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Rezensionen zu
Was von Dora blieb

Anja Hirsch

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€ 20,00 [D] inkl. MwSt. | € 20,60 [A] | CHF 27,90* (* empf. VK-Preis)

Im März erschien im Bertelsmann Verlag der Roman „Was von Dora blieb“ von Anja Hirsch. Ihr Roman ist inspiriert von der eigenen Familiengeschichte und erzählt aus der Kriegsenkelperspektive von drei Generationen Familie und einem ganzen Jahrhundert in Deutschland. Klingt erstmal nicht so nach einem Buch, das man auf meinem Blog erwarten würde, oder? Aber der Klappentext hat mich dann doch direkt in seinen Sog gezogen und ich wollte das Buch unbedingt lesen. Klappentext: „Es war sehr still in unserem Haus. Nur die vielen Uhren tickten alt und wie aus der Zeit gefallen. In meiner Vorsstellung starb meine Großmutter an einem Abend, als alle Uhren der Reihe nach verstummten, weil mein Vater unter dem Schock der Nachricht, die langsam in ihm aufdämmerte, vergessen haben muss, sie vor dem Schlafengehen noch einmal aufzuziehen. Isa steht an einem Wendepunkt. Zeit, sich mit alten Ängsten auseianderzusetzen. Etwa mit ihrer gefürchteten Großmutter Dora. Wer war diese Frau mit dem eisblauen Blick, die in den schillernden 1920er Jahren in Essen Kunst studierte? Welche Rolle spielte Isas Großvater im Zweiten Weltkrieg? Und warum schickten die beiden Isas Vater auf eine der berüchtigten Napola-Schulen? Je tiefer Isa in die Geschichte ihrer Vorfahren vordringt, umso klarer wird ihr Blick auf Dora – und auf sich selbst.“ Ehrlich gesagt musste ich erst einmal nachlesen, was Napola-Schulen denn überhaupt waren. Ich kann diesen Ausdruck nicht. Mich gruselt es immer wieder, wenn ich über solche Einrichtungen lese… Die Rahmenhandlung des Romans hat mir gut gefallen. Denn Isa hat Eheprobleme und braucht eine Auszeit. In dieser Zeit setzt sie sich mit einer Umzugskiste auseinander, in der sich Fotos, Tagebücher und Briefe ihrer Großmutter befinden. In eine fantastische Sprache eingebettet, verfolgte ich voller Spannung, Isas und Doras Lebenswege. Und dies deutet auch noch einmal mehr darauf hin, warum mich dieses Buch angesprochen hat: es spielt auf zwei Zeitebenen. Und Familiengeschichten auf zwei Zeitebenen finde ich immer interessant. „Was von Dora blieb“ ist übrings Anja Hirschs Debüt. Das fand ich überraschend, da ich es sprachlich wirklich überzeugend und ausgereift finde und nicht überrascht gewesen wäre, wenn sie schon weitere Bücher veröffentlicht gehabt hätte. Noch so eine kleine Leseempfehlung für Euch!

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Was bleibt denn von Dora wirklich?

Von: Gerhard Rupp aus Sprockhövel

19.08.2021

Bedeutungsschwer fragt Anja Hirsch in ihrem Erstlingsroman, „was von Dora blieb“. Sie übergibt diese Frage an Isa, ihre Protagonistin und Ich-Erzählerin, in gleicher Weise, wie Isas Eltern ihr ein Paket mit Hinterlassenschaften ihrer 1906 geborenen Großmutter zur Auswertung und Sortierung überlassen haben. Die Autorin lässt Dora in personalem Erzählstil auch selbst auftreten, zusätzlich auch deren Sohn Gottfried und ihren Mann Max. So kommt die Jugend Doras in den Zwanziger Jahren und ihre Freundschaft zu der übermütig unangepassten Maritz, ihre Liebelei mit dem politisch links aktiven Frantek und die Kunststudiumbegeisterung des ‚Dreigestirns’ an der neu gegründeten Folkwangschule in den Blick. Doras Lebensweg orientiert sich schlagartig in dem Moment neu, als sie einer Beziehung ihrer besten Freundin Maritz zu ihrem Frantek auf die Spur kommt ( „ […] ihre beiden Lebensmenschen hatten sie verraten“, 141). Sie bricht das Studium ab und läuft in den sicheren Hafen einer Ehe mit dem IGFarben-Direktor Max Schubert in Mannheim-Ludwigshafen ein. Allerdings wird sie auch hier enttäuscht, denn das bürgerliche Modell einer die Kinder versorgenden Hausfrau bei abwesendem Ehemann erfüllt sie auch nicht. Was blieb bzw. bleibt von Dora? Die Erinnerung an die nie verwundenen Traumata von Krieg und Nachkriegszeit; das Leiden unter Klischees und gesellschaftlich vorgegebebenen Rollenmustern; die Einsicht in eine unmenschliche Erziehung: „ […] durch die Erziehung waren Beziehungen zur Härte verwirkt, die menschlicher, herzlicher hätten sein können“ (255); und der Mangel an Selbstsicherheit, der zur Abschottung im eigenen Ich führt und zur ständigen Beziehungssuche und zur (politischen) Inaktivität. Diese Themen übertragen sich auch ‚transgenerationell’ auf ihre Enkelin Isa, die ihrerseits ihre Liebe zu ihrem Mann Paul verloren hat aufgrund dessen Beziehung zu einer anderen Frau. Sie lässt sich mti einem Nachbarn namens Gustav ein, denkt aber immer noch, auch während des Liebesaktes mit Gustav, an ihren Paul. Auch hier ist es ein an sie gerichteter Brief, der ihr Leben verändert: Paul bittet um einen Neu-Anfang, auf den sie sich um ihrer gemeinsamen Geschichte willen einlässt („das alte Gefühl freilegen mit Paul“, 318). So ist es ist allerlei, was von Dora bleibt, und es ist ein Sammelsurium, das Gegenstand (distanzierter) Berobachtung und durch die fehlende Verbindung zum Handeln fast bedeutungslos ist.. Auf der Handlungsebene bleibt letztlich Optimistisches von Dora zurück: wenn Dora sich nicht mit Maritz aussöhnen kann, können es die Söhne. Und: die Trennung Isas von Gustav (der bedeutungsvoller Weise zum Thema des gelingenden Lebens forscht) und der Neubeginn mit Paul verlaufen für Isa fast geräuschlos und freundschaftlich. Das (autobiographische) Modell des Erforschens und Verstehens der eigenen Vergangenheit und des „Zurückerzählens“ erweist sich als Königsweg zur gelingenden, glücklichen Lebenspraxis. Man sollte das Buch am Stück lesen und sozusagen gegen die Zerstückelung der Erzählstränge Dora, Isa und Gottfried zum Zweck des Einbaus von Cliff-Hangern. Dann kommt man rein in den Erinnerungsstrom der Nachkriegsjahre bis zur unmittelbaren Gegenwart. Aufschlussreich am Schluss ist die Selbstthematisierung der Autorin und die Abgrenzung von Formen von der Erinnerungs(-schreib)-Arbeit (vgl. 280).

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