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Rezension zu
Vladimir

Spannende Story mit komplexen Charakteren

Von: Kalliopeia
23.09.2022

Leute, ich habe Redebedarf. Habt ihr schon »Vladimir« von Julia May Jonas gelesen? Wenn ja, was sagt ihr dazu? Besonders zu dem Ende? Ich fand es ja mega spannend und habe es in den letzten paar Tagen inhaliert. Schon mal ein gutes Zeichen. Jedoch hätte ich irgendwie mit einem anderen Ende gerechnet, vielleicht auch gehofft. Aber jetzt frage ich mich, ist es so realistischer und damit vielleicht auch besser? Puh. Aber mal von vorne: Den Namen der Hauptprotagonistin, aus deren Perspektive der Roman geschrieben ist, kennen wir nicht. Sie ist 58 Jahre alt und Professorin an der Uni. Ihr Mann, John, ist ebenfalls Professor an der gleichen Uni. Die beiden haben eine Tochter, die bereits erwachsen und Anwältin ist. Sie führen seit jeher eine offene Ehe, wobei John hauptsächlich Affären mit seinen um die 20-jährigen Studentinnen hat. Sieben von ihnen haben sich nun zusammen geschlossen und eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die an eine Petition angehangen wurde, die Johns Entlassung fordert und woraufhin die Uni ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hat. Die Hauptprotagonistin findet sich zwischen Mitleidsbekundungen, die sie bescheuert findet und später, da sie sich nicht von ihm scheiden lässt, Rücktrittsaufforderungen wieder. Sie selber erkennt Johns Schuld nicht an und ist der Meinung, die Frauen seien alt genug gewesen, sie haben die Entscheidung, mit John zu schlafen, eigens getroffen, früher war das auch kein Problem. Sie findet, die Frauen sprechen sich damit ihre Mündigkeit selbst ab. Dabei wird klar, dass sie auch ein Opfer des patriarchalen Systems ist. Sie erwähnt beiläufig, dass John sie einmal (nur dieses eine Mal) geschlagen hat. Sie erzählt von ihren ersten sexuellen Erfahrungen als 14-jährige mit dem 30-jährigen Kollegen ihrer Mutter. Etwas an das sie sich nur voller Scham zurückerinnert, Scham vor sich selbst. Dass ihr Unrecht widerfahren ist, kommt ihr dabei nicht in den Sinn. Zudem steckt sie in zwanghaften Gedanken über ihr Aussehen fest. Ihre größte Angst ist alt, bzw. ihrem Alter entsprechend, auszusehen. Diese Gedankengänge spitzen sich immer weiter zu, als sie Vladimir, den neuen Juniorprofessor an der Uni, kennenlernt und ihn als den vollkommenen Mann idealisiert. Sie verliert sich in Tagträumereien und Sexfantasien. Zwischen alldem ist sie aber unglaublich lustig und in anderen Situationen auch wieder super reflektiert und aufmerksam über den in der Gesellschaft herrschenden Sexismus. Meine Sympathie ihr gegenüber war sehr wechselhaft, doch abschließend finde ich es hauptsächlich beeindruckend, wie die Autorin es geschafft hat, einen so komplexen und echten Charakter zu zeichnen. Kleiner Spoiler: Wer hier auf ein Happy End bzw. Aufklärung hofft, wartet vergeblich. Es gibt lediglich ein End.

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