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Rezensionen zu
Ich an meiner Seite

Birgit Birnbacher

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€ 13,00 [D] inkl. MwSt. | € 13,40 [A] | CHF 18,50* (* empf. VK-Preis)

Als der 22-jährige Arthur aus seiner 26-monatigen Haftstrafe entlassen wird, stellt er fest, dass sich an seiner Perspektivlosigkeit vor dem Gefängnis nicht viel verändert hat: Niemand möchte einen Ex-Häftling einstellen, geschweige denn ihm eine Wohnung vermieten. Er nimmt an einem Resozialisierungsprogramm in Form von betreutem Wohnen inklusive Starring-Therapie teil, einem Therapieansatz, der an der Stelle ansetzt, dass es bei der Wiedereingliederung hilft, für sich selbst eine Hauptrolle zu erfinden, auf die man in herausfordernden Situationen zurückgreifen kann. Gemeinsam mit seinem unkonventionellen Therapeuten, seinem anstrengenden Mitbewohner in der WG, seiner berühmten Ersatzmutter und den anderen Beteiligten des Programms beginnt er, seinen eigenen Weg zurück in die Gesellschaft zu suchen. Mit großer Empathie und zugleich anklagend erzählt Birgit Birnbacher in ihrem Roman "Ich an meiner Seite" von einem jungen Mann, der aus einer Mischung aus persönlichen Tragödien und bürokratischen Hürden in die Kriminalität abrutscht, eine traumatische Haftstrafe verbüßt und im Anschluss an einem Resozialisierungsprogramm teilnimmt, um wieder ein "wertvoller" Teil der Gesellschaft zu werden. Ihr Buch ist eine Mischung aus Gesellschaftsstudie und Coming-Of-Age- Roman, mit klarer Sprache erzählt sie in Rückblenden von Arthurs Kindheit und Jugend, die von Verlusten und Einsamkeit geprägt sind, und lässt dabei immer genau so viel offen, dass die Lesenden die Geschichte mit großer Spannung verfolgen. Den Rückblicken gegenüber stehen Arthurs Erfahrungen in der Resozialisierung, sein Leben in der Wohngemeinschaft und seine Teilnahme an der Starring-Therapie. Birnbachers Figuren sind eigenwillig, teils tragisch und urkomisch, sie tragen diese Geschichte, die mir noch lange im Kopf bleiben wird. "Ich an meiner Seite" ist ein Roman über zweite Chancen und neue Anfänge, im Leben, in Beziehungen und in der Gesellschaft - habe ich gerne gelesen!

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Arthur Galleij, geboren im Mai 1988, wird 2010 nach etwas mehr als zwei Jahren Haft entlassen. Dazwischen war ein junges Leben. Sein Vater Ramon haute ab und ließ seine Frau Marianne, mit seinen Söhnen Arthur und Klaus zurück. Während Klaus etwas widerspenstiger ist, war Arthur von Beginn seines Daseins an glücklich. Klaus hingegen trug sein erstes Lächeln, als er mir sechs seine Schultüte voller Smarties bekam. Marianne arbeitet viel, um die Kinder durchzubringen, die sie so liebt. Arthur lächelt im Schlaf, wenn Marianne spätnachts aus der Schicht kommt und das Licht im Flur abdreht, sich vor sein Bett auf den Teppich kniet und ihm durchs Haar streicht, ihn leise und sanft küsst, noch einmal küsst, und noch einmal! Längst ist er wach, aber er möchte nicht stören. S. 30 Die resolute Marianne findet einen neuen Partner und deswegen zieht die ganze Familie nach Spanien, um ein Hospitz für die Reichen unter den Todgeweihten ins Leben zu rufen. Kurz nachdem der taube Budenbesitzer Domingo Arthur übers Ohr haut, möchte Arthur so richtig ausflippen, das klappt aber nicht. Seine Mutter hatte ihnen so oft eingebleut, dass sie lieb sein sollen, lieb zu ihren Mitmenschen und verständnisvoll. Ja und jetzt hat Arthur eben eine Sprechstimme im Kopf, die ihm Anweisungen gibt, allerdings eine von der Sorte, die auch freundlich bitte sagt. Für Klaus und Arthur geht bald alles schief in Spanien. Klaus geht als erster zurück, nach Wien zu seiner Großmutter. Arthur lernt die glorreiche Grazetta kennen, sie ist eine Kundin des Hospitz, ist an ALS erkrankt und wird nicht mehr lange leben. Ihr gesundes Leben lang stand sie auf den Bühnen dieser Welt und spielte ihre Rollen. Fazit: Die Geschichte wird von dem allwissenden Erzähler präsentiert. Ich mag die Technik, die mitten in einem Kapitel abbricht und eine neue Szene entwirft. Die Sprache ist eigen und besonders. Auf dem Golfplatz, den man hinter der Siedlung kräftig grün in die Steppe gekotzt hat, spielt niemand. S. 109 Die Autorin hat Arthurs Persönlichkeit fein gezeichnet. Er zerbricht nicht an den Dingen, die ihm passieren, obwohl sie zutiefst erschütternd sind. Birgit Birnbacher hat einen sensiblen Kämpfer erschaffen, der seinen Sinn für Humor nicht verliert. Sie hat ihm illustre Gestalten an die Seite gestellt, die ihn stärken und begleiten. Gestalten die, aus anderen Gründen als er, ebenso traumatisiert sind, wie Arthur selbst. Letzten Endes ist es eine tiefsinnige Geschichte über prägende Lebenserfahrungen und wie wir damit umgehen.

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„Schon bald habe ich das Gefühl gehabt, dass kein Glanzbild mich hier rausbringen wird, sondern einzig und allein ich an meiner Seite.“ Arthurs Lebensgeschichte lässt einen nicht nur einmal laut aufstöhnen und die Arme nach im ausstrecken, und passiert so oder so ähnlich wohl trotzdem unzählige Male. Er wächst ohne Vater auf, der neue Partner der Mutter spricht nie mit ihm oder seinem Bruder Klaus, sondern grundsätzlich nur über ihn. Als die Erwachsenen beschließen nach Spanien auszuwandern und dort ein Sterbehospiz zu eröffnen, verliert Arthur das Wenige, das bis jetzt Halt bot. Als Klaus dann auch noch aus Spanien abhaut steht er recht verloren da – bis er sich mit zwei Mitschülern anfreundet, Milla und Princeton. Aus dieser Bekanntschaft entwickelt sich ein bisexuelle Dreiecksgeschichte die in einer Tragödie endet. Er verlässt Spanien, geht zurück nach Wien und gerät dort in einen Ausnahmezustand, der schließlich in einer Haftstrafe gipfelt … Jetzt, nach mehr als zwei Jahren Haft steht Arthur 22jährig endlich wieder draußen. Sein erster Weg führt ihn in seine Haftentlassenen-WG, ein von einer Therapie begleitetes Wohnprojekt. Der Therapeut, Konstantin Vogl, genannt Börd, soll Arthur helfen, zu einem stabilen Mitglied der Gesellschaft zu werden und zu seinen recht innovativen Methoden gehören Purzelbäume ebenso, wie das entwickeln einer Optimalversion Arthurs. „Sie sollen sich über diese Figur dermaßen klar werden, dass Sie sie in brenzligen Situationen ‚spielen‘ können, in sie hineinschlüpfen. Sich über etwas hinwegretten, indem Sie so tun, als wären Sie diese Version von sich, die bessere, die weichgezeichnete, die klügere. Und deshalb nicht straffällig werden.“ Auch das von Börd angeregte „Schwarzsprechen“ bei dem Arthur auf Band spricht, was ihn bewegt, ist Teil seiner Resozialisierungstherapie. Dadurch und in Rückblenden erfahren sowohl Börd als auch die Lesenden, WAS den stillen und intelligenten Jungen aus der Bahn geworfen hat. Auch welchen Gewalttaten er im Gefängnis ausgesetzt war, die ihm übelste Flashbacks bescheren. Wir gehen mit zu einer Wohnungsbesichtigung und erleben Absage um Absage auf seine Bewerbungen. Und wir lernen Graziella kennen, eine todkranke und glamouröse ehemalige Schauspielerin, die jetzt Arthurs Ersatzmutter spielt. Trotz allem glaubt man fest, dass er es schaffen wird – bis Börd wieder einmal ein verhängnisvoller Fehler passiert. Börd, der ein Alkohlproblem und Depressionen hat, den auch etwas aus der Bahn geworfen hat und der von seiner Optimalversion gerade ziemlich weit weg ist. Birgit Birnbacher hatte eine reale Vorlage für diesen großartig, oft mit Witz und Lakonie, immer aber feinfühlig, menschenfreundlich erzählten Roman. Das hat mich sehr gefesselt, sehr bewegt. Eine riesengroße #Leseempfehlung!

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Überzeugend

Von: Lesereien

11.10.2023

Arthur war im Gefängnis. Warum, das weiß man zuerst nicht genau. Erst durch eine Reihe von Therapiesitzungen erfahren wir als LeserInnen rückblickend, wie es dazu kommen konnte. Birnbachers letzter Roman, "Wovon wir leben", hatte mich begeistert. Umso neugieriger war ich deshalb auf "Ich an meiner Seite". In beiden Romanen erzählt Birnbacher unaufgeregt von wichtigen Themen: In "Wovon wir leben" geht es um das Land- vs. Stadtleben und in diesem Roman darum, was Menschen dazu veranlassen kann, eine Straftat zu begehen. Der Roman beschäftigt sich mit der Frage, wie das Leben nach dem Vollzug aussieht und wie schwer Straftäter es haben, wenn sie sich wieder in die Gesellschaft integrieren möchten. Beides Themen, die komplex sind, aber Birnbacher gelingt es, sie auf glaubhafte Weise mit den Lebensgeschichten ihrer Figuren zu verweben. Arthur kämpft um einen Praktikumsplatz, um irgendeine Anstellung. Auch eine Wohnung findet er lange Zeit nicht. Trotz Unterstützung, die zum großen Teil eher zweifelhaft ist, öffnen sich ihm keine Türen. Er befindet sich am Rand des gesellschaftlichen Zusammenlebens, dorthin befördert durch den Strafvollzug. "Ich an meiner Seite" ist also ein Roman über das Leben nach der Zeit im Gefängnis. Es ist aber auch eine Geschichte darüber, wie wichtig es ist, von Menschen umgeben zu sein, die einen unterstützen, die sich kümmern und einen gerade in schwierigen Zeiten nicht alleine lassen. Sowohl in emotionaler als auch in materieller Hinsicht. Außerdem zeigt und kritisiert der Roman wie dokumenten- und lebenslaufgläubig die Gesellschaft ist. Der Mensch wird an dem bemessen, was er gemacht hat, nicht an dem, was er ist. Wir alle sind scheinbar human doings, nicht beings. Für mich ein weiterer überzeugender Roman von Birgit Birnbacher. Ich bin ein Fan!

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