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Rezensionen zu
Quick

Hannes Råstam

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€ 11,99 [D] inkl. MwSt. | € 12,40 [A] | CHF 16,90* (* empf. VK-Preis)

Eines der wenigen Bücher, die in der Aufmachung eines Thrillers daherkommen, aber mitnichten einer sind, auch wenn die beiden fettgedruckten Zeilen auf der Rückseite des Buchumschlags dies gerne suggerieren möchten. Das Cover ziert keineswegs etwa Täter und Opfer, sondern den Autor selbst, gespielt von Jonas Karlsson, und dessen Kollegin Jenny Küttim, dargestellt von Alba August, im 2019 produzierten Filmdrama. "Die wahre Geschichte eines unfassbaren Verbrechens" ist in Wahrheit die Geschichte eines unfassbaren Justizirrtums und Behandlungsskandals im Schweden der Jahrtausendwende, und sie ist nichts anderes als ein Sachbuch. Geschrieben ist das Buch allerdings in einem durchaus mitreißenden Stil, der mitunter vergessen lässt, dass es sich nicht um fiktive Handlungen dreht, sondern um einen "Kriminalroman" mit völlig anderen Vorzeichen. Natürlich fehlen, teilweise unvorstellbare, Verbrechen ebenso wenig wie akribische Ermittlungen, nur, hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Während die Morde meist real sind, gestalten sich die Ermittlungen in Bereichen, welche die Grenzen des Dilettantismus gleich mehrfach überschreiten. Über dreißig Morde hat Sture Ragnar Bergwall, der sich von 1980 bis 2002 Thomas Quick nannte, gestanden ... und keinen einzigen davon tatsächlich begangen! Aufgrund mehrerer gewaltsamer Auseinandersetzungen mit Männern sowie einem skurrilen Banküberfall in einer psychiatrischen Anstalt im schwedischen Säter untergebracht, war er mit seinem Status als gewöhnlicher Patient außerordentlich unzufrieden. Als er sein erstes Mordgeständnis ablegte, änderte sich dies schlagartig. Der Grundstein für eine groteske Theatervorstellung war gelegt. Plötzlich bekam er die Aufmerksamkeit, die er sich immer gewünscht hatte. Sein "Rang" stieg sowohl bei Ärzten als auch beim Pflegepersonal. Ferner sicherte sein damit verbundenes Verhalten eine Dauerversorgung mit hoch dosierten Medikamenten. Von Polizei, Justiz und Massenmedien wurde er allerdings ebenso schnell in vorgefertigte Schubladen gepackt. Ein neuer Serienkiller war erschaffen. Neben halbherzigen Ermittlungsmethoden und skandalösen Gerichtsverhandlungen prangert dieser Fall auch die Armut falsch angewandter Psychologie und die damit verbundenen, völlig irrealen Interpretationsorgien an. Wie dies alles, wie ein gut geöltes Räderwerk, ineinander griff, dokumentiert dieses spannende Buch, indem es dieses unglaubliche Lügengebäude bis ins kleinste Detail ausleuchtet. Der Autor und Enthüllungsjournalist Hannes Råstam, der die endgültige Fertigstellung seines Buches nicht mehr erleben durfte, musste sich hierfür durch 50.000 Seiten Gerichtsprotokolle arbeiten! Sein Werk könnte von unschätzbarem Wert sein, würde es nicht von den zuständigen Stellen, wie üblich und trotz entsprechendem Medienrummel, unter den Tisch gekehrt. Mit Sicherheit dürften es künftige "Mythomanen" dennoch schwerer haben, sich auf diese Weise erhöhte Aufmerksamkeit zu verschaffen.

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Mein Eindruck: Als ich das Buch in der Verlagsvorschau entdeckt habe, kam es sofort auf meine „want to read“ Liste, da mich der Klappentext sofort überzeugte. „Quick – Die Erschaffung eines Serienkillers“ ist allerdings kein Roman bzw. ein Thriller, sondern eher eine Biografie des angeblichen Serienkillers Thomas Quick bzw. Sture Bergwall, wie er tatsächlich heißt. Der Journalist Hannes Råstam erzählt in diesem Buch, wie er auf der Suche nach der Wahrheit einen Justizskandal enthüllt, der in die Geschichte Schwedens einging. Ich fand es erschreckend zu lesen, was da alles schiefgelaufen ist. Warum Quick die Morde gestanden hat und sein Geständnis den Beteiligten anscheinend in den Kram gepasst hat. Sozusagen ein absolutes Versagen auf voller Linie. Hannes Rastam schildert detailliert und zu keiner Zeit langweilig, was er alles auf der Suche nach der Wahrheit unternommen hat. Auch wenn es kein Roman ist, fand ich es sehr spannend zu lesen, was alles passiert ist und was er alles aufgedeckt hat. Das Buch ist nicht nur erschreckend, sondern regt auch zum Nachdenken an, denn wer weiß, wie viele solche Fälle im Verborgenen schlummern und nicht aufgedeckt werden. Ein beeindruckendes Buch, das ich empfehlen kann. Natürlich habe ich mir nach dem Lesen auch den Film angeschaut, den ich genauso gut fand. Der Film ist natürlich nicht so ausführlich, wie die Biografie, allerdings auch auf jeden Fall sehenswert.

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*Eingangs sei erwähnt, dass das Folgende mit Sicherheit diverse Spoiler enthält, denn es handelt sich hier um ein Sachbuch, das sich naturgemäß nur schwerlich besprechen lässt, ohne auf die Inhalte einzugehen.* Wenn man berücksichtigt, dass ich einen Hang zu „True Crime“ jeder Art habe, ist es schon bemerkenswert, dass die Geschichte um Thomas Quick seinerzeit so ziemlich unbemerkt an mir vorbeigegangen ist, handelt es sich hierbei doch um einen Justizskandal ungeahnten Ausmaßes. Da trifft es sich gut, dass Råstams hierzulande bereits 2012 erschienenes Buch anlässlich des daraus entstandenen Films nun erneut veröffentlicht wird. Darin löst der Autor Stück für Sttück auf, wie es dazu kommen konnte, dass Quick für ingesamt acht Morde verurteilt werden konnte, von denen er letztlich nicht einen einzigen begangen hat. Sture Bergwall, der sich später in Thomas Quick umbenennt, wird 1950 geboren und gerät schon in seiner Jugend in ersten Kontakt zu Drogen. Aufgrund körperlicher Übergriffe gegen andere Jungen und seines Drogenkosums wird er immer wieder in psychiatrische Einrichtungen eingewiesen. Dort landet er auch, nachdem er für einen Banküberfall, der noch dilettantischer ausgeführt wurde als die späteren Ermittlungen, vor Gericht verurteilt wurde. Hier untergebracht, behauptet Bergwall dann, bereits im Jahr 1964 einen Mord begangen zu haben. Die Polizei wird eingeschaltet, die Ermittler verhören Bergwall wieder und wieder. In der Folge gesteht er weitere Morde, insgesamt 30, und wird für acht davon verurteilt. In keinem dieser Fälle bestehen tatsächliche kriminaltechnische Beweise in Form von DNA-Spuren, Fingerabdrücken, Zeugenaussagen oder was auch immer, aber faszinierenderweise kann Bergwall die Ermittler zielgenau zu einzelnen Tatorten führen und gibt in den Vernehmungen Wissen preis, das nur der Täter haben kann. Polizei, Staatsanswaltschaft und die schwedische Öffentlichkeit sind in der Folge zufrieden, ein offensichtlich schuldiger Mann wurde weggesperrt, die Bevölkerung somit vor ihm geschützt. Aber es gibt Menschen, die haben leise Zweifel, nicht zuletzt die Angehörigen einiger Mordopfer. Und auch Hannes Råstam hat diese Zweifel und beginnt, genauer hinzusehen. Er arbeitet sich zusammen mit einer Kollegin durch unzählige Vernehmungsprotokolle, stundenlanges Videomaterial der Polizei und 50.000 Seiten Gerichtsprotokolle, konfrontiert Bergwall schließlich selbst mit den Ergebnissen seiner Recherchen, woraufhin dieser letztlich einknickt, seine Geständnisse wiederruft und behauptet, nicht einen der ihm zur Last gelegten oder von ihm gestandenen Morde wirklich begangen zu haben. Und es ist wirklich – mir fällt kein passenderer Begriff dafür ein – ungeheuerlich, was der Autor während seiner Recherchen so zutage fördert: Zunächst mal ist die Verantwortung für den Fortgang der Ereignisse natürlich bei Bergwall selbst zu suchen, denn dieser hat sich ohne Not und aus reiner Geltungssucht in seine Situation manövriert. Nachdem er das Personal der Einrichtung gelegentlich nahezu andächtig und respektvoll über ehemals in der Einrichtung therapierte „schwere Fälle“ wie Gewaltverbrecher reden hört, er selbst aber den Eindruck hat, in den Therapiesitzungen nur langweiliges und unbedeutendes Zeug von sich geben zu können, beschließt er, einen Mord zu gestehen, der lang genug zurückliegt, damit er aufgrund der schwedischen Verjährungsfrist für Mord dafür nicht mehr belangt werden kann. In der Folge bekommt diese Situation dann einfach eine Eigendynamik, der er nicht mehr entkommen kann. Aber sowohl die Polizei, als auch Therapeutinnen und Mediziner hätten bei genauerer Betrachtung der Geständnisse genug Anlasse gehabt, an deren Realitätsgehalt zu zweifeln, und die Verpflichtung gehabt, hier einen Menschen vor sich selbst zu schützen. Stattdessen wird Bergwall von den Therapeuten mit Medikamenten gefüttert. Mit abhängig machenden Medikamenten. Und wenn er dann, allein um diesen Strom an Trips nicht versiegen zu lassen, in den Therapiesitzungen immer neue Morde gesteht, wird das vom medizinischen Personal gefeiert, wie die Erfindung des Penicillins, vermeint man doch, wieder einmal in neue versteckte Areale von Bergwall Geist und Erinnerungsvermögen vorgedrungen zu sein, die dieser bisher erfolgreich abgesperrt hatte. Ein Therapieerfolg also! Letztlich gerät Bergwalls Medikation derart außer Kontrolle, dass er praktisch selbst darüber entscheidet, wann er was bekommt und bei Vernehmungen eigentlich permanent „zugedröhnt“ ist, teilweise so sehr, dass er bei Tatortbegehungen gestützt werden muss. Aber auch die Polizei hat selbstredend ihren Anteil an diesem Justizskandal, zweifelsohne sogar den größten. Dass die Ermittlungen in den einzelnen Mordfällen nach den jeweiligen Geständnissen immer von den zwei selben Polizeibeamten geführt wurden, kann man bereits kritisch sehen. Aber auch wie sie geführt wurden, gibt Anlass zur Kritik. Bei genauerer Betrachtung der Vernehmungsprotkolle fällt nämlich auf, dass Bergwall mitnichten immer von Beginn an korrekte Angaben zu den Morden macht, sondern dass diese Angaben teilweise deutlich von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht. Bergwall hat schlicht ein Gespür dafür, was die Beamten hören wollen, wenn wieder und wieder ein bestimmter Aspekt der vermeintlichen Tat thematisiert wird und ändert seine Geschichte so oft, bis sie schließlich mit den Tatsachen weitgehend übereinstimmt. Gedeckt wird diese Vorgehensweise von den Medizinern, die quasi behaupten, dass Bergwall sich erst an seine Erinnerungen „herantasten“ muss. Sehr viel erschwerender wiegt im Bereich der Ermittlungen noch die Tatsache, dass den Gerichten entlastende Fakten und Zeugenaussagen quasi nicht vorgelegt wurden. Bergwalls ersten gestandenen Mord kann er beispielsweise schon deswegen nicht begangen haben, weil er am Tattag am gefühlt anderen Ende der Welt konfirmiert wurde. Auch als zwei vermeintliche Opfer, für deren Ermordung Bergwall die Verantwortung übernimmt, sich quicklebendig – pun intended! – bei der Polizei melden und sinngemäß sagen: „Hurra, wir leben noch!“ kommt man bei der Polizei nicht auf die Idee, das große Ganze mal zu hinterfragen. Komplettiert wird der Dilettantismus dann von Bergwalls Rechtsanwalt. Anstatt Indizien für die Unschuld seines Mandanten zu sammeln und vor Gericht zu präsentieren, fasst er seine Aufgabe so auf, dass er behauptet, sein Mandant wolle unbedingt verurteilt werden und es sei seine Aufgabe, dem nicht entgegenzustehen. Und so wundert es in Summe nicht, dass erst ein investigativer Journalist kommen muss, um die Verantwortlichen auf Ungereimtheiten und ihre fragwürdige Arbeit hinzuweisen. Meine Vermutung ist, dass sie alle geahnt haben, dass da irgendwas nicht stimmen kann, sich aber im Sonnenlicht der Quick-Ermittlungen ganz wohlgefühlt haben und deswegen nicht genauer hinsahen. Bergwall wurde schließlich im Jahr 2013 nach einem Wiederaufnahmenverfahren auch vom letzten Mordvorwurf entlastet, freigesprochen und ein Jahr später aus der Psychiatrie entlassen. Das Tragische an der Geschichte ist eigentlich nur, dass der Autor selbst dieses Ende der von ihm eigens angestoßenen Geschichte nicht mehr miterleben durfte. Aber er hat der Nachwelt ein äußert spannend geschriebenes Buch hinterlassen, dass ich zumindest allen, die im True-Crime-Bereich unterwegs sind, von Herzen empfehlen kann, sofern sie es ertragen, ob der Unfähigkeit der handelnden Personen permanent nahe am hysterischen Kickern zu balancieren.

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