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Rezension zu
Sommer

Ende und Anfang

Von: Bjoernandbooks
15.09.2021

Der Sommer – die Jahreszeit der Sonne, der Wärme und Hitze, des Verharrens in wohligem Zufriedensein. Die 16jährige Sacha und ihr 13jähriger Bruder Robert werden groß in einer Zeit des Umbruchs, der Zäsur – im Jetzt. Ein Virus erobert die Welt, spaltet Gesellschaften, wirft ein jedes Individuum auf sich selbst zurück. Die beiden Jugendlichen sind blitzgescheit, entwerfen permanente Visionen für die Zukunft des Landes und des Erdballs. Robert orientiert sich an seinem Idol Albert Einstein, der die Verbindung herstellt in eine Zeit der Gewalt, der Verfolgung, eine Zeit, in der Daniel Gluck, mittlerweile 104 Jahre alt, mit seinem Vater in einem Lager auf der Isle of Man die Kriegswehen verbrachte. Seine Gedanken, damals wie heute, bei seiner Schwester Hannah, die unter falschem Namen gefährdeten Menschen neue Identitäten besorgte. Damals wie heute, Parallelen, die sich auftun, Ereignisse, die sich wiederholen, neu bewertet, neu orientiert, irgendwie anders, aber oftmals ganz ähnlich. „Vergebung, sagte Sacha, ist der einzige Weg, den unumkehrbaren Lauf der Geschichte zu ändern“ (S. 21) - „Denn Sommer ist nicht bloß eine fröhliche Geschichte. Weil es fröhliche Geschichten nicht gibt ohne das Dunkle“ (S. 288) Der „Sommer“ schließt Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett und führt uns als Leser*innen vor Augen, wie eng Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verzahnt sind. Sie schafft textuelle Strukturen der Ähnlichkeit, assimiliert und kontrastiert Zeiten, Objekte, Menschen und deren Aufgaben. Dabei arbeitet sie nicht nur auf der Meta-Ebene, indem sie die narrativen Stränge auf historisch verbriefte Ereignisse treffen lässt, sondern schafft intertextuelle Verweise auf die anderen drei Bände ihrer Tetralogie. Mit Daniel Gluck, Charlotte, Art und dessen Tante Iris integriert sie bereits bekanntes Figurenrepertoire und lässt dieses auf zwei Jugendliche und ihre Mutter treffen. Besonders Sacha und Robert repräsentieren die neue Generation, die neue Wirklichkeit, abseits von heteronormativen Geschlechtskategorien, beide so detailverliebt skizziert, dass man sie einfach nur mögen kann ob ihrer Unangepasstheit. Der Blick auf die Welt im Kontrast zu den Eltern-Generationen, die Hoffnung, der Optimismus, das wache Auge werden zum bejahenden, positiven Element, der trotz aller Schrecklichkeit im Zurückliegenden und Seienden nie verloren geht. Ali Smith skizziert ein Bild unserer Zeit, die von der Vergangenheit lernen kann. Sie bedient sich erneut dem intellektuellen Kanon von Shakespeare über Keats, lässt die gegenwärtigen Debatten zur Corona-Pandemie, zur Migration zu politischen Diskursen den Brexit betreffend literarisch punktgenau einfließen. Das hat einerseits eine große Kraft, Eloquenz und Cleverness und zeugt andererseits auch von einer hohen Sensibilität. Sie arbeitet sich gekonnt an Gegensatzpaaren ab – warm und kalt, hell und dunkel, richtig und falsch – und weist gleichermaßen auf die Leerstellen in diesen Kontrastierungen und unser aller Leben hin, die wir mit unseren ganz persönlichen Überzeugungen füllen können. Ali Smiths „Jahreszeitenquartett“ und „Sommer“ im Besonderen ist ein moderner Ratgeber, der uns alle zum Aufbruch motiviert, uns Hoffnung und Orientierung gibt. Wer nicht weiter weiß, sollte in diesen Zeiten Ali Smith zurate ziehen!

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