur in Rückblenden und Erzählungen aus dem 15. Jahrhundert. Hierbei nimmt die Erzählerin eine für westliche Lesart ungewöhnliche Perspektive ein. Sie skizziert Dracula nicht als blutrünstiges Monster, sondern als einen Helden, einen Retter des Abendlandes, einen Reformer Rumäniens. Gewiss: seine Methoden waren grausam (mehrfach wird im Roman das anatomische Vorgehen einer Pfählung und all seinen biologisch abstoßenden Auswirkungen beschreiben). Doch andererseits: Hätte Dracula die Osmanen nicht in seinem Land aufgehalten, wären in Europa niemals die großen Kathedralen erbaut worden. Und war es ihm nicht ein Anliegen, die Schwachen, Verlogenen und Korrupten von ihrem Leid zu erlösen? So soll Vlad nach jeder Kriegsschlacht die Versehrten inspiziert haben. Wer seine Verletzung hinten trug (und sie diese folglich auf der Flucht vor dem Feind zugezogen hatte) wurde gepfählt, wer seine Verletzung an der Vorderansicht im ehrlichen Kampf erworben hatte in seinen erlauchten Kreis des Drachengeschlechtes aufgenommen. Fazit: Statt allseits bekannter Nervenkitzel der 100-fach ausgelutschten – oder vielmehr ausgesaugten – Vampirstory liefert uns Dana Grigorcea moderne Denkanstoße, die den Horror der allgegenwärtigen, gesellschaftlichen Blutsauger in neuem Licht erscheinen lassen. Gut und Böse verschwimmen. So gleicht der Roman der in Zürich lebenden Autorin eher einem schwülen Sommertag. Matt und ätherisch zugleich, bleichen die Konturen des Tages aus, damit die Nacht Klarheit verschaffe. Ein faszinierender, innovativer Ansatz.

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Eine junge Bukarester Malerin kehrt nach ihrem Kunststudium in Paris in den Ferienort ihrer Kindheit an der Grenze zu Transsilvanien zurück. In der Kleinstadt B. hat sie bei ihrer großbürgerlichen Großtante unter Kronleuchtern und auf Perserteppichen die Sommerferien verbracht. Eine Insel, auf der die kommunistische Diktatur etwas war, das man verlachen konnte. „Uns kann niemand brechen“, pflegte ihre Großtante zu sagen. Inzwischen ist der Kommunismus Vergangenheit und B. hat seine besten Zeiten hinter sich. Für die Künstlerin ist es eine Rückkehr in eine fremd gewordene Welt, mit der sie nur noch wenige enge Freundschaften und die Fäden ihrer Familiengeschichte verbinden. Als auf dem Grab Vlad des Pfählers, als Dracula bekannt, eine geschändete Leiche gefunden wird, begreift sie, dass die Vergangenheit den Ort noch nicht losgelassen hat – und der Leitspruch ihrer Großtante zugleich der Draculas ist. Die Geschichte des grausamen Fürsten will sie erzählen. Am Anfang befürchtet sie, dass sie die Reihenfolge der Geschehnisse verwechseln könnte. Dann wird ihr klar: Jede Reihenfolge ergibt einen Sinn. Weil es in der Geschichte nicht um Ursache oder Wirkung geht, sondern nur um eines: Schicksal. Inzwischen aber ist es für jede Flucht zu spät. Dana Grigorcea zeichnet ein atemberaubend atmosphärisches Porträt der postkommunistischen Gesellschaft, die bis heute in einem Zwischenreich gefangen scheint. Ohne Vorwarnung führt sie ihre Leserinnen und Leser ins Herz eines Schreckens, wie ihn nur die eigene Vorstellungskraft erzeugen kann - oder der gestrenge Fürst Dracula. Eine Geschichte, für die man vielleicht mehr Hintergrundwissen über die Geschichte Rumäniens benötigt als ich es habe. Rumänien ist eines dieser Länder über das ich außer ein paar Eckdaten nichts weiß und natürlich das Dracula dort sein Unwesen getrieben haben soll. Dracula eigentlich Vlad III war ein rumänischer Fürst, der für seine Grausamkeit bekannt und gefürchtet war, da kann man schon Parallelen zum rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu der bis 1989 das Land regierte. Die junge Malerin, die die Sommer in dem kleinen Örtchen B. verbringt erlebt das Sterben dieses Ortes hautnah mit, mit jedem Sommer scheint der Ort noch verlassener als zuvor, die Jungen wandern aus um im Ausland ihr Auskommen und ihr Glück zu finden und kehren immer seltener in die Heimat zurück. Zurück bleiben die Alten und einige wenige Profiteure. Die Aufbruchstimmung nach dem Fall Ceausescus ist lange dahin, nicht aber Vetternwirtschaft und Korruption, Misswirtschaft und Raubbau an der Natur. In Die nicht sterben, öffnet Dana Grigorcea dem Leser den Blick auf eine Gesellschaft, die gefangen ist zwischen Aufbruch in die Zukunft und einer nicht verarbeiteten Vergangenheit. Der Geschichte zu folgen ist nicht immer einfach, die Autorin selbst sagt, dass sie die Reihenfolge der Geschehnisse verwechselt haben könnte, diese Aussage trifft auch die Ich-Erzählerin im Buch, man weiß also nie in welcher Zeit man sich als Leser gerade befindet. Am Ende zählt das aber nicht, am Ende hat man eine großartige Geschichte, die dazu animiert sich näher mit der Geschichte Rumäniens zu befassen und man muss gewillt sein, Zusammenhänge zu sehen, wo auf den ersten Blick keine zu erkennen sind. Man darf keinen Horrorschmöker erwarten, auch wenn die Fantasyelemente im Buch einen recht großen Raum einnehmen. Bei Die nicht sterben, handelt es sich eher um einen gesellschaftskritischen Roman mit großem Unterhaltungswert.

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