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Rezension zu
Unter Wölfen

Geschichte und Fiktion zu einem äußerst spannenden Roman verwoben

Von: Freizeitdesperado
09.12.2019

Schauplatz dieser fiktiven Geschichte ist Nürnberg im Jahr 1942. Die Nazis sind gerade dabei, Deutschland „zu säubern“. Juden werden enteignet, in Ghettos zusammengepfercht und zwangsweise in den Osten deportiert. Nachdem auch die Familie von Isaak Rubinstein den Evakuierungsbescheid erhalten hat, sieht dieser sich zum Handeln gezwungen. Unter hohem Risiko wendet er sich an seine Exfreundin Clara. Er ist überzeugt davon, dass sie der Widerstandsbewegung Fränkische Freiheit angehört und hofft darauf, dass sie ihnen helfen kann. Um die Widerstandsbewegung ist es selbst nicht gut bestellt. Aus der Not heraus schmiedet Clara mit ihren Mitstreitern einen gefährlichen Plan: Adolf Weissmann, einer der angesehensten Ermittler des Deutschen Reichs, ist auf dem Weg nach Nürnberg, um einen Mord aufzuklären. Er soll ausgeschaltet und durch Isaak, der ihm entfernt ähnlich sieht, ersetzt werden. Auf diese Weise will die Widerstandsbewegung an dringend benötigte Informationen kommen. Da Clara befürchtet, Isaak würde bei diesem Unterfangen nicht mitmachen, weiht sie ihn nicht ein. Sie verpasst ihm einen „deutschen“ Haarschnitt und entsprechende Garderobe, stattet ihn mit falschen Papieren und ein paar Verhaltensanweisungen, um nicht als Jude aufzufallen, aus und bringt ihn zum Bahnsteig, wo er in einen Zug nach Wien steigen soll. Da wird Isaak eiskalt überrascht, als er von einem SS-Offizier mit Sturmbannführer Weissmann angesprochen wird. Ihm wird schnell bewusst, was gespielt wird und er fügt sich seiner Rolle. Ein schwieriges Unterfangen für einen Mann, der über sich selbst sagt, dass er nicht besonders mutig ist. Sehr berührt hat mich, wie Alex Beer Isaak die Gegensätze in der Gesellschaft erleben lässt. Noch am Tag zuvor ist er von den Menschen um ihn herum gemieden, beleidigt, bespuckt und bedroht worden. Jetzt wird er als vermeintlicher Kriminalinspektor Adolf Weissmann bewundert, respektiert, gefürchtet. Er begreift, dass dies wie eine Droge wirkt, von der manche Menschen nie genug bekommen können. In Begleitung von Paradenazi Schmitt, der zu Isaaks Unterstützung abgestellt wurde, kommt er als Adolf Weissmann in den Genuss üppiger Mahlzeiten, während Lebensmittel ansonsten rationiert wurden, Juden durch die Diskriminierungen noch wesentlich mehr zu leiden hatten. Er wird von der Atmosphäre im gefürchteten Gestapohauptquartier überrascht: keine schmerzerfüllten Schreie und zornig gebrüllte Befehle, wie er es erwartet hätte, nichts das an die Hölle auf Erden erinnert, die dieses Gebäude für Juden und andere Feinde des Regimes bedeutet. Es geht sachlich, ruhig, geschäftig, wie auf einem ganz beliebigen Amt, zu. Er lernt ranghohe Nazis kennen, wie den Leiter der Gestapo, der Isaaks Liebe zu Büchern teilt und überaus sympathisch wirkt - und doch so viel Leid und Schrecken zu verantworten hat. Als Isaak mit Schmitt beim Vorbeifahren Zeuge einer Deportation wird, lässt sich Isaak zu der Aussage hinreißen, ohne den Stern würde man diesen Menschen nicht ansehen, dass sie Juden sind. Schmitt stimmt dem etwas zögernd zu, führt dann aber weiter aus, dass man es am Äußerlichen wohl nicht merken würde, wohl aber durch ihre Art, durch den Charakter, durch deren Habgier und Feigheit. Als Isaak nachfrägt, ob Schmitt jemals einen Juden mit eigenen Augen gesehen hat, räumt dieser ein, sogar mit welchen befreundet gewesen zu sein. »Aber das war davor.« Isaak selbst hatte auch schon bemerkt, dass Schmitt und er in einer anderen Welt wohl Freunde hätten sein können. Es sind Momente wie diese, die „Unter Wölfen“ zu einem so spannenden und vielschichtigen Buch machen. Die Zerrissenheit in der Gesellschaft, die Manipulation der Menschen durch einen perfektionierten Propagandaapparat und permanenter Angst vor Verrat, historische Fakten und ein sympathischer, sehr menschlicher Antiheld - Alex Beer schafft es auf beeindruckende Weise, in ihrem Roman Geschichte und Fiktion zusammen zu bringen. Mein Fazit: „unbedingt lesen“

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