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Rezensionen zu
Von Königreichen hast du geträumt

Álvaro Enrigue

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Álvaro Enrigue – Von Königreichen hast du geträumt (Tu sueño imperios han sido, aus dem Spanischen von Carsten Regling) Der Romananfang ist nichts für schwache Nerven – Jazmín Caldera, ein Teilnehmer und zugleich wichtigster Geldgeber von Hernán Cortés’ Expedition nach Mexiko, findet sich am Abend des 8. November 1519 bei einem Essen mit Angehörigen der aztekischen Oberschicht wieder und hat große Schwierigkeiten, die angebotene Suppe hinunterzubekommen. Allerdings nicht etwa, weil er sie nicht mögen würde, sondern weil er zwischen zwei einheimischen Priestern platziert wurde, die die verfaulenden und vor allem stinkenden Überreste geopferter Krieger am Leib tragen. Mit viel Willenskraft gelingt es ihm, das Essen im Magen zu behalten und damit gleichzeitig das Vertrauen der Herrscherin Atotoxtli zu erlangen, die sowohl Moctezumas Schwester als auch Ehefrau ist. Mit am Tisch sitzen ebenfalls die beiden Übersetzer:innen der Expedition: Gerónimo de Aguilar, ein andalusischer Priester, der mehrere Jahre bei einem Maya-Priester in Yucatán versklavt gelebt hat und vom Maya ins Spanische übersetzt, sowie Malintzin, eine Nahua-Prinzessin, die zwangsweise ebenfalls bei den Maya gelebt hat und vom Nahua ins Maya übersetzt. Wie man sich unschwer denken kann, führen diese beiden Zwischenstationen nicht unbedingt dazu, dass die Unterhaltungen problemlos über die Bühne gehen. Álvaro Enrigue imaginiert im Folgenden eine alternative Geschichtsschreibung, die teilweise psychedelische Züge annimmt. Und das liegt nicht nur an den Pilzen, die Moctezuma so gern konsumiert. Beide Seiten haben unterschiedliche Interessen am Gegenüber, während Moctezuma vor allem von den mitgeführten Pferden fasziniert ist, geht es Cortés vorrangig um die zu raubenden Schätze des Reiches. Es wird auf den folgenden Seiten munter intrigiert, hintergangen und sich verbündet – manche Allianzen sind überraschend und verdeutlichen gleichzeitig, wie unterschiedlich die Sichtweisen auf die jeweils andere Kultur sein können. Wer offen für andere Kulturen ist, kann deren Schönheit erkennen, wer dagegen Angst hat, sieht nur das Schreckliche. Der abschreckende Gestank der ersten Szene wird im Übrigen sehr schön in der Beschreibung der Ankunft der Spanier in Tenochtitlan gespiegelt: Während die Spanier sich freuen, dass ihnen die Bevölkerung Blumensträuße entgegenhält, dienen diese in Wahrheit der Gestankabwehr, da die ungewaschenen Männer von den täglich badenden Bewohner:innen der Hauptstadt als unzumutbare Geruchsbelästigung wahrgenommen werden. Auch die unterschiedliche Wahrnehmung von Gerüchen hilft also bei der Einordnung von fremd und eigen. Álvaro Enrigue hat einen fantastischen historischen Roman geschrieben, der zeigt, auf welchen Zufällen und Missverständnissen Geschichte basiert und wie sehr der eigene voreingenommene Blick auf die vermeintlich Fremden das Urteilsvermögen trüben kann. Heimliche Hauptfiguren sind hier die beiden Frauen Malintzin und Atotoxtli, die das Machtgehabe der Männer durchaus für sich zu nutzen wissen. Mir hat der Roman wirklich gut gefallen, allerdings habe ich mich während des Studiums ein wenig mit aztekischer Geschichte befasst. Wer kein Vorwissen hat, muss wahrscheinlich häufiger googeln, aber das sollte den Spaß nicht trüben.

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Zeitreise

Von: Lesereien

18.09.2023

Tenochtitlán 1519. Hernán Cortés und seine Männer, die Konquistadores, kommen in der Stadt der Azteken an. Moctezuma empfängt sie. Das ist die Ausgangssituation, von der aus Álvaro Enrigue ein historisches Aufeinandertreffen zweier Kulturen, zweier Nationen beschreibt, das zu keiner Zeit glorifiziert oder romantisiert: Die Konquistadores können sich nicht benehmen, sind grob und ungehobelt. Moctezuma hingegen schwächelt und verliert sich zunehmend in seiner durch Pilze hervorgerufenen Traumwelt. "Von Königreichen hast du geträumt" ist eine andere Art von historischem Roman. Er besteht aus nur wenigen Dialogen, nimmt unterschiedliche Perspektiven an, denkt sich in die Köpfe seiner Figuren rein und erschafft bewusst kein schwarz-weiß Bild. Er besticht durch seinen Humor, der an keiner der Figuren ein gutes Haar lässt. Aber auf einer ganz anderen Ebene auch durch seine Details, zum Beispiel durch die genauen Beschreibungen der Kleidung und der Orte. Der Palast Moctezumas wirkt dadurch so greifbar, dass überhaupt kein Gefühl von zeitlicher und räumlicher Distanz aufkommt. Schließlich wagt der Autor am Ende ein historisches Gedankenexperiment, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll, das aber für mich einige etwas lange und fast schon langatmige Stellen im Mittelteil wieder wett gemacht hat. Enrigue regt die Fantasie an, aber driftet nicht ins Unglaubwürdig-Fantastische ab und das ist sicherlich eines der bemerkenswerten Charakteristika dieses Romans. Ein Roman also, der es schafft, auf ganz neue Art in eine Vergangenheit vorzudringen, über die schon so viel geschrieben und erzählt worden ist. Eine bereichernde Lektüre.

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