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Rezensionen zu
Der Beginn

Carl Frode Tiller

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

Leben

Von: Frau Lehmann

11.10.2019

"Ich wartete noch einen Moment, dann zog ich den Wagen auf die Gegenfahrbahn." Terje liegt nach einem Suizidversuch im Krankenhaus, seine Lebenszeit ist nur noch knapp bemessen. Er blickt zurück, immer weiter in Richtung Vergangenheit. Carl Frode Tiller erzählt von einem Leben, in dem es von Anfang an nur wenig Chancen gibt. Terjes Mutter kämpft mit Depressionen und Alkohol, sein Vater verlässt die Familie schon früh. Nicht erkannte und nicht behandelte Depressionen führen wohl auch zu Terjes Selbstmord. Erkennen kann man das aber nur im Nachhinein, im täglichen Überlebenskampf bleibt keine Zeit für solche Schlussfolgerungen. Stück für Stück folgen wir Terje zurück in seiner Lebensbahn, lesen von der gescheiterten Ehe, dem schlechten Verhältnis zu Mutter und Schwester, erfahren von seinen Gewaltausbrüchen als Teenager und den Überforderungen seiner Kindheit. Vieles bleibt für den Leser im Moment des Lesens undurchsichtig, klärt sich bruchstückhaft erst mit dem nächsten Schritt. Mal liegen nur Tage zwischen den einzelnen Momenten, mal sind es Jahre. Immer ist da aber Terje, schwankend zwischen Aggression und maskenhaftem Lächeln. Ein düsteres, realistisches Bild zeichnet Tiller in diesem Roman. Zeigt, dass die Wurzeln für einen Suizid ganz weit in der Vergangenheit liegen können, verschüttet durch den Alltag und Phasen des vermeintlichen Glücks. Mit dem Ende vor Augen, erhalten die einzelnen Szenen eine ganz andere Bedeutung, achtet man auf Anzeichen weitaus mehr als man das hätte tun können, wäre der Roman dem normalen Lebensverlauf gefolgt. Dass das Konzept überhaupt aufgeht, ist Tillers Schreibstil zu verdanken. Immer geradlinig, mit schwarzem Humor, lässt er den Leser nicht komplett in Düsternis versinken. Er bleibt nah an seinem Protagonisten und ihm gelingt dabei das Kunststück, Terjes Handlungsweisen nachvollziehbar zu machen, selbst bei Gewaltausbrüchen. Trotz der Bruchstücke bleibt ein roter Faden erkennbar. Ein ganzes, kompliziertes Leben so lakonisch in Worte zu fassen, das ist nicht jedem gegeben. Daher verwundert es auch nicht zu lesen, dass Tiller zu Norwegens bedeutendsten Gegenwartsautoren gehört.

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Am Anfang steht das Ende. Terje liegt nach einem Suizidversuch im Krankenhaus und wird sterben. Ist er nun bei Bewusstsein, befindet er sich in einem Zwischenstadium? Denn er kann mit Mutter und Schwester, die zu ihm ans Krankenbett gekommen sind, nicht sprechen. Ihm ist bewusst, dass es kein Zurück gibt, dass man ihn nicht wird retten können, und so reist er gedanklich in die Vergangenheit, um nachzuspüren, wie es so weit kommen konnte, frei nach Søren Kierkegaard, in dessen berühmtem Zitat es ja heißt, verstehen könne man das Leben nur rückwärts, während es vorwärts gelebt werden müsse. So geht es nun rückwärts in Carl Frode Tillers neuem Roman, auf den „Beginn“ zu, und immer steht die Frage im Raum, ob wir, einmal dort angekommen, dann wirklich verstehen werden, wieso Terje beschlossen hat, nicht mehr weiterleben zu wollen. Die Konstruktion erinnert stark an Inger Maria Mahlkes 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Archipel“, mit dem Unterschied, dass es dort ein gesamtes Jahrhundert war, das auf diese Weise erzählt wurde, über mehrere Generationen hinweg, während bei Tiller ein einziges Leben im Mittelpunkt steht. Wir lesen also aus Terjes Leben, die Kapitel jeweils überschrieben mit der Angabe des Zeitraums, den wir in die Vergangenheit springen. Die Schritte sind sehr unterschiedlich groß, manchmal geht es nur ein paar Tage zurück, oft Wochen und Monate, manchmal auch einige Jahre. Tiller macht das geschickt: Immer wieder war ich beim Lesen irritiert, habe mich gewundert über Terjes barsches Auftreten, seine Selbstgerechtigkeit, sein Verhalten gegenüber Menschen, die ihm doch wichtig sind, doch nach und nach habe ich ihn verstanden. Manchmal ist es eine Situation, die direkt nachgeliefert wird und zum Verständnis beiträgt, doch mit Fortschreiten der Lektüre ist es mehr und mehr ein großes Ganzes, das immer deutlicher wird. Zu Beginn des Romans hat Terje eine Frau, von der er getrennt lebt, eine jugendliche Tochter, eine alkoholkranke Mutter und eine Schwester, mit der er in einer Art Hassliebe verbunden ist. Das Verhältnis zu ihnen allen ist kompliziert. Terje selbst ist ein schwieriger Charakter, fährt schnell aus der Haut, wirkt arrogant und hält sich oft für klüger als sein Umfeld, wobei es sicher stimmt, dass er seine Mitmenschen schnell durchschaut. Es gibt aber auch den selbstkritischen Terje, denjenigen, der in Situationen, in denen er ungerecht oder gar eklig zu seinen Liebsten ist, genau um sein falsches Verhalten weiß. Es sind Situationen, in denen er Worte noch im Moment des Aussprechens bereut, aber nicht aus seiner Haut kann. Carl Frode Tiller gelingt es, diesen zerrissenen Charakter in seiner Ambivalenz zum Leben zu erwecken, einen Protagonisten, den man oft nicht ausstehen kann, den man aber nach der Lektüre glaubt, zu verstehen, und dem man sehr nah gekommen ist. Natürlich stellt sich dabei die Frage, ob sich der Entschluss, sich das Leben zu nehmen, anhand der rückwärts gelebten Lebensgeschichte wirklich befriedigend erklären lassen kann und vor allem, ob es eine Frage der Schuld ist, die hier beantwortet werden soll. Terje hat früh einschneidende Verluste erlitten, die ihn sein Leben lang prägten, aber ist es wirklich so einfach? Tiller lässt seine Leser das Geschehen selbst einordnen, und das ist gut so. Ich habe immer wieder gehadert mit der chronologisch umgekehrten Weise des Erzählens. Es liegt auf der Hand, dass sie Vor- und Nachteile hat. Einerseits ist es spannend, erst von einem Ereignis zu lesen und danach von dem, was unmittelbar auf dieses Ereignis hingeführt hat. Andererseits bricht die Erzählung immer wieder ab, wo man sie gerade ganz einfach nicht verlassen möchte. Auch lässt Tiller bewusst immer wieder größere Zeitabschnitte unter den Tisch fallen, so dass Leerstellen bleiben. Es wäre interessant, „Der Beginn“ nach Beenden der Lektüre noch einmal in umgekehrter Reihenfolge zu lesen, also chronologisch vom Damals ins Heute. Ob Tiller seinen Roman auf diese Weise geschrieben und später die Kapitel umgekehrt angeordnet hat? „Der Beginn“ erscheint bei uns im Vorfeld zur Frankfurter Buchmesse, wo Norwegen in diesem Jahr Gastland ist. Carl Frode Tiller wird dort sein, um diese oder ähnliche Fragen zu beantworten. Sein Roman gibt tiefe und schonungslose Einblicke in ein Leben, das mit der Zeit aus den Fugen gerät und hallt auch einige Zeit nach Beenden der Lektüre noch nach.

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"Der Beginn" vom norwegischen Schriftsteller Carl Frode Tiller ist ein Roman über Depressionen, Alkoholismus und die daraus entstehenden Familienkonflikte, erzählt auf eine außergewöhnliche Art und Weise. Der Protagonist Terje begeht zu Beginn des Buches einen Selbstmordversuch und lässt daraufhin sterbend im Krankenhaus sein Leben Revue passieren. Dabei schildert er die für ihn prägenden Lebensabschnitte, die Einfluss auf seinen Selbstmordversuch hatten, wie z.B. die Alkoholkrankheit seiner Mutter oder das frühe Verschwinden seines Vaters. Diese kurzen Abschnitte erzählt er aus seiner Perspektive von der Gegenwart rückwärts in die Vergangenheit im Kindesalter. Der ausdrucksstarke Schreibstil hat mir von Beginn an unglaublich gut gefallen, er lässt sich sehr flüssig lesen und schafft eine mitreißende Atmosphäre. Die in dem Buch im Vordergrund stehenden psychischen Erkrankungen der Familienmitglieder (Terje, seine Mutter und seine Schwester) beschreibt Carl Frode Tiller eindrucksvoll, sodass ich ein gutes Gefühl dafür bekommen habe, wie es sich anfühlen muss darunter zu leiden. Leider wurde mir Terje durch seine, Gedanken, Aussagen und Handlungen im Verlauf der Geschichte zwar immer unsympathischer, aber das hat die Geschichte auf eine gute Weise ergänzt. Einen sehr interessanten Aspekt fand ich im Übrigen die Verbindungen der psychischen Erkrankungen unter den Familienmitgliedern. Öfters habe ich mich gefragt, ob die Veranlagung dazu genetisch bedingt ist oder er durch die Behandlung der Mutter in der Kindheit so geworden ist. Oder ob es eher ein Zusammenspiel von beidem ist. Die Schilderung der einzelnen Lebensabschnitte in umgekehrter Reihenfolge fand ich sehr außergewöhnlich. Obwohl ich mir zum Schluss gedacht habe, dass ich das Buch jetzt eigentlich noch einmal von vorne hätte lesen müssen, um die Beweggründe zu Beginn der Geschichte besser zu verstehen. Zudem fand ich es schade, dass zwischen den einzelnen Abschnitten teilweise so große Zeitsprünge stattgefunden haben. In bestimmten Situationen hätte ich gerne gewusst, was zu dem Zeitpunkt in Terjes Leben noch passiert ist. "Der Beginn" ist ein sehr bewegendes Buch, das mich vor allem durch den beeindruckenden Schreibstil in den Bann gezogen hat. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung, vorausgesetzt man möchte sich auf die besondere Art der Erzählung einlassen.

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Terje liegt nach einem Suizidversuch im Sterben. Er lässt sein Leben revue passieren. >Das Leben kann nur rückwärts verstanden werden, gelebt werden muss es vorwärts< Søren Kierkegaard Terje, ein Klimaforscher, ist ein sehr komplizierter und kompromittierender Zeitgenosse. Seine Kindheit verlief suboptimal und er scheint nun das Produkt dieser lieblosen Erziehung zu sein. Die Mutter, depressiv und stark Alkoholkrank, der Vater meist abwesend. Er fühlt sich verlassen und spiegelt dies mit seiner ruppigen, voller Ironie und Sarkasmus geladenen Haltung nach außen. Er versprüht geradezu diese toxische Mischung und ein Gegenmittel lässt sich nicht finden. Seine Frau Turid und seine Tochter Marit lieben ihn trotz seiner Eigenart. Ja, er ist ein faszinierender Unsympath. Er hat sich in seinem Beruf einen Namen gemacht, fachlich ist er höchst kompetent. Menschlich ein Versager. Immer wieder wird von Gefühlen übermannt, die ihm vermitteln wollen, dass obwohl er sich alleine, im Büro, in der Garage etc. aufhält, noch jemand in seiner unmittelbaren Nähe sich aufhält. Nun, nach seiner unglaublichen Odyssee seines Lebens, liegt er im Sterben, alle möglichen Geschichten und Ereignisse fallen ihm ein. Sein anstrengendes Leben zieht an ihm vorbei. Fazit: Carl Frode Tiller hat hier etwas sehr außergewöhliches zu Papier gebracht. Eine Lebensgeschichte, wohl eher ein Schicksal, vom Sterbebett betrachtet. Terje, um den es hierbei hauptsächlich geht, ist oftmals so dermaßen dreist und berechnend, dass einem die Spucke im Halse stecken bleibt. Das fassungslose Kopfschütteln nicht zu vergessen. Dieses Buch genießt einen gewissen Grad an Anspruch, denn Tiller wechselt von Kapitel zu Kapitel die Zeiten der Vergangenheit. Das kann verwirren. Leider weist die Story Längen auf, und zwar wenn Terje sehr ausschweifend und langatmig über seine Forschungsergebnisse und Prognosen berichtet. Mein Interesse zu dieser Thematik ist durchaus vorhanden, doch da ist es mir zu viel des Guten. Carl Frode Tiller hat hier zwei Schwerpunkte in seinem Buch beschrieben. Zum einen das Produkt einer konfusen Kindheit, die Gene mit eingeschlossen, und zum anderen die globale Krise. > Der Beginn < werte ich als ein durchaus faszinierendes und sehr bewegendes Buch , dekoriert mit einigen poetischen Pralinés. Leseempfehlung ! 4,5 von 5

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