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Rezension zu
Frühling

Worüber habe ich die Macht, zu entscheiden?

Von: Bjoernandbooks
26.08.2021

Eine von vielen Fragen, die sich nicht nur Richard Lease, seines Zeichens weithin unbekannter Regisseur, im Angesicht des nahenden Todes seiner besten Freundin und langjährigen Partnerin „in crime“ im Film-Business Paddy stellt. Mit ihr konnte er neue Realitäten erschaffen, sich an gesellschaftspolitischen Themen abarbeiten und in literarische Diskurse treten. Sein ausstehendes Projekt über Katherine Mansfield und Rainer Maria Rilke sowie deren fiktives (?), zufälliges Gleichzeitig-am-gleichen-Ort-Sein füttert Paddy mit Expertise und Herzensinformationen. In einem zweiten Erzählstrang lernen sich Brit, die in einem Abschiebezentrum arbeitet, und die 12-jährige Florence kennen. Die Aura des jungen Mädchens bringt Brit zum Nachdenken: über ihre Arbeit, ihr Leben und moralische Vorstellungen. Florence hat eine Überzeugungskraft, die ihresgleichen sucht, und so begeben sich die beiden auf einen ungeplanten Road-Trip, auf dem sie auch Richard begegnen. „Ich sehe keine Grenze, sagt das Mädchen. Hast du sie gesehen? Ich seh nichts, was anders wäre“. (S. 183) Der dritte Teil von Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett „Frühling“ greift erneut die großen soziokulturellen, politikkritischen Themen der Gegenwart auf. Es geht um den Brexit und dessen Fortschreibung, den Klimawandel und Migration. Smith legt dabei wiederum nicht nur den Finger in die von der Zeit aufgerissenen Wunden, sondern streut mit einem hohen Maß an Süffisanz, aber auch Klarheit, pfundweise Salz hinein. Die möglichen Perspektiven exemplifiziert sie dabei an der jungen Florence, die sich referentiell an der englischen Band „Florence & The Machine“ orientiert. Deren größter Hit: „You‘ve Got the Love“! Im Vergleich zu „Herbst“ und auch „Winter“ legt Smith noch einmal ordentlich an Vehemenz zu. Ihre Meinungen zu den hochrelevanten Themen äußert sie vor allem über das Sprachrohr Florence mal extrem deutlich, mal mit kindlicher Schläue. Sie legt die oftmals nicht verständlichen Strukturen politischen Handels offen, entlarvt fast schon kafkaesk den bürokratischen denkenden Apparat. Gleichzeitig entwickelt sie auch ein hohes Maß an Hoffnung, lässt die nachfolgenden Generationen mit einer hohen Awareness auftreten. Hier steht der „Frühling“ ganz klar für mögliche Neuanfänge, für die Zeit des Sich-neu-Sortierens. Die anderen beiden Protagonist*innen Richard – der fast schon „Unsichtbare Dritte“ – und Brit – eine ganz und gar nicht versehentliche Referenz zum Establishment Großbritanniens – blicken aus anderen Perspektiven auf die Entwicklungen, streiten, denken und fühlen miteinander. Ali Smith führt ihr Projekt der Bestandsaufnahme der Gegenwart mit „Frühling“ konsequent weiter. Sprachlich erneut absolut auf den Punkt, blieb für mich dieser dritte Band in der Erzählung ein wenig hinter den beiden Vorgängern zurück. Die Mansfield-Rilke-Referenzen empfand ich als zu vage, zu angedeutet, um genug Impact für die Erzählung zu haben, so dass ein kleiner Eindruck von Beliebigkeit entstand. Dennoch: Auch „Frühling“ ist ein großer Roman, wichtig, kreativ und stark in der Aussage mit kleinen dramaturgischen Schwächen, die dritte Teile von Tetralogien gerne einmal an sich haben.

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