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Rezensionen zu
Sommer

Ali Smith

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Sommer

Von: Bearnerdette

13.02.2023

Mit Sommer schliesst Autorin Ali Smith ihre Vier Jahreszeiten Tetralogie ab. In gewohnt besonderem Stil, und eleganter Sprache, erzählt sie diesmal unter anderem von Geschwisterliebe, vom Erwachsenwerden und von Sommererinnerungen. Ein würdiger Abschluss für eine Buchreihe, die mir sehr gut gefallen hat und ganz besonders war, anders als alles was ich sonst gelesen habe. Wie gewohnt widmet sich Smith auch in diesem Band aktuellen politischen Themen, diesmal Klimakrise und Corona. Sommer ist zwar nicht mein liebster Teil der Reihe (Winter und Herbst mochte ich am meisten), aber ihr Können beweist Smith allemal erneut.

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Der Sommer – die Jahreszeit der Sonne, der Wärme und Hitze, des Verharrens in wohligem Zufriedensein. Die 16jährige Sacha und ihr 13jähriger Bruder Robert werden groß in einer Zeit des Umbruchs, der Zäsur – im Jetzt. Ein Virus erobert die Welt, spaltet Gesellschaften, wirft ein jedes Individuum auf sich selbst zurück. Die beiden Jugendlichen sind blitzgescheit, entwerfen permanente Visionen für die Zukunft des Landes und des Erdballs. Robert orientiert sich an seinem Idol Albert Einstein, der die Verbindung herstellt in eine Zeit der Gewalt, der Verfolgung, eine Zeit, in der Daniel Gluck, mittlerweile 104 Jahre alt, mit seinem Vater in einem Lager auf der Isle of Man die Kriegswehen verbrachte. Seine Gedanken, damals wie heute, bei seiner Schwester Hannah, die unter falschem Namen gefährdeten Menschen neue Identitäten besorgte. Damals wie heute, Parallelen, die sich auftun, Ereignisse, die sich wiederholen, neu bewertet, neu orientiert, irgendwie anders, aber oftmals ganz ähnlich. „Vergebung, sagte Sacha, ist der einzige Weg, den unumkehrbaren Lauf der Geschichte zu ändern“ (S. 21) - „Denn Sommer ist nicht bloß eine fröhliche Geschichte. Weil es fröhliche Geschichten nicht gibt ohne das Dunkle“ (S. 288) Der „Sommer“ schließt Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett und führt uns als Leser*innen vor Augen, wie eng Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verzahnt sind. Sie schafft textuelle Strukturen der Ähnlichkeit, assimiliert und kontrastiert Zeiten, Objekte, Menschen und deren Aufgaben. Dabei arbeitet sie nicht nur auf der Meta-Ebene, indem sie die narrativen Stränge auf historisch verbriefte Ereignisse treffen lässt, sondern schafft intertextuelle Verweise auf die anderen drei Bände ihrer Tetralogie. Mit Daniel Gluck, Charlotte, Art und dessen Tante Iris integriert sie bereits bekanntes Figurenrepertoire und lässt dieses auf zwei Jugendliche und ihre Mutter treffen. Besonders Sacha und Robert repräsentieren die neue Generation, die neue Wirklichkeit, abseits von heteronormativen Geschlechtskategorien, beide so detailverliebt skizziert, dass man sie einfach nur mögen kann ob ihrer Unangepasstheit. Der Blick auf die Welt im Kontrast zu den Eltern-Generationen, die Hoffnung, der Optimismus, das wache Auge werden zum bejahenden, positiven Element, der trotz aller Schrecklichkeit im Zurückliegenden und Seienden nie verloren geht. Ali Smith skizziert ein Bild unserer Zeit, die von der Vergangenheit lernen kann. Sie bedient sich erneut dem intellektuellen Kanon von Shakespeare über Keats, lässt die gegenwärtigen Debatten zur Corona-Pandemie, zur Migration zu politischen Diskursen den Brexit betreffend literarisch punktgenau einfließen. Das hat einerseits eine große Kraft, Eloquenz und Cleverness und zeugt andererseits auch von einer hohen Sensibilität. Sie arbeitet sich gekonnt an Gegensatzpaaren ab – warm und kalt, hell und dunkel, richtig und falsch – und weist gleichermaßen auf die Leerstellen in diesen Kontrastierungen und unser aller Leben hin, die wir mit unseren ganz persönlichen Überzeugungen füllen können. Ali Smiths „Jahreszeitenquartett“ und „Sommer“ im Besonderen ist ein moderner Ratgeber, der uns alle zum Aufbruch motiviert, uns Hoffnung und Orientierung gibt. Wer nicht weiter weiß, sollte in diesen Zeiten Ali Smith zurate ziehen!

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„Lass deine Innerlichkeit weiter am Fenster für mich leuchten Wie meine für dich leuchtet, meine Herbstschwester Für immer; dein Sommerbruder“ Ali Smiths Protagonisten sind Grace, die gerade von ihrem Ehemann verlassen wurde, deren Tochter Sacha sowie ihr Sohn Robert. Die Familie begibt sich auf eine Reise an einen Ort, an dem Albert Einstein eine Weile lebte. Zugleich ist es eine Zeitreise in Großbritanniens dunkle Stunden. Unterwegs trifft die Familie auf den jüdischen Emigranten Daniel Gluck. Mit ihm kehrt Ali Smith in den Zweiten Weltkrieg zurück, in dem der Junge zusammen mit seinem Vater als feindlicher Ausländer interniert war. Mit „Sommer“ schließt die schottische Schriftstellerin Ali Smith ihre Jahreszeiten-Tetralogie ab. Die Welt wird erstmals von einem Virus heimgesucht, dessen Auswirkungen in seiner ganzen Tragweite noch niemandem bewusst ist. Die Corona-Pandemie wirft aber ihre ersten Schatten voraus und wird in „Sommer“ zunehmend zu einem Symbol von Vereinzelung und Vereinsamung werden. Weitere wichtige Themen sind unter anderem die Flüchtlingsproblematik, und der Klimawandel. Was mir sehr gut gefiel war dass, Shakespeare- oder Charles Dickens Zitate und Motive in die Handlung mit eingewoben wurden. Auch wird immer wieder Shakespeares „Wintermärchen“ erwähnt, ebenso natürlich auch sein „Sommernachtstraum“ „Kreativität ist nicht deshalb Teil der Kultur, weil sie aus ihr hervorgeht, sondern weil sie darauf zielt, die Kultur zu versöhnen. Die vom Unbewussten gespeiste Kunst wirkt im Individuum wie ein ausgleichender Traum: Sie unternimmt den Versuch, tief verwurzelte Probleme abzusprechen und wieder ins Lot zu bringen“ Kein einfaches Buch das natürlich auch als „stand alone“ gut zu lesen ist, aber sicher erst in seiner ganzen Güte wirken kann wenn man alle Bände von Ali Smith gelesen hat.

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Brexit, die Buschfeuer in Australien, das zweite Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump und eine neuartige Viruserkrankung, die sich von China aus langsam ihren Weg um die Welt bahnt — das, was Ali Smith auf den ersten Seiten von „Sommer“, dem letzten Teil ihres vielfach preisgekrönten Jahreszeitenquartetts, beschreibt, ist noch gar nicht so lange her, fühlt sich aber schon sehr weit weg an. Trotzdem sind natürlich all diese Dinge, wenn auch auf eine veränderte Art und Weise, nach wie vor Teil unserer Gegenwart, was „Sommer“ zu einem sehr aktuellen Roman macht, der dennoch etwas Allgemeingültiges, Zeitloses hat. Wie immer in den Jahreszeiten-Romanen von Ali Smith gibt es auch diesmal mehrere Handlungsstränge, die meisterhaft miteinander verwoben sind — letztlich hängt bei der Schottin alles mit allem zusammen. In der Gegenwart treffen wir auf Grace Greenlaw, eine ehemals hoffnungsvolle Schauspielerin und nun von ihrem Ehemann wegen einer Jüngeren sitzengelassene alleinerziehende Mutter zweier Teenager-Kinder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die 15-jährige Sacha könnte man wohl mit dem Adjektive „woke“ gut umschreiben; sie interessiert sich für gesellschaftliche Entwicklungen, sorgt sich wegen des Klimawandels und kümmert sich um Obdachlose in ihrer Heimatstadt Brighton. Der zwei Jahre jüngere Robert, ein hochintelligenter Einstein-Bewunderer, gefällt sich dagegen in der Rolle des Querulanten und eckt gerne mit rassistischen und sexistischen Kommentaren an (die Gründe für seine Wut werden im Lauf der Handlung klar — letzten Endes ist er Täter und Opfer zugleich). Neben dieser Familiengeschichte aus dem Post-Brexit-England gibt es einen zweiten Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielt. Hier begegnen wir dem heute 104 Jahre alten, damals jungen Lebensmittelhändler Daniel Gluck, der im Sommer 1940 ebenso wie sein Vater wegen seiner deutschen Abstammung von der britischen Regierung als „Feindstaatenausländer“ in einem Lager interniert wird. Kurioserweise finden sich unter den Mithäftlingen viele deutschstämmige Juden, die den Briten als Nazis oder zumindest als deren Sympathisanten gelten. Als Bindeglied zwischen den Figuren der beiden Stränge fungieren die Blogger Charlotte und Art, die für ihre Webseite „Art in Nature“ stets auf der Suche nach kuriosen Geschichten von gesellschaftlichem Belang sind, die revolutionäre Kraft ihres Wirkens aber doch arg überschätzen. Streckenweise ist „Sommer“, das kein „typisches“ Sommerbuch ist (ebenso wenig waren die drei Vorgänger Frühlings-, Herbst- oder Winterbücher, wenn es so etwas überhaupt gibt), wütend und pointiert, ohne dabei aber ins Zynische zu kippen. Daraus, dass Ali Smith die gegenwärtigen Verhältnisse auf der Welt und erst recht in Großbritannien nicht gefallen, macht sie keinen Hehl. Trotzdem überwiegt aber das Hoffnungsvolle. Die Beschäftigung mit der Kunst, der Literatur, dem Film und nicht zuletzt der Wissenschaft — das ist die Essenz dieses großartig geschriebenen, anspielungsreichen Romans — hat die Kraft, uns selbst durch die dunkelsten Zeiten zu tragen. Und genau dazu leistet auch „Sommer“ seinen nicht unerheblichen Beitrag.

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