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Rezension zu
Winter

Atemberaubend toll!

Von: Fraedherike
26.01.2021

Wo wären wir ohne unsere Fähigkeit, mehr als das zu sehen, was wie sehen sollen? (S. 280) Dunkelheit, Schwermut, Kälte – der Winter ist die Jahreszeit, die uns das Überleben lehrt, uns aber auch näher wieder zusammenbringt, denn Weihnachten steht vor der Tür. Arthur hat vor, das heilige Fest gemeinsam mit seiner Freundin Charlotte bei seiner Mutter Sophia in ihrem Cottage in Cornwall zu verbringen, doch kurz vor ihrer Abreise haben sie einen heftigen Streit: Charlotte hält es nicht mehr aus, wie passiv er ist, sich nur mehr in seiner Arbeit verliert und jegliche Intimität auf der Strecke bleibt. Kurzerhand hackt sie seinen Twitter-Account und seinen Natur-Blog, zerstört seinen Laptop, und veröffentlicht Fake-News in seinem Namen, die das Netz schon bald überrollen. In seiner Verzweiflung trifft er zufällig auf ein junges Mädchen, Lux, und bittet sie, gegen Bezahlung seine Freundin zu spielen und ihn zu seiner Mutter zu begleiten. Dort angekommen merken sie, dass mit Sophia etwas nicht stimmt. Seit mehreren Tagen schon sieht sie Dinge, die nicht sein können, ein fliegender Kopf begleitet sie Tag und Nacht, hält sie wach. Die alte Frau ist abgemagert, wirkt verloren, verwirrt, nicht zu Ort und Zeit orientiert. Um sie wieder auf die Bahn zu bringen, bittet Arthur seine Tante Iris, die in der Nähe wohnt, vorbeizukommen – sehr zum Missfallen seiner Mutter Sophia, die sich seit Iris‘ plötzlichem Verschwinden in ihrer Jugend und ihren aktivistischen Aufmärschen von ihr entzweit hat. Gemeinsam verbringen sie denkwürdigende, alles verändernde Weihnachtstage im Cottage, teilen Erinnerungen und Mythen, führen Dispute und entlarven Lügen – und kommen sich dabei wieder näher. Der zweite Teil von Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett ist, entgegen des Titels, alles andere als schwermütig. Vielmehr belebt er, fordert auf, die Beweggründe und Gefühle seiner Mitmenschen zu ergründen, empathisch zu sein, ein offenes Ohr zu haben. Denn Kommunikation wird viel zu sehr unterschätzt, dabei ist sie der Schlüssel einer guten Beziehung, jeder Interaktion, um Verständnis und Einsicht zu erlangen, sich Hilfe einzufordern und anzubieten. Es hat mich beeindruckt, wie mühelos Ali Smith mit den Wörtern und Phrasen spielt, die Geschichte sich entfalten lässt, ohne dem Leser direkt auf dem Silbertablett zu präsentieren, was ihre Intentionen sind. Gewiss hat die Erzählung im Verlauf phasenweise Längen und Stolpersteine; gerade zu Beginn brauchte ich mehrere Anläufe, um in die Geschichte zu finden – doch dann war ich total gefesselt. Nur langsam, Stück für Stück setzen sich die Puzzleteile der verschiedenen Rückblicke aus der Vergangenheit, verjährten Weihnachtsfestivitäten, Erinnerungen an Arthurs Kindheit, an die Jugend von Iris und Sophia zusammen und ergeben ein beeindruckendes Gesamtbild. Es blieben noch eine Fragen offen, doch das scheint so gewollt zu sein, trumpft „Winter“ mit fragwürdiger Mystik, mit Scheinbildern und Geheimnissen auf, deren Ursprung und Zukunft im Verborgenen bleiben. Trotz dessen nur vier Protagonistin auftreten, schöpft Ali Smith in Bezug auf die einzelnen Persönlichkeiten aus dem Vollen und gibt jedem seine ganz eigene Stimmfarbe. Sie gemeinsam interagieren zu sehen, sich gegenseitig aus der Reserve zu locken, zu reizen, hat mir viel Freude bereitet. Lux als wortwörtliches Licht in all dem zutage tretenden Zynismus schafft es, die gespaltenen Gemüter zu einen, ihnen einen Weg zu bereiten, mit ihrer Vergangenheit bar zu kommen – beinahe wie Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte. So scheint mit „Winter“ eine dunkle Passage des Lebenszyklus‘ beendet, denn nach der Dunkelheit, der Undurchdringlichkeit jeglicher Differenzen und Rückschlage, ist immer ein Licht, bleibt ein Funken Hoffnung – folgt ein neuer Start, ein neuer Frühling. Herzlichen Dank an den @luchterhand_verlag und das @bloggerportal für das #Rezensionsexemplar!

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