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Rezensionen zu
Was von Dora blieb

Anja Hirsch

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Was bleibt denn von Dora wirklich?

Von: Gerhard Rupp aus Sprockhövel

19.08.2021

Bedeutungsschwer fragt Anja Hirsch in ihrem Erstlingsroman, „was von Dora blieb“. Sie übergibt diese Frage an Isa, ihre Protagonistin und Ich-Erzählerin, in gleicher Weise, wie Isas Eltern ihr ein Paket mit Hinterlassenschaften ihrer 1906 geborenen Großmutter zur Auswertung und Sortierung überlassen haben. Die Autorin lässt Dora in personalem Erzählstil auch selbst auftreten, zusätzlich auch deren Sohn Gottfried und ihren Mann Max. So kommt die Jugend Doras in den Zwanziger Jahren und ihre Freundschaft zu der übermütig unangepassten Maritz, ihre Liebelei mit dem politisch links aktiven Frantek und die Kunststudiumbegeisterung des ‚Dreigestirns’ an der neu gegründeten Folkwangschule in den Blick. Doras Lebensweg orientiert sich schlagartig in dem Moment neu, als sie einer Beziehung ihrer besten Freundin Maritz zu ihrem Frantek auf die Spur kommt ( „ […] ihre beiden Lebensmenschen hatten sie verraten“, 141). Sie bricht das Studium ab und läuft in den sicheren Hafen einer Ehe mit dem IGFarben-Direktor Max Schubert in Mannheim-Ludwigshafen ein. Allerdings wird sie auch hier enttäuscht, denn das bürgerliche Modell einer die Kinder versorgenden Hausfrau bei abwesendem Ehemann erfüllt sie auch nicht. Was blieb bzw. bleibt von Dora? Die Erinnerung an die nie verwundenen Traumata von Krieg und Nachkriegszeit; das Leiden unter Klischees und gesellschaftlich vorgegebebenen Rollenmustern; die Einsicht in eine unmenschliche Erziehung: „ […] durch die Erziehung waren Beziehungen zur Härte verwirkt, die menschlicher, herzlicher hätten sein können“ (255); und der Mangel an Selbstsicherheit, der zur Abschottung im eigenen Ich führt und zur ständigen Beziehungssuche und zur (politischen) Inaktivität. Diese Themen übertragen sich auch ‚transgenerationell’ auf ihre Enkelin Isa, die ihrerseits ihre Liebe zu ihrem Mann Paul verloren hat aufgrund dessen Beziehung zu einer anderen Frau. Sie lässt sich mti einem Nachbarn namens Gustav ein, denkt aber immer noch, auch während des Liebesaktes mit Gustav, an ihren Paul. Auch hier ist es ein an sie gerichteter Brief, der ihr Leben verändert: Paul bittet um einen Neu-Anfang, auf den sie sich um ihrer gemeinsamen Geschichte willen einlässt („das alte Gefühl freilegen mit Paul“, 318). So ist es ist allerlei, was von Dora bleibt, und es ist ein Sammelsurium, das Gegenstand (distanzierter) Berobachtung und durch die fehlende Verbindung zum Handeln fast bedeutungslos ist.. Auf der Handlungsebene bleibt letztlich Optimistisches von Dora zurück: wenn Dora sich nicht mit Maritz aussöhnen kann, können es die Söhne. Und: die Trennung Isas von Gustav (der bedeutungsvoller Weise zum Thema des gelingenden Lebens forscht) und der Neubeginn mit Paul verlaufen für Isa fast geräuschlos und freundschaftlich. Das (autobiographische) Modell des Erforschens und Verstehens der eigenen Vergangenheit und des „Zurückerzählens“ erweist sich als Königsweg zur gelingenden, glücklichen Lebenspraxis. Man sollte das Buch am Stück lesen und sozusagen gegen die Zerstückelung der Erzählstränge Dora, Isa und Gottfried zum Zweck des Einbaus von Cliff-Hangern. Dann kommt man rein in den Erinnerungsstrom der Nachkriegsjahre bis zur unmittelbaren Gegenwart. Aufschlussreich am Schluss ist die Selbstthematisierung der Autorin und die Abgrenzung von Formen von der Erinnerungs(-schreib)-Arbeit (vgl. 280).

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