Es war einmal vor vielen, vielen Jahren, da habe ich mit Vorliebe Pferdebücher gelesen. Eines davon war „Der Sieger von Siena“ von Marguerite Henry. Es geht darin um das berühmte Pferderennen Palio, das jeden Sommer in Siena in der Toskana ausgetragen wird. Der Roman erzählt die Geschichte der Wunderstute Gaudenzia und von ihrem Freund Giorgio, einem Jungen aus der Maremma. Seit ich dieses Buch gelesen hatte, wollte ich unbedingt mal nach Siena reisen und das ist mir bisher zweimal geglückt. Den Palio habe ich allerdings noch nicht live erlebt. Bei dem Rennen treten Jockeys der verschiedenen Stadtteile (Contrade) gegeneinander an und die Rivalität der Contrade wird das ganze Jahr über leidenschaftlich gelebt.
In „Sterne über Siena“ geht es um Emilia Volani, Tochter von Luciano, der nicht nur Chef einer großen Schuhfabrik ist, sondern auch „Capitano“ der Contrada des Turms. Seit Jahren kämpft Emilia vergeblich um die Anerkennung ihres Vaters – seit ihr Bruder Matteo tödlich verunglückt ist, der einst der ganze Stolz und designierte Nachfolger ihres Vaters war. Seit dem Unfall vor 15 Jahren versinkt Luciano in seiner Trauer, seine beiden Töchter Emilia und Aurelia kommen nicht mehr an ihn heran.
Nun aber hat sich Aurelia ausgerechnet in Settimio Graziotti verliebt. Die Graziottis gehören der Contrada der Gans an, von jeher die erklärten Feinde der Contrada des Turms. Aber darüber hinaus hasst Luciano Volani die Familie Graziotti noch aus ganz persönlichen Gründen, die mit dem Unfalltod von Matteo zusammenhängen. Dass nun ausgerechnet seine Tochter und ein Sohn des Feindes sich ineinander verlieben, wäre ja schon schlimm genug. Aber nun hat Settimios Vater Francesco ein Pferd entdeckt, das er für eine Nachfolgerin der berühmten Stute Gaudenzia hält. Und dieses Pferd, Nebbia, hat in seinen Augen das Zeug dazu, der nächste Palio-Gewinner zu werden.
Luciano Volani will unbedingt verhindern, dass Nebbia beim Palio antritt, und Emilia, die sich davon seine Anerkennung erhofft, soll ihm dabei helfen. Auch ihre fintenreiche Großmutter hat dazu so manchen Einfall. Doch Emilia hat nicht mit Alessio gerechnet, Settimios Bruder, der ihr allen Widerständen zum Trotz immer mehr gefällt. Als Alessio dahinterkommt, welche Rolle Emilia in den Intrigen ihres Vaters spielt, scheint die zart aufkeimende Liebe zwischen den beiden für immer zerstört. Und dann schließen ausgerechnet die beiden alten Sturschädel Luciano Volani und Francesco Graziotti eine Wette miteinander ab, deren Ausgang so oder so weitreichende Folgen haben wird…
Schon den Prolog des Romans fand ich ganz wunderbar und damit hatte mich die Geschichte sofort in ihren Bann gezogen. Die Handlung wird abwechslend aus Emilias und Alessios Sicht erzählt, hin und wieder kommen auch andere Figuren des Romans zu Wort. So kommt es an den Kapitelenden immer wieder zu Cliffhangern und vor allem am Ende, als schließlich der schicksalhafte Palio stattfindet, steigert sich die Spannung ins schier Unerträgliche, so dass ich beim Lesen beinahe vergessen habe, Luft zu holen, und richtig Herzklopfen hatte.
Neben der Liebesgeschichte à la Romeo und Julia wird die Geschichte des Palio wunderbar anschaulich erzählt und auch die negativen Aspekte (Bestechung, Tierschutz) werden nicht verschwiegen, das hat mir besonders gut gefallen. Außerdem ist die Atmosphäre Sienas förmlich mit Händen greifbar und so ertappte ich mich zwischendurch dabei, wie ich Siena auf Google Maps besuchte und dabei in Erinnerungen an meine Reisen dorthin schwelgte.
Fazit: Ein wunderbar vielschichtiger Roman, extrem spannend und atmosphärisch, den man überhaupt nicht mehr aus der Hand legen kann. Perfekte Sommerlektüre, nicht nur für Toskana-Reisende! Übrigens: Für alle Schleckermäuler gibt’s im Buchanhang auch noch einige leckere toskanische Rezepte.