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Rezensionen zu
Aufruhr der Meerestiere

Marie Gamillscheg

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"Wie kann ich Nähe zu einem Wesen herstellen, das sich mir stetig entzieht? Wie kann ich Verantwortung für dieses Wesen übernehmen, wenn es mir doch immer fremd bleiben wird?" (S. 135) Scheinbar schwerelos gleitet sie durch das Wasser, blaugrün leuchtend begrenzen ihre Rippen den bauchigen Körper: die Meerwalnuss. Die Meeresbiologin Luise ist seit jeher von den Rippenquallen beeindruckt, und hat sich an ihrem Forschungsinstitut in Kiel einen Namen als Expertin für diese Wesen gemacht. Als sie das Angebot bekommt, für ein Projekt mit einem Tierpark nach Graz zu fahren, sagt sie sofort zu. Doch schnell wird ihr Vorfreude getrübt: Graz, das ist auch ihre Heimatstadt - und da ist die Wohnung ihres Vaters, in der sie während ihres Aufenthalts wohnen würde. Eines Vaters, der immer abwesend und fremd, sprachlos war, denn sie hatten sich ihrer gemeinsamen Sprache irgendwann bewusst verweigert. "Jede Geschichte lässt sich auf mehrere Arten erzählen. Als Entdeckung oder als Eroberung, als Siegeszug oder als Untergang. Es hat nicht einmal jede den gleichen Anfang, es gibt auf jeden Fall nie ein Ende." (S. 85) Schwebend, nicht greifbar, aber in dieser Verletzlichkeit so unglaublich kraftvoll erzählt Marie Gamillscheg in "Aufruhr der Meerestiere" einerseits von einer durch frühere Traumata geprägten Vater-Tochter-Beziehung und den Spuren, die diese hinterlassen haben, vielmehr jedoch ist es die Geschichte einer jungen Frau, die Halt und ihre (Körper-)Grenzen sucht und aus den ihr auferlegten Schablonen, vatergegebenen Grenzen auszubrechen versucht. Während ihre Mutter in ihrem Leben kaum präsent zeigt, ist es immer der Vater, zu dem sie als kleines Kind Kontakt suchte. Doch gerade dieses Streben soll ihrem Verhältnis, je älter Luise wird, zum Verhängnis werden: Er vermittelt dem noch jungen Mädchen ein toxisches Bild, wie Frauen zu sein, ihre Körper auszusehen haben. Es scheint fast, er hat Angst vor ihr, seine Blicke zeugen von Scham. Die Folge: Luise ekelt sich vor sich selbst, ihrem Körper und entwickelt eine Essstörung, die sie bis in ihr Erwachsensein begleitet. Immer wieder sagt sie, dass sie nur im Hunger ein Mensch werden könne, nur dann die Grenzen ihres Selbst erahnen würde. Sie versucht, unsichtbar zu sein, versteckt sich vor der Welt, wie eine Insel, fernab des Festlands vor den Blicken verborgen, und sie verbirgt auch ihre Haut, die unter äußeren Einflüssen - Stress, Konkurrenzdruck, hohe Erwartungen - reagiert, unter Schichten von Schminke. Luise ist eine Insel, zurückgezogen und sensibel - ähnlich der Meerwalnuss, ihrem großen Faszinosum; es scheint fast, als anthropomorphisiere sie das Quallentier. Einem wild im Wind strudelnden Mobile gleich erzählt Marie Gamillscheg in Bildern aus der Gegenwart und Vergangenheit, von Luises Kindheitserinnerungen und ihren gegenwärtigen Ängsten und Gefühlen. Alles vermischt sich kaleidoskopartig, klar und großformatig, unscharf und zerrissen - und doch immer geprägt von Rastlosigkeit, Einsamkeit und unendlicher Sehnsucht, wie in Trance. Doch ebenso wichtig wie die Textfragmente sind das Dazwischen, das Ungesagte und die Stille, die noch lauter schreien. Das Buch hat mich gleichermaßen begeistert, getroffen weil angesprochen und auch verwirrt, wenn ich im Strudel von Luises Gedanken und dem, was sie sagte, meine Schwimmflügel verlor. Die Art und Weise, wie der Roman konstruiert ist, spricht für das feine Gespür der Autorin, Emotionen aufzubauen, im Kopf wachsen zu lassen und hinterrücks zu übermannen, freudig ob der Abkühlung. Einige Gedanken ihre Essstörung betreffend haben mich schon irgendwo aufblicken lassen, vergleichend, aber nicht wiedererkennend, bis auf diesen einen Satz, der unglaublich viel in sich trägt: "Ich bin so unendlich satt von mir, und dabei erinnere ich mich an kaum etwas, das ich in den letzten zwanzig Jahren erlebt habe." (S. 221) - Doch an dieses Buch werde ich mich noch lange erinnern, die Sprachbilder, den Schmerz, die Folgen unbedachter Worte.

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Luise ist Meeresbiologin. Ihr Spezialgebiet ist die Meerwalnuss, eine Quallenart, die das Helmholtzentrum für Ozeanforschung Kiel laut Wikipedia aufgrund der umfangreichen Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme zu den berüchtigsten invasiven Lebewesen zählt. Da sie nicht nur mit einheimischen Fischarten um Nahrung konkurriert, sondern auch deren Eier und Larven frisst, kann sie einen verheerenden Einfluss auf Ökosysteme haben. Man versucht, dem gegenzusteuern, indem man andere Arten als Fressfeind der Meerwalnuss einsetzt, so dass der ökologische Kollaps verhindert werden kann. Es ist also ein spezielles Feld, auf dem Luise arbeitet, und sie tut das mit all ihrer Kraft und Zeit. Sie ist alleinstehend und generell eher eine Einzelgängerin. Als sie für ein Projekt nach Graz eingeladen wird, bedeutet das außerdem eine Reise in ihre Heimatstadt, denn Luise ist dort aufgewachsen. Sie bezieht die Wohnung ihres Vaters, der allerdings nicht vor Ort ist, denn er ist plötzlich erkrankt und bei Luises Bruder, der sich um ihn kümmert. Doch sowohl Luises Beziehung zum Vater als auch die zum Bruder ist abgekühlt und geprägt von einer Sprachlosigkeit, aus der Luise nicht herausfindet. „Aufruhr der Meerestiere“ ist ein nicht ganz leicht fassbarer Roman, der zwischen klaren und uneindeutigen Passagen pendelt. Oftmals sind es Erinnerungen und Gedanken Luises, die wir lesen, alles vermischt sich und nicht immer ist klar, was sich konkret zugetragen hat. Dabei geht es einerseits um das Verhältnis Mensch und Tier, um unser Eingreifen in die Natur, denn zur Ausbreitung der Meerwalnuss hat der Mensch entscheidend beigetragen und steht nun vor der Aufgabe, zu verhindern, dass sie großen Schaden anrichtet. Andererseits sind es die Beziehungen Luises, vor allem zu ihrem Vater, aber auch generell zu ihrer Familie, zu anderen Menschen. Und, mindestens genauso wichtig, ist Luises Verhältnis zu sich selbst, zu ihrem Körper. Lange litt sie unter einer Essstörung, und auch jetzt im Erwachsenenalter ist für sie alles, was mit Nahrungsaufnahme zu tun, nach wie vor problematisch. Ich mochte die Protagonistin aus Marie Gamillschegs Roman, und auch, wenn ich mich manchmal ein wenig verloren habe in Luises Geschichte, so habe ich sie doch sehr gern gelesen. „Aufruhr der Meerestiere“ ist vermutlich kein Buch für Leser:innen, die es gern konkret und eindeutig mögen, einiges bleibt in der Schwebe. Es gelingt der Autorin, ihre (großen) Themen miteinander zu verknüpfen, aufmerksam zu machen, und die Passagen zu Luises Beruf und Forschung sind außerdem sehr lehrreich (von der Meerwalnuss hatte ich noch nie gehört). Demgegenüber steht das Leben Luises als Karrierefrau, als Single, als diejenige, die in ihrer Familie aneckt und Unverständnis erweckt, und die sich doch wünscht, die in vielen Jahren hochgezogenen Mauern endlich niederzureißen. Ein vielschichtiger, empfehlenswerter Roman.

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Ich habe das Buch als e-book gelesen. Auf den ersten Blick hat mich das farbenfrohe Cover angesprochen. Zu Beginn gibt es einen Kontrast zwischen dem Meer, wie im Titel genannt und dem tatsächlichen Schauplatz, eine Skipiste. Diese Gegensätze verwundern einen und saugen dann in die Geschichte hinein. Später geht es um eine Naturwissenschaftlerin, die sehr feinfühlig und kritisch den Wissenschaftsbetrieb sieht und das Ganze sehr realistisch wiedergibt. Sie geht auf aktuelle Probleme von Nachwuchswissenschaftlern ein und erklärt dabei ganz nebenbei verschiedene Folgen des Klimawandels. Die lateinischen Fachbegriffe webt sie dabei ganz leicht und verständlich ein, teilweise wirkt die Sprache jedoch hölzern. Ganz wunderbar spinnt sie die Metapher von Meer und Inseln von ihrer Quallenforschung zu ihrem Seelenleben und bezeichnet sich selbst als Insel, mit ihren Gefühlen abgeschottet von den Mitmenschen. Die ganze Geschichte über zeichnet sie eine sehr vielschichtige Hauptfigur, die beruflich von Anfang an erfolgreich ist, aber privat Zweifel an allem hegt. Ein sehr feinfühliges Buch.

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Ein besonderes Buch

Von: TuGa

01.04.2022

Luise, eine junge Meeresbiologin, die sich auf die Meerwalnuss spezialisiert hat, wird in den Tierpark nach Graz - ihrer Heimatstadt - eingeladen. Sie verbringt die Zeit in der Wohnung ihres abwesenden Vaters und wird bereits auf der Fahrt in die Stadt mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Besonders der erste Teil las sich für mich etwas sperrig und wirr. Die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Gedankenwelt fiel manchmal schwer und auch die (für mich) wenig symphatische Protagonistin machte das Lesen vorerst nicht sehr vergnüglich. Dennoch zieht der Roman den Leser irgendwie in den Bann, so dass ich "Aufruhr der Meerestiere" durchaus als "besonderes" Buch weiterempfehlen kann. Es lohnt sich sicher, den Roman auch ein zweites Mal zu lesen.

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Ein Buch Was nachdenklich macht

Von: Sandra

28.03.2022

Es ist ein außerordentlich ruhiges Buch was mich zum Nachdenken gebracht hat. Ich hatte dennoch Freude mit der Geschichte. Man erfährt was über die Meerwalnuss, eine geisterhafte Qualle im Dunkel der Ozeane, das ist Luise ihr Spezialgebiet. Habe vorher noch nie etwas davon gehört gehabt. Wer ein ruhiges, gefühlvolles und trotzdem unterhaltsames Buch sucht ist hier bestens aufgehoben.

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Intensive aufwühlende Geschichte

Von: Janina

26.03.2022

Luise ist jung und erfolgreich, hat als anerkannte Meeresbiologin mit ihrem Fachgebiet der Meereswalnuss viel erreicht. Gute Voraussetzungen für ein glückliches Leben, so scheint es. Und doch kämpft Luise, als sie aus beruflichen Gründen in ihren Heimatort Graz zurück kehrt. Mit der Beziehung zu ihrem Vater, zu einem Mann sowie mit ihrer Vergangenheit. Luise weiß nicht wo sie steht und was sie will, durch ihre Rücker an den Ort ihrer Kindheit, wird sie gezwungen sich mit Situationen und Menschen auseinander zu setzen die sie bisher verdrängt hatte. Luise hängt zwischen Vergangenheit und Gegenwart fest und dann ist da auch noch die Sache mit der Meereswalnuss. Das Buch ist in einen sehr intensiven Schreibstil verfasst. Der Leser wird mitgenommen in Luises inneres zu schauen und hält sich überwiegend in ihrer Gedankenwelt auf, die in facettenreicher Sprache und mit viel Metaphern beschrieben wird. Das Buch hat einen langsamen Erzählstil, so dass der Fokus tatsächlich nicht so sehr auf der Handlung sondern viel mehr auf der Protagonistin selbst liegt. Das Buch war nicht immer leicht zu lesen, da es oft schwierig war Luises melancholischen Gedankengängen zu folgen. Es ist eine besondere und intensive Geschichte mit schwierigen Themen die den Leser auch noch nach dem Buch beschäftigen. Der Schreibstil ist jedoch bestimmt nicht jedermanns Geschmack, da er aus den Klappentext nicht hervor geht, ist zunächst das Lesen der Leseprobe zu empfehlen. Wer jedoch ein besonderes, zum Nachdenken anregendes und ruhiges Buch lesen möchte, dass schwierige Themen dieser Zeit anspricht, wird Freude an diesem Buch haben. Was dem Buch aber leider auf jeden Fall fehlt, ist eine Trigger Warnung. Ich würde keinen Menschen mit Essstörung oder anderen akuten psychischen Problemen den Roman empfehlen.

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Dieses Buch geht nahe!

Von: luslibrary

20.03.2022

Luise ist stark. Luise braucht niemanden. Luise ist eine Insel; und um diese zu erreichen, muss man einen Ozean überqueren. Genauso liest sich "Aufruhr der Meerestiere" auch. Ich kann meine Gedanken zu diesem Roman kaum in Worte fassen, denn er lässt mich irgendwie fassungslos zurück. Doch nicht auf die negative Art, sondern auf eine bedeutsame Art und Weise. Den Leser*innen bietet Marie Gamillscheg eine junge Protagonistin, wie sie anfänglich eine von vielen dieser jungen Frauen ist, die nie anzukommen scheinen und deren Wurzeln in der Welt der Beziehungen, sich nicht vertiefen können. Das Lesen hat sich angefühlt, als würde ich mit Luise auf ihrer Insel sitzen und gleichzeitig zusehen, wie die Menschen um uns herum, sich in dem großen Ozean abzustrampeln um unsere Insel zu erreichen. Dieser Roman hat mich viel zum Nachdenken angeregt und ich weiß, dass ich dieses Buch noch einmal lesen muss um es ein Stückchen besser verstehen zu können. Der Schreibstil ist sehr prosaisch und lebt von Metaphorik, was das Lesen zum einen erschwert, zum anderen aber das Gemeinte wieder greifbarer macht. Wir lernen viel über Luise, ihre Kindheit und Gegenwart, über ihre Selbstauffassung und ihre momentanen Beziehungen zu der Familie, einem Mann, Freunden. Doch dieses Buch hat auch eine Triggerwarnung verdient, und ich empfehle es niemanden, der unter Essstörungen oder damit einhergehenden Selbstwahrnehmungsstörungen leidet.

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Lesenswert

Von: Lesehummel

16.03.2022

Luise ist 32 und promovierte Meeresbiologin. Ihr Spezialgebiet ist die Meerwalnuss: eine Rippenqualle, die sich in den Meeren der Welt ausbreitet und welche als sogenannte Invasive Art für so manchen Wirbel in den Ozeanen sorgt. Luise soll für einige Zeit beruflich von Kiel nach Graz reisen, um an einem Projekt des örtlichen Tierparks mitzuwirken. Doch Graz ist mehr als eine von vielen beruflichen Zwischenstationen in ihrem Leben, denn Graz ist ihre Heimatstadt, Erinnerung an die eigene Kindheit und Ort einer entrückten Vergangenheit. Luise bezieht die Wohnung ihres Vaters, der gerade in Nürnberg bei ihrem Bruder ist. Die familiären Beziehungen sind schwierig, stets vorwurfsvoll und geprägt von einer immerwährenden Sprachlosigkeit. Nebenbei kämpft Luise mit einer Essstörung , fühlt sich einsam und hängt in einem Schwebezustand zwischen Gegenwart und Gedanken an die Vergangenheit fest, versucht sich ihrer Kindheit zu stellen und das Leben irgendwie zu managen. Gamillscheg schreibt in einer facettenreichen Sprache - nicht immer unbedingt einfach zu lesen, aber herausfordernd und insgesamt doch bemerkenswert ruhig. Vieles wird angedeutet, aber nicht immer ganz auserzählt. So wird der Leser oft in der Schwebe gelassen, was Luise uns wirklich von sich erzählen will, und es bleibt so manche Interpretation offen. Insgesamt handelt es sich bei "Aufruhr der Meerestiere" um einem guten, vielschichtigen Roman mit teilweise durchaus auch emanzipatorischen Zügen über eine Frau, die immer noch in familiären Kreisen eingeengt ist und ihre Fesseln aufbrechen will. Die sich in die Arbeit stürzt und bis auf den Boden ihrer Identität vordringt. Kein easy-read, aber ein durchaus lesenswerter Entwicklungsroman einer Erwachsenen Frau.

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