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Rezension zu
Frühling

Hoffnung

Von: Letteratura
19.04.2021

Hoffnung ist eins der Themen, die über Ali Smiths Roman „Frühling“, dem dritten Teil aus ihrem Jahreszeitenquartett, stehen. Hoffnung, dass das Kommende, in welcher Form auch immer, eine Verbesserung sein möge, dass nach dem Schlimmen, Düsteren, etwas Helleres, Schönes folge. Dafür steht auch die Jahreszeit: Der Frühling löst den kalten Winter ab, es entsteht neues Leben, mit Farbe, mit Wärme. Natürlich wird Ali Smith, die ich sehr verehre, dies nicht schematisch abarbeiten, sondern eher zwischen den Zeiten andeuten und generell uns Leser*innen überlassen, was wir aus ihrem Roman herauslesen. Smith erzählt in zwei zunächst einmal getrennten Erzählsträngen von ihren Protagonist*innen: Da ist zunächst Richard, ein Regisseur, der um seine gute Freundin Paddy trauert, die vor kurzem gestorben ist. Paddy war Drehbuchautorin und Richard und sie hatten sich über die Arbeit kennengelernt, nur kurz gab es dann die Möglichkeit, dass da mehr sein könnte zwischen ihnen. Stattdessen wurden sie enge Freunde. Richard erinnert sich nun an sie, an Stationen ihrer Freundschaft, an die letzte Zeit, in der sie schon sehr krank war, an das Verhalten ihrer Zwillingssöhne, die, selbst längst erwachsen, glaubten, Richard im Kontakt zu ihrer geschwächten Mutter in seine Schranken weisen zu müssen. Er denkt an ihre Gespräche über Rainer Maria Rilke und Kathrine Mansfield, die einst zur gleichen Zeit in einem Hotel in der Schweiz lebten, wobei niemand weiß, ob sie sich begegnet sind. Nun spürt er nur noch eine große Leere und sieht in seinem Leben keinen Sinn mehr. Zwischen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit gefangen, steigt er in einen Zug nach Norden mit der vagen Idee, allem ein Ende zu machen. Später lernen wir Brit kennen, die in einem Flüchtlingszentrum arbeitet. Dort verwaltet man im Prinzip nur noch den bestehenden Status Quo, und die diejenigen, die dort leben, haben wenig, auf das es sich für sie zu hoffen lohnt. Brit ist noch nicht so abgestumpft, wie ihre Kollegen, doch nur so scheint man die Arbeit dort ertragen zu können. Sie hat sich noch nicht daran gewöhnt, wie herablassend man die Inhaftierten behandelt, ist aber auch sehr pflichtbewusst. Doch eines Tages begegnet sie der 12-jährigen Florence, die es irgendwie schafft, bis zum Leiter der Einrichtung vorzudringen und ihn damit zu konfrontieren, wie schlecht die Bedingungen im Zentrum sind und ihn davon zu überzeugen, die Toiletten reinigen zu lassen. Florence überredet schließlich Brit, mit ihr nach Schottland zu fahren. Dieses 12-jährige Mädchen ist so etwas wie jemand aus einer anderen Welt, was für mich auch erklärt, dass sie in ihrem Auftreten und ihrem Reden ihrem Alter voraus zu sein scheint. Florence ist freundlich, selbstbewusst und stoisch und offenbar voller Glauben an das Gute im Menschen, den all die anderen schon verloren zu haben scheinen. Ein bisschen entrückt kommt sie daher und wirbelt mit ihrer starken Präsenz alles durcheinander. Ali Smith schafft es wieder einmal, ihre Themen sehr gekonnt und organisch miteinander zu verknüpfen: Der zur Zeit der Geschichte noch drohende Brexit, der Umgang mit Flüchtlingen, überhaupt die sich so schnell veränderte Welt, all das ist im Hintergrund auch immer dann spürbar, wenn es gerade nicht Teil der Handlung ist. Aber vor allem sind es ihre Figuren, die mich wieder einmal überzeugt haben. Smith weckt sie souverän mit wenigen Sätzen zum Leben, wie immer schafft sie mehrdimensionale Charaktere, die schnell hineinziehen in die Geschichte. Die Dialoge sind klug und auf den Punkt, während an anderer Stelle alles unkonkret wird und man als Leser*in die Wahl hat, wie man die Fragen, die sich während der Lektüre stellen, beantworten möchte. „Frühling“ ist kreativ und unerwartet. Wie so oft bei Ali Smith sind es also auch wieder in „Frühling“ Suchende, Fragende und Unglückliche, die im Zentrum der Geschichte stehen. Und wie immer kommt das alles einerseits sehr leichtfüßig daher, was aber auf der anderen Seite zur Folge hat, dass das Schwere dann nur umso mehr trifft. Wie die beiden Vorgänger „Herbst“ und „Winter“ ist auch „Frühling“ wieder originell und klug, unterhaltsam und sehr menschenfreundlich und wie auch ihre anderen Romane sehr lesenswert. Im Juli wird bereits der abschließende Teil „Sommer“ bei Luchterhand auf Deutsch erscheinen, der es auch auf die Longlist für den Women’s Prize for Fiction 2021 geschafft hat.

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