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Rezension zu
Dinge, die das Herz höher schlagen lassen

Eskapismus in Schönheit

Von: Thursdaynext
15.05.2021

Japan, ein Land das so unendlich andersartige faszinierende und für Westler befremdliche Kultur hervorgebracht hat, ist das Reiseziel von Mia Kanikmäkis Roman „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“. Ausgestattet mit knapp bemessenem Budget, reist die finnische Autorin in ihr Inneres und nach Kyoto. Bricht aus dem Alltagstrott aus, um sich ins Ungewisse zu wagen und den Spuren einer Hofdame zu folgen, die Kaiserin Teihsi diente, als in Europa noch finsteres Mittelalter war, und nebenbei einen recht unbekannten Klassiker der Weltliteratur erschuf. Am Kaiserhof in Kyoto wurden Feingeistigkeit geschätzt, Lyrik, Schönheit, Eleganz und Sitten die uns heute sehr seltsam erscheinen. Hofdame Sei war eine, für die damalige Zeit, sie wurde wahrscheinlich im Jahr 965 geboren, fast schon emazipiert (angesichts der strikten Kleidungsregelungen und dass Frauen ihr Gesicht Männern nicht zeigen durften und im Zustand der „Unreinheit“ sei es Menstruation, Krankheit oder Schwangerschaft nicht am Hofe weilen durften, eine fragwürdige Feminismusbezeichnung, verglichen mit dem Leben der normalen japanischen Frauen zu dieser Zeit jedoch in Ansätzen nachvollziehbar) lebende Frau, mit hohem Intellekt und guter Beobachtungsgabe, sowie der Fähigkeit diese in geschmeidige Prosa zu fassen. Gerne auch in Listenform. Das könnte auf lästige Nabelschau hinauslaufen, ist aber viel weitergehend, weil Mia Kankimäki sich in Beziehung zu ihrer Umgebung und dem Erlebten setzt und zugleich im Gespräch mit der von ihr verehrten Sei Shonagon ist, ihrer beiden Leben vergleicht, und sowohl ihrem eigenen Leben wie auch dem der Hofdame nachspürt. Das Original des sogenannten Kopfkissenbuchs von Sei Shonagon ist nicht erhalten geblieben, das damals gesprochene Japanisch unterscheidet sich eklatant vom heutigen, und so muss sich Mia an den vielen verschiedenen Überrsetzungen abarbeiten, die ihr Material für ihr Buch über die Hofdame geben können. Wohlgemerkt ihr erstes Buch überhaupt und die Voraussetzung für ihre Stipendien, die ihr die Reise erst ermöglichten. Dazu stöbert sie in Bibliotheken, befasst sich gedanklich mit jener ominösen Hofdame, die als spitzzüngig und arrogant verschrieen ist, der Ursprung ihrer Faszination hat sich mir nicht erschlossen. So nerdig ist Mias suchende Hingabe dabei, dass sie ansteckend ist, mitreisst und einen schwelgen lässt in diesem Roman, der ein gutes Stück auch von dieser so fremden Kultur lebt, in die er ausgewählte, szenische, sehr erhellende Einblicke bietet. Sowohl ins das heutige Japan wie in die Zeit der Heian-Dynastie. Diese war weitentfernt von unseren Vorstellungen der Samurai Krieger (die später en vogue waren), diese Kultur war bessessen vom Gefühl des „Aware“. Einer leisen, der Schönheit huldigenden Melancholie die zugleich bewundert welche wunderbaren Kostbarkeiten hervorgebracht wurden auf dieser Welt und während des Jubelns bereits anfängt zu trauern. Für mich vergleichbar dem Gefühl, das ich just zu dieser Zeit im Frühling empfinde, wenn ich von der Arbeit heim fahre und die Wälder bewundere, deren triste Kahlheit jetzt mit sachtem hellgrün zwischen den dunklen Nadelbäumen das Auge erfreut. Diese lang herbeigewünschten unterschiedlichsten Grüntöne die so unaufdringlich und doch wuchtig präsent die Hügel färben und dieses Glücksgefühl auslösen und dabei doch bald in dasselbe gleiche Grün zerfliessen. Gerade ist es eine tiefe Freude sich durch die Landschaft zu bewegen. Mia, deren Sabbatical durch Stipendien finanziert wird hingegen wird mit durchaus praktischen Problemen konfrontiert. Die günstige Unterkunft in Kyoto bringt sie zwar räumlich nahe an den damals von Sei bewohnten Kaiserhof und ermöglicht ihr in der gleichen Landschaft wie ihr Studienobjekt zu wohnen, ist aber wenig komfortabel und verlangt eine stark gedrosselte Zimperlichkeit. Hitze, Kälte, Spinnen, seltsame MitbewohnerInnen und Kakerlaken härten sie ab. Es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen die Autorin auf dieser wissenschaftlich sicher methodisch fragwürdigen, aber faszinierenden Forschungsreise begleiten zu dürfen. Wer seltsame Listen liebt, Sei Shonagons Listen sind universell und aktuell, und dieses Zitat von Sei Shonagon genießen kann: „Es ist bewegend, dünnen Wolkenflaum vor einem sehr hellen Mond zu sehen.“ sich gerne in Schönheit auf den Weg zu fremden Kulturen machen möchte liest in dieser sehr außergewöhnlichen Buchperle goldrichtig.

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