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Rezensionen zu
Neujahr

Juli Zeh

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Neujahr

Von: Miss.mesmerized

16.09.2018

Henning und Theresa haben mit den Kindern zwei Wochen Urlaub auf Lanzarote gebucht; ideal, um der kalten Jahreszeit in Deutschland zu entfliehen. Dass auf den Kanarischen Inseln Weihnachten und Neujahr wenig feierlich ausfallen wird als sie es gewohnt sind und dass eine Ferienwohnung weniger Spielraum bietet als das eigene Heim, hatten sie jedoch nicht bedacht und so ist die Stimmung am ersten Januar ziemlich am Boden. Henning beschließt einen der guten Vorsätze in die Tat umzusetzen, was ihm zudem eine Auszeit von der Familie ermöglicht. Er steigt auf das Leihfahrrad und stemmt sich gegen den Wind den Berg hinauf. Alleine dem Wetter ausgesetzt kommen plötzlich auch die Gedanken auf Touren und je mehr er gegen den schweren Anstieg kämpft, desto mehr beginnt er sein Leben zu hassen: der Job, mit dem er nicht zufrieden ist und der ihn überfordert, die Kinder, die permanent etwas von ihm wollen, auch Theresa, die offenbar alle anderen Männer attraktiver findet als ihren eigenen. Ausgelaugt und mental am Ende erreicht er das Ziel, doch was ihn dort erwartet, wird sein Leben in einem anderen Licht erscheinen lassen. Juli Zeh hat einen weiteren Lanzarote Roman geschrieben, der sich nicht so ganz in ein literarisches Genre pressen lässt. Er beginnt als typischer Gesellschaftsroman mit einem Protagonisten, der stellvertretend für viele sein Leben in Frage stellt und kurz davor steht, vor dem überwältigenden Alltag zu kapitulieren. Seit einiger Zeit schon leidet er unter Panikattacken, die er jedoch vor seiner Frau verheimlichen muss, da sie dafür nur Verachtung übrig hat. Seine Ankunft auf der Bergspitze und die physische Erschöpfung scheinen zunächst eine gewisse Ruhe in ihm auszulösen, doch das abgeschiedene Haus löst plötzlich eine Erinnerung, von der er nicht wusste, dass er sie hatte, und der Roman entwickelt sich zu einem beklemmenden Thriller. Die Konzentration auf Henning bringt die Zwänge unserer Tage ungehindert auf den Punkt: der Mensch muss funktionieren, pflichtbewusst seine Rollen in Beruf, Familie und Gesellschaft erfüllen und dabei Kritik wegstecken, oder besser: weglächeln, können. Ist die Autorin für ihre gesellschaftskritischen Romane bekannt, so zeigt sich dieses Mal die Kritik im Nukleus der Familie. Es beginnt schon bei der Frage, was eigentlich eine „echte“ Familie ist und gnadenlos lässt Zeh den Schein der Bilderbuchfamilie mit zwei liebreizenden Kindern mit Hennings Wahrnehmung und seiner Rolle als Vater kollidieren. Er schreit das hinaus, was ihm eigentlich verboten ist: er hasst sein Leben und seine Kinder. Sein eigenes Dasein, seine Panikattacken werden nicht ernstgenommen und er muss zurückstecken – immer und immer wieder. Die Episode im abgeschiedenen Haus lässt sich zunächst schwer einordnen, phantasiert Henning, hat sich dies wirklich zugetragen und vor allem so zugetragen? Waren er und seine Schwester über Tage als Kleinkinder alleingelassen? Er scheint eine Erklärung für seine psychischen Probleme gefunden zu haben – wie schön, denn endlich gibt es einen Schuldigen und es ist nicht sein Alltag. Doch genau diesem müsste er sich eigentlich stellen und das in Ordnung bringen, was im Argen liegt. Der Roman braucht einige Zeit, bis er einem als Leser packt, doch dann zeigt sich das Könnend r Autorin. Als Ganzes betrachtet ist er dramaturgisch überzeugend aufgebaut, nichtsdestotrotz bleibt aber ein Bruch zwischen den Ereignissen des Neujahrstages und den Erinnerungen. Dies tut dem Gesamturteil aber keinen Abbruch.

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Rezension: Neujahr – Juli Zeh

Von: Zerafine

11.09.2018

Er strampelt, tritt immer gleichmäßig in die Pedale, atmet tief ein und aus; er kämpft. Heute stelle ich euch den aktuellen Entwicklungsroman Neujahr von Juli Zeh vor, der im September 2018 im Luchterhand Verlag erscheint. Dieses Buch wurde mir vom Verlag freundlicherweise als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Inhalt: Ein Mann, ein Fahrrad, ein Berg: dies ist das Grundszenario von Neujahr, das wie der Titel schon verrät am Ersten-Ersten des Jahres 2018 spielt. Ein schöner, ruhiger, entspannter Familienausflug nach Lanzarote, der für den Protagonisten zum Albtraum wird. Es beginnt mit Henning, einen liebenden, emanzipierten Familienvater und Ehemann der seine Radtour antritt, mit der er eigentlich nur seinen guten Vorsätze für das neue Jahr erfüllen möchte, doch er wird dabei immer wieder mit sich selbst und seinen „alltäglichen“ Problemen konfrontiert. Mehr möchte ich nicht sagen, da dies eines der Bücher ist, dessen Reiz es ausmacht das man so wenig weiß und nur mit jeder weiteren Seite mehr erfahren kann. Meinung: Neujahr ist ein recht typischer Juli Zeh Roman, dennoch legt sie anders als in beispielsweise Spieltrieb hier den Fokus auf eine einzelne Figur und deren Geschichte, die auf eine besondere Weise erzählt wird. Es gibt die Rahmenhandlung des Fahrradfahrens auf dem Berg, die durch die Gedanken des Protagonisten Hennings immer wieder unterbrochen wird. Diese erinnern mich sehr an das Abschweifen der Gedanken, wenn man wirklich joggt, oder Rad fährt oder einfach nur spazieren geht, die eigenen Gedanken schweifen in eine andere Zeit, erleben Dinge erneut, bewerten und überdenken das Getane. Diese Art zu schreiben war für mich etwas ungewohnt, aber man kommt ziemlich schnell hinein, da man es ja so gut kennt. Die Figur Henning ist sehr interessant aufgebaut, denn zu Beginn hat man keinerlei Vorwissen über ihn und seine Geschichte, es ist expositionslos. Er charakterisiert sich nur durch seine Gedanken über sich selbst, seine Umwelt und sein Ziel den Berg zu erklimmen. Ich war von ihm in den Bann gezogen und wollte wissen, was er denkt, warum er so denkt und wie die einzelnen Ereignisse in seinem Kopf miteinander im Zusammenhang stehen. Ein Thema das auch immer wieder angesprochen wird ist Gleichberechtigung, meist zwischen ihm und seiner Frau, ich finde dieses von den Figuren aufgebaute Konstrukt sehr spannend. Ist es nicht die größte Ungerechtigkeit, wenn man alle gleich behandelt und versucht immer alles aufzuwiegen? Dies ist aber nur meine Auffassung, von diesen Konstrukt. Das Buch war für mich eine sehr erhellende Erfahrung, da mir einige Dinge klar geworden sind und doch fühlte ich mich danach, als wäre ich selbst auf diesen Berg gefahren, und hätte meine eigenen Dämonen besucht. Ich habe dieses Buch an einem Tag gelesen und frage mich nun wie ich gehandelt hätte. Also hat es Juli Zeh mal wieder geschafft mich zum Nachdenken über ihre Themen zu bringen.

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Harmlos - wie der nichtssagende Titel - kommt die Geschichte einer typisch überforderten Jungfamilie auf ihrem kanarischen Neujahrsurlaub daher und dreht sich unbemerkt in eine kindliche Traumatisierungsorgie wie ein Psychothriller. "Vorsicht Spoiler!" Juli Zeh legt zwei Erzählstränge übereinander: Der Protagonist Henning im Heute und Henning in seiner Kindheit. Ereignisse der Silvesternacht stimulieren Traumata der Kindheit. Der ausgebrannte Vater zweier kleiner Kinder und gestresste Ehemann müht sich - auf der Flucht vor seiner Angststörung - mit dem Fahrrad auf einen Berg Lanzarottes. Durch ungewohnte Anstrengung wird er durchlässig für in ihm tief Verborgenes. Tritt für Tritt, Herzschlag für Herzschlag nähert er sich dem Vergessenen. Er wechselt dabei erinnernd in rascher Abfolge die Zeitebenen. Neujahrstag, Altjahrstag, Gegenwart, Vergangenheit, Erlebnisse mit seinen Kindern, Ereignisse aus seinen eigenen, ersten Lebensjahren. Zeitweise frage ich mich irritiert: wo ist er jetzt? Aber gerade da entsteht dieser unausweichliche Sog. Und unser Gehirn funktioniert ja schliesslich in freiem, - bei Henning vermutlich gar nicht mehr so freiem -, Assoziieren. "Vorsicht Spoiler!" Plötzlich plumpst Henning in die Vergangenheit. Und nur diese wird jetzt sehr stringent erzählt. Er fällt in den Brunnen seines verschütteten Traumas. Der Brunnen, der am Berg tatsächlich zum Symbol des uneinschätzbaren Bedrohlichen wird. Der kleine Henning, verlassen von Mutter und Vater, versucht trotz seiner furchtbaren Angst und Verlassenheit ein braver, verlässlicher Junge zu sein. Alles zu tun, worüber sich „die Mama freut." Er gibt für sie sein Bestes und - Letztes. Ähnlich wie der erwachsene Mann bei seiner Bergfahrt die letzte Kraft aus sich drückt. Ich habe mit dem grenzenlos überforderten kleinen Buben wie mit dem, am Burnout entlang stolpernden, Mann und Vater mitgelitten. Das Gefühl des Überfordertseins ist der Grundton in Hennings Leben. Juli Zeh schildert das stete Ausagieren des unbewussten Traumas wie einen Krimi, der mir regelrecht an die Nieren ging. Es wird zum Zwang. Der Mann muss hinauf auf den Berg. Das Trauma muss heraus aus ihm. Es gibt keine Alternative mehr. Das Buch liest sich auch so. Immer schneller und atemloser hastete ich durch die Seiten. Mit grossartiger psychologischer Einfühlung verhilft Juli Zeh dem Protagonisten Henning zu seiner Wahrheit. - Denn Vergessen ist keine Gnade. Auch wenn das seine Mutter meint. Juli Zehs schriftstellerische Potenz hab ich an meiner persönlichen Betroffenheit begriffen. Als der Plot meine biografischen Wundpunkte aufrührte, wusste ich, dass die Autorin ins Schwarze trifft: In den Mittelpunkt der Seele. "Vorsicht Spoiler!" Der Umstand, dass aus dem völligen „Vergessen" und Verdrängen so ganz urplötzlich sämtliche Umstände der damaligen Geschehnisse bis ins winzigste Detail auftauchen und wiedererlebt werden, erscheint mir als psychologisch Tätige eher eine große Ausnahmeerscheinung, ist aber sicher für den Erzählfluß eine dichterische Notwendigkeit. Auch das Ende, die Lösung und damit die Loslösung sozusagen, kommt mir zu abrupt und überzeugt mich nur teilweise. "Vorsicht Spoiler!" Die Antwort auf die Frage, die der Luchterhandverlag stellt: wird unser Leben bereits in der Kindheit vorherbestimmt oder nicht, erübrigt sich mit der Geschichte. Wir werden ganz entscheidend in der Kindheit geprägt. Die einzige scheinbare Freiheit, die uns bleibt, ist zu entscheiden, ob wir uns dieser Prägung als Erwachsene stellen.

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Buchhandlung Roth

Von: Sybille Scheerer aus Offenburg

31.07.2018

Spannend, tiefgründig, und zutiefst menschlich. Juli Zeh überrascht den Leser in jedem Roman auf's Neue.

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