Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
kaddish.com

Kaddish.com

Von: Myriade
26.01.2022

Als „witzig“ und „übermütig“ wird dieses Buch am Cover beschrieben. Das kann ich gar nicht nachvollziehen, denn der Roman ist zwar humorvoll, man kann immer wieder schmunzeln, aber er ist weder „witzig“ noch „übermütig“. Es geht in diesem Text um religiöse Identität und um Prägungen und Gewohnheiten, um einen Mann aus einer orthodoxen jüdischen Familie in Tennessee, Larry, der meint, die strengen Regeln und Gebräuche des Judentums, wie sie in seiner Familie gelebt werden hinter sich gelassen zu haben, an vieles nicht mehr zu glauben. Aber dann stirbt sein Vater und als einziger Sohn wäre es seine Aufgabe, elf Monate lang mehrmals täglich das Kaddish, das Totengebet zu sprechen. Wenn er auch nur ein Gebet ausließe, wäre das für seinen Vater im Jenseits ein Problem, so weiß die orthodoxe Familie und die gesamte Gemeinde. „Glaubt wirklich jemand, dass Gott mit einer Punktekarte dahockt und jedes von Larrys Gebeten mit einem Häkchen versieht.“ p.32 Larry, der zu diesem Zeitpunkt, kurz nach dem Tod des Vaters, der Religion völlig distanziert gegenübersteht, findet eine Lösung für sein Dilemma. Als Leser*in wundert man sich, mit welcher Naivität er an die Lösung des Problems herangeht. Tja, und dann kommt der zweite Teil des Buchs und wir finden keinen Larry mehr sondern einen Shuli, der sich in einem absolut orthodoxen Milieu bewegt. Ich habe es nicht kommen sehen und fand es sehr erstaunlich. Was ich an dem Buch äußerst gelungen finde, ist, dass sich der Autor jeglicher Beurteilungen enthält. Er wertet nicht, er beschreibt einfach, was ist. Das behält er auch bei, als sich die Handlung im dritten und vierten Teil nach Jerusalem verlagert; und nicht irgendwohin sondern in eine Schul, eine orthodoxe Thora-Schule. Ich finde, dass der Autor es wunderbar schafft, die Leser*innen einfach mitzunehmen in diese Welt, die den meisten doch skurril erscheinen wird. Aber es gelingt Nathan Englander, die Welt der orthodoxen Juden in Jerusalem einfach zu beschreiben ohne zu berücksichtigen, wie seltsam es doch eigentlich ist wenn zB die Zustimmung Gottes zu einer bestimmten Kopfbedeckung davon abhängt, ob diese Kopfbedeckung auch genau die richtigen Maße hat oder dass in einer orthodoxen Küche abgesehen von zwei Kühlschränken wegen der Trennung von Fleisch und Milch auch zwei getrennte Abwaschbecken vorhanden sein müssen und auch das gesamte Geschirr in eine Fleisch- und eine Milchausstattung geteilt ist. Ein sehr gelungenes Buch, das in Welten entführt, die jemand, der/die nicht zum orthodoxen Judentum gehört, kaum kennenlernen wird und dies auch in einer Weise tut, die nicht Seltsamkeiten vorführt. Und dann das Ende! Nein, ich verrate es nicht. Es ist sehr überraschend und wenn ich darüber nachdenke eigentlich sehr lebensbejahend. Ein Plädoyer dafür, dass vieles nebeneinander Platz finden kann und viele auf ganz verschiedene Art glücklich sein können innerhalb ihrer eigenen Welt.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.