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Rezensionen zu
Aufruhr der Meerestiere

Marie Gamillscheg

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Lesenswert

Von: Lesehummel

16.03.2022

Luise ist 32 und promovierte Meeresbiologin. Ihr Spezialgebiet ist die Meerwalnuss: eine Rippenqualle, die sich in den Meeren der Welt ausbreitet und welche als sogenannte Invasive Art für so manchen Wirbel in den Ozeanen sorgt. Luise soll für einige Zeit beruflich von Kiel nach Graz reisen, um an einem Projekt des örtlichen Tierparks mitzuwirken. Doch Graz ist mehr als eine von vielen beruflichen Zwischenstationen in ihrem Leben, denn Graz ist ihre Heimatstadt, Erinnerung an die eigene Kindheit und Ort einer entrückten Vergangenheit. Luise bezieht die Wohnung ihres Vaters, der gerade in Nürnberg bei ihrem Bruder ist. Die familiären Beziehungen sind schwierig, stets vorwurfsvoll und geprägt von einer immerwährenden Sprachlosigkeit. Nebenbei kämpft Luise mit einer Essstörung , fühlt sich einsam und hängt in einem Schwebezustand zwischen Gegenwart und Gedanken an die Vergangenheit fest, versucht sich ihrer Kindheit zu stellen und das Leben irgendwie zu managen. Gamillscheg schreibt in einer facettenreichen Sprache - nicht immer unbedingt einfach zu lesen, aber herausfordernd und insgesamt doch bemerkenswert ruhig. Vieles wird angedeutet, aber nicht immer ganz auserzählt. So wird der Leser oft in der Schwebe gelassen, was Luise uns wirklich von sich erzählen will, und es bleibt so manche Interpretation offen. Insgesamt handelt es sich bei "Aufruhr der Meerestiere" um einem guten, vielschichtigen Roman mit teilweise durchaus auch emanzipatorischen Zügen über eine Frau, die immer noch in familiären Kreisen eingeengt ist und ihre Fesseln aufbrechen will. Die sich in die Arbeit stürzt und bis auf den Boden ihrer Identität vordringt. Kein easy-read, aber ein durchaus lesenswerter Entwicklungsroman einer erwachsenen Frau.

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„Luise war eine Insel. Ihre Arbeit war eine Höhle auf dieser Insel. Luise war eine Insel, eine Höhle auf der Insel auf der Welt war die Welt.“ Luise ist 32, promovierte Meeresbiologin und ihr Spezialgebiet ist die Meerwalnuss. Mnemiospis Leidyi. Eine Rippenqualle. „Eine schwebende Laterne mit weiten, zarten Flügeln. Eine durchsichtige Plastiktüte, verloren auf der See. Eine feingliedrige Lichterkette in einer klaren Nacht, vom Wind angetippt.“, oder eben auch (wegen ihrer invasiven Art) eines der gefährlichsten Raubtiere der Welt. Das Nervensystem der Meerwalnuss ist nicht zentral organisiert, es liegt in ihrer Haut, in der äußersten Zellschicht, über die sie äußere Reize aufnahm. Luise hat Neurodermitis und reagiert ebenfalls auf Reize über ihre Haut. Sie weiß nie, ob ihre Haut sich in einen Panzer verwandelt oder sie sich beginnt aufzulösen. Luise ist essgestört, einsam und ehrgeizig. Besonders schwierig ist das Verhältnis zu ihrem Vater. Unausgesprochene Konflikte halten die Beiden nicht nur örtlich kilometerweit auseinander. Das einzige was ihr Vater Luise mit auf den weg des Erwachsenwerdens mitgegeben hat, ist die Vorstellung was eine Frau zu sein, zu tun oder zu lassen hat. Ihre Mutter bleibt fast durchgehend farblos im Buch: „War ihr Vater ein Land, war ihre Mutter ein Meer. Luft holen, abtauchen. Untertauchen.“ Luise kehrt aus beruflichen Gründen in ihre Haimatstadt Graz zurück und wird dort mehr mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, als ihr lieb ist. Mit Aufruhr der Meerestiere ist der österreichischen Schriftstellerin Marie Gamillscheg erneut ein Roman gelungen, bei dem das Nichtgesagte in ständiger Konkurrenz mit dem Gesagten steht. Ein melancholisches Buch, voller Traurigkeit über eine junge Frau, die sich selbst satt hat und ihre Unsicherheiten und Zwänge aus einem vergangenen Leben selbst im Erwachsenenalter nicht abstreifen kann. Wie schon bei „Alles was glänzt“ ist vor allem Gamillschegs Schreibstil so besonders, so packend und direkt ins Mark treffend. Ich mag es, dass man als Leser oft im Unwissenden schwebt, dass man nur erahnen kann, was Luise meint. Spannend finde ich vor allem die Verknüpfung der Meerwalnuss mit Luises Gefühlswelt. Für mich ein außergewöhnliches Leseerlebnis. Bitte MEHR von Frau Gamillscheg. Vielen Dank an Luchterhand für das Rezensionsexemplar. „Das Hungern meinte einen Körper, der stets im Werden war, nie im Sein. Luise hungerte, um niemals satt zu werden. Sie wollte nie verschwinden. Sie wolle existieren.“

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