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Rezensionen zu
Berlin 1936

Oliver Hilmes

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€ 19,99 [D] inkl. MwSt. | € 20,60 [A] | CHF 27,90* (* empf. VK-Preis)

Pünktlich zum Beginn der Sommerolympiade in Rio habe ich ein Buch über eine andere Olympiade, die genau achzig Jahre zuvor stattgefunden hat, gelesen. Damals wurde das Bild eines Wettstreites gezeigt, der sich nicht nur um Medaillen drehte, sondern der das damalige Deutschland alles andere als judenfeindlich und betont weltoffen zeigen sollte. Es geht um die Sommerolympiade in Berlin 1936, wie uns der Titel bereits verrät. Der Sport steht allerdings nicht im Vordergrund, denn Oliver Hilmes lässt uns in seinem Buch hinter die Kulissen schauen. Er erzählt in einer Zeitspanne von sechzehn Tagen über diverse Einzelschicksale während der Olympiade zur Zeit des beginnenden Nationalsozialismus. Dabei behandelt er diese Schicksale völlig unbekannter Personen genauso, wie die von bekannten Personen, die in der Öffentlichkeit stehen. Das Buch ist in genau sechzehn Abschnitte gegliedert, die die Tage vom 1. bis zum 16. August dokumentieren. Ein schwarz-weiß Foto auf der Vorderseite, danach ein kurzer Wetterbericht des Reichswetterdienstes und im Anschluss erzählt Hilmes das Geschehen des Tages aus Sicht verschiedener Personen. Das können Berühmtheiten wie Leni Riefenstahl sein, die die Olympischen Spiele erstmals aus einer ganz anderen Sichtweise filmen möchte und dabei ungewollt Hindernisse für die Sportler aufstellt oder kurze Sequenzen aus dem Leben ganz normaler Menschen wie du und ich. Aber auch die teilnehmenden Sportler kommen nicht zu kurz, allen voran der Amerikaner Jesse Owens, der die Olympiade dominiert. Hitler ist darüber alles andere als erfreut und erregt sich am schwarzen Läufer, den er als wilden "Dschnugelmenschen" bezeichnet und nicht mit der weißen (Herren-)Rasse gleichsetzt. Einige Personen begleiten wir immer wieder durch diese sechzehn Tage, wie den US-Autor Thomas Wolfe, den Verleger Ernst Rowohlt oder den Barbesitzer Leon Henri Dajou. Göring, Hitler und Goebbels verfolgen die Spiele auf der Tribüne und zeigen sich abends bei diversen Festen und Ehrungen, während sie bereits den Krieg planen und die ersten Menschen abtransportieren lassen. Dies wird in kleinen Abschnitten genauso erzählt, wie die Barbesuche der ausländischen Gäste. Tagebucheinträge von Jospeh Goebbels vervollständigen die Sicht auf die Spiele. Man erkennt, wie Hitler und seine Leute nicht nur die Deutschen geschickt manipulieren konnten, sondern auch das ausländische Publikum, sogar Menschen, die voller Skepsis angereist sind und Hitler eher negativ gegenüber standen. Wie gewaltig und beeindruckend hier die gesamte Organisation zum Einsatz kam und was sich hinter den Kulissen alles abspielte, ist oft nur zu erahnen. Aber Propaganda für das eigene Land bei wichtigen Großveranstaltungen gab es nicht nur damals, sondern wird auch heutzutage noch genauso gehandhabt. Ganz zum Ende des Buches als Art Epilog findet man noch ein Kapitel mit der Überschrift "Was wurde aus...?". Hier erfährt der Leser was aus den Menschen geworden ist, über die der Autor in den sechzehn Kapiteln geschrieben hat. Schreibstil: Der Schreibstil von Oliver Hilmes zieht den Leser direkt in das Geschehen und schon befindet man sich in Berlin im Jahr 1936. Obwohl dies ein Sachbuch ist, lebt das Buch von der lebendigen und atmosphärischen Erzählweise des Autors. Oliver Hilmes hat sehr gut recherchiert. Die verschiedenen Schicksale einzelner Personen, die rund um Hitler, Göring und Goebbels eingeflochten sind, machen das Thema etwas leichter und realer. Fazit : "Berlin 1936" ist ein lebendiges Sachbuch. Hier wird Geschichte interessant und unterhaltsam erzählt, man darf hinter die Kulissen blicken und dabei hat der Autor auch noch sehr gut recherchiert.

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In „Berlin 1936“ erzählt der Historiker und Publizist Oliver Hilmes die Geschichte der Olympischen Sommerspiele in Berlin. Während Deutschland sich eigentlich auf einen Krieg vorbereitet und die Rassengesetze in Kraft treten, finden in Berlin die Olympischen Sommerspiele statt. Hitler, der das Geschehen von der Tribüne verfolgt, versucht der Welt und den Besuchern aus dem Ausland ein positives Bild von Deutschland zu vermitteln. Neben den präzisen Beschreibungen der Abläufe im Olympiastadion widmet Oliver Hilmes sich den Schicksalen einzelner Menschen. Er beschreibt die Auswirkungen des Regimes auf die Lebensumstände Homosexueller am Beispiel eines Travestiten, folgt einer Roma-Familie von ihrer Wohnung erst in eine Siedlung bei Marzahn und schließlich in ein Konzentrationslager. Beklemmend und eindrücklich beschreibt er, wie die Olympischen Sommerspiele Einfluss nehmen auf den Lebenslauf vieler Menschen. Wie sie einen Aufschub darstellen, aber keineswegs das Leid abwenden können. Erzählt von verrauchten Kneipen in denen die Gesetze außer Kraft gesetzt zu sein scheinen, von Barbesitzern, die als Vierteljude gelten und sich der Verfolgung ausgesetzt sehen und von ihrer Hoffnung. Hilmes erzählt aber auch von sportlichen Erfolgen, wie denen Jesse Owens‘, der nach seinem Sieg vom deutschen Athleten Luz Long umarmt wird und Arm in Arm mit ihm an der Führerloge vorbei geht. Eine Geste der Freundschaft, die für Long Folgen haben wird. Oliver Hilmes schafft es, die Atmosphäre der Stadt einzufangen. Mit Hilfe zahlreicher Auszüge aus Originaldokumenten, vermittelt er dem Leser die Stimmung, die in diesem Sommer in Berlin gehrrscht haben muss. Eine Mischung aus Beklemmung, Angst und Freude macht sich breit, folgt man seinen Beschreibungen. „Berlin 1936“ verknüpft die sportlichen Ereignisse gekonnt mit der Geschichte des NS-Regimes und macht bewusst, wie perfide das Regime die Spiele zur Propaganda nutzt. „Berlin 1936“ ist bei Siedler erschienen. ISBN: 978-3-8275-0059-5 304 Seiten, 19,99 €.

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Es gibt sehr viele Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass man nie fertig ist mit dieser Thematik. "Berlin 1936" hat mir auch recht gut gefallen. Ich denke, dass es dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen. Die sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht. Neben den sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner Stadtleben, in dem viele Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ... Der Autor hat die Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden. Was sehr nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland instrumentalisiert. Hitler und Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als "Zirkusflöhe". Goebbels und Hitler fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter betrieben. 1936 gab es schon vereinzelt KZ. Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade schauen. Hilmes stellt sich die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen Nationen spricht: >>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016, 106) Oliver Hilmes gebraucht den Begriff "Das Spiel als Massensuggestion". Dazu ein kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch: >>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105) Was hat mich persönlich berührt? Tief berührt hat mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich kämpfen ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner ist und nicht aus Afrika kommt. Auf Seite 206 findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im Exil lebte. In seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht. Dazu dritter Vers: Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´ (Das ist schon durchgesickert) Scheint ganz wie der Franzosenstaat Verjuddet und Verniggert<<. Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<< (Olympisches Gelächter). Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer anderen Erkenntnis: Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f) Mein Fazit? Oliver Hilmes bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere. Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und beeinflussen lässt ... Nun habe ich durch dieses Buch jene Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch nicht gehabt. Das Buch ist gut geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert. Zehn von zehn Punkten.

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16 Tage lang im August 1936, vom 1. bis zum 16.8., bietet sich dem Berlin des Dritten Reiches die Möglichkeit, die Diktatur in den Hintergrund zu rücken, um sich der Welt bestmöglich zu präsentieren. Statt zu Hetzschriften wird die Presse zu fairen Berichterstattungen angehalten – weder soll auf Siege Deutschlands verstärkt hingewiesen, noch sollen sie unter den Tisch gekehrt werden. Vielmehr beeindruckt als abgeschreckt werden rund hunderttausend Gäste durch den großen Aufwand, die sorgfältige Planung und den reibungslosen Ablauf. Auch das Aufgebot an eindrucksvollen Inszenierungen ist schon allein bei der Eröffnungsfeier pompös: Erstmalig findet ein olympischer Fackellauf zur Eröffnung statt, der mit einer Länge von 246 Metern zu den größten jemals gebauten Luftfahrzeugen gehörende Zeppelin „Hindenburg“ zieht über dem Stadion seine Runden, während unten in der Arena das Olympische Synphonie-Orchester große Stücke vertont.Aber auch außerhalb des Stadions gibt es viel zu erleben, beispielsweise locken Bars und Cafés. Oliver Hilmes nimmt einen auf eine Reise in die Zeit der Sommerspiele mit, zeigt einem die verschiedensten Schicksale auf, sodass man nicht nur Interessantes über die Olympischen Spiele, sondern auch durch die Beschreibung neben den Spielen ablaufender Geschichten ein Gefühl für die damalige Zeit erhält. Dem Autor gelingt es, verschiedenste Schicksale und Ereignisse, welche sich in nur sechzehn Tagen zutragen, dicht miteinander zu verknüpfen. Dabei führt er einige Personen an, die man eine Weile begleitet, bis sie wieder zu einem späteren Zeitpunkt aufgegriffen werden. Sehr gut gefällt mir auch der Aufbau des Buches: Jedem Tag ist ein Kapitel gewidmet, das stets mit einer Fotografie und einem kurzen Bericht des Reichswetterdienstes für Berlin beginnt, sodass man sich genau in den Sommer fühlen kann. Danach folgt man jemandem durch den Tag und erfährt im Anschluss daran etwas darüber, was im Stadium vor sich geht. Es folgt ein Einschub aus den täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die einen Blick hinter die Kulissen gewähren. Im Anschluss daran wird der Tag aus Sportler-, Berliner- oder Politiker-Sicht beschrieben, sehr interessant sind meines Erachtens Tagebucheinträge, zum Beispiel von Goebbels. So erfährt man von Auseinandersetzungen oder bemerkt, wo die Fassade zu bröckeln beginnt. Immer wieder werden die Sequenzen und einzelnen Erzählstränge durch Tagesmeldungen der Staatspolizei Berlin, die deutlich machen, dass die nach außen so mühsam gespielte Harmonie und Weltoffenheit mit Ende der Sommerspiele ihr Ende finden wird und auch in den sechzehn Tagen der Spiele nicht tatsächlich nach diesen Werten gelebt oder regiert wird, und durch Auszüge aus dem Berliner Lokal-Anzeiger aufgebrochen. Ich muss gestehen, dass ich mich für sportliche Ereignisse keineswegs begeistern kann; dennoch hat mich dieses Buch in seinen Bann gezogen. Denn es ist keineswegs eine Berichterstattung über die sportlichen Wettkämpfe, sondern vielmehr ein unfassbar lebendiges Portrait. Meines Erachten ist dieses Sachbuch sehr zu empfehlen, sollte man in die Zeit der Olympischen Spiele 1936 eintauchen, sie aus verschiedenen Perspektiven erleben und dabei auch hinter die Kulissen schauen wollen – auch wenn man sich nicht sonderlich für Sport begeistern kann, ist diese Lektüre sehr spannend und vermittelt, da sie sich eben mit der Zeit an sich und nicht nur den Spielen beschäftigt, Wissen zu der Diktatur.

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Der Monat August beginnt. Die Menschen sind in Vorfreude. Die ganze Welt blickt auf die Stadt. Es könnten unbeschwerte und lebendige Olympische Spiele werden, bei denen sich Sportler aus aller Herren Länder im fairen Wettstreit messen können. Doch man schreibt das Jahr 1936, die Stadt trägt den Namen Berlin, die Nationalsozialisten haben seit mehr als drei Jahren das Dritte Reich im festen und unerbittlichen Griff. Der Führer Adolf Hitler und seine oberste Riege wissen, die Spiele für ihre Zwecke zu missbrauchen, eine glanzvolle Scheinwelt zu inszenieren. In seinem Band „Berlin 1936. 16 Tage im August“ entwirft Autor Oliver Hilmes ein lebendiges und facettenreiches Bild dieses sportlichen Großereignisses und der pulsierenden Hauptstadt. Er führt an verschiedene Orte, erzählt von verschiedenen Personen – von sowohl „Normalsterblichen“ als auch prominenten Köpfen. Die meisten der realen Protagonisten verfolgt Hilmes wie an einem roten Faden über längere Zeit: da sind unter anderem der amerikanische Autor Thomas Wolfe und sein deutscher Verleger Ernst Rowohlt, da ist die jüdische Dichterin Mascha Kaléko und Leon Henri Dajou, der Besitzer der Kult-Bar „Quartier Latin“. Manche tauchen indes nur kurz, nahezu schlaglichtartig auf. Viele dieser Schicksale ergreifen und zeigen das wahre Gesicht des Regimes, das unter der inszenierten Scheinwelt nahezu verborgen bleibt. Da werden Sinti und Roma verschleppt und in ein Lager im Stadtteil Marzahn inhaftiert, Homosexuelle, Juden und Andersdenkende verfolgt, die Gesetze systematisch verschärft, die Denunzierung erlebt Hochkonjunktur. Viele dieser grausamen Ereignisse finden im Hintergrund statt, nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die von diesem sportlichen wie medialen Ereignis ge- und verblendet wird. Nur wenige schauen hinter die Maske der heuchlerischen Fratze der Nationalsozialisten. Die Medien sind gleichgeschaltet, die Reichspressekonferenz gibt konkrete Anweisungen an die Medien heraus. Das junge Medium Fernsehen erlebt seine Bewährungsprobe. Die Welt staunt ob des Ausmaßes und der schier gigantischen Organisationsmaschinerie. Es sind Massen, die in das Olympia-Stadion strömen, an Aufmärschen teilnehmen. Doch da gibt es noch eine andere Welt abseits des gleichgeschalteten Reiches: die Bars und Kneipen, in denen sich nicht nur Intellektuelle und Promis aller couleur treffen, sondern in denen auch das normale Volk begrüßt wird. Im Club „Nobel“, in der Sherbini-Bar und im Quartier Latin findet sich allabendlich eine illustre Gästeschar ein – zu einem Glas Wein oder Whisky, zur verpönten Swing-Musik bekannter Kapellen. Hilmes gelingt es, mit zahlreichen Fakten aus seiner sehr intensiven Quellen-Recherche zu informieren und zu überraschen sowie unterhaltsam zu erzählen – oft mit einem herrlich augenzwinkernden Humor. Als einen herben, ja düsteren Kontrast lässt er beim Leser ein Gefühl der Beklemmung entstehen angesichts jener Vielzahl an Schicksalen und Menschen, die unter der braunen Diktatur leiden, deren Leben nicht nur auf den Kopf gestellt wird, sondern schlichtweg in großer Gefahr ist. Kleine kurze Andeutungen weisen in die Zukunft der jeweiligen Personen voraus, von denen letztlich in einem abschließenden Abschnitt mit dem Titel „Was wurde aus…“ erzählt wird. Mit oft traurigen Erkenntnissen, wie zum Beispiel zum Schicksal des deutschen Weitspringers Carl Ludwig „Luz“ Long, der mit seinem Konkurrenten, dem mehrfachen Olympiasieger und amerikanischen Leichtathletik-Star Jesse Owens, Freundschaft schließt. Unter dem leuchtenden Spektakel taucht der dunkle Abgrund auf; das beweist nicht nur die hohe Selbstmordrate in jenen Wochen, sondern auch jene „geheimnisvolle Reisegesellschaft“, die sich von Deutschland aus auf den Weg nach Spanien macht. Es sollen nur noch drei Jahre vergehen, bis der große Krieg ausbricht. Der Bürgerkrieg im Süden Europas ist dessen Prolog. In Hilmes‘ unvergleichlich lebendigem Porträt jener 16 Tage im August finden sich nahe sämtliche gesellschaftlichen Bereiche wieder: Sport und Kultur, die Bühne der Diplomatie genauso wie die große Politik. Der Autor, der sich in früheren Werken unter anderem mit den Biografien von Cosima Wagner, Franz Liszt und Bayern-König Ludwig II. beschäftigt hat, stellt sowohl die Nazi-Größen mit ihrem fanatischen Machtstreben und Rassen-Wahn als auch jene Diplomaten westlicher Nationen sowie Vertreter des olympischen Komitees bloß, die anstatt kritisch Stellung zum Rassismus und Antisemitismus im Dritten Reich zu beziehen, vielmehr wegschauen und kuschen. „Berlin 1936“ ist ein bemerkenswerter Band, der, angereichert mit kleinen und großen Geschichten und mit Original-Zeitdokumenten, den Leser über die Lektüre hinaus weiter beschäftigt und kräftig nachhallt.

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Klappentext: Im Sommer 1936 steht Berlin ganz im Zeichen der Olympischen Spiele. Zehntausende strömen in die deutsche Hauptstadt, die die Nationalsozialisten in diesen sechzehn Tagen als weltoffene Metropole präsentieren wollen. Oliver Hilmes folgt prominenten und völlig unbekannten Personen, Deutschen und ausländischen Gästen durch die fiebrig-flirrende Zeit der Sommerspiele und verknüpft die Ereignisse dieser Tage kunstvoll zum Panorama einer Diktatur im Pausenmodus. Die »Juden verboten«-Schilder sind plötzlich verschwunden, statt des »Horst-Wessel-Lieds« klingen Swing-Töne durch die Straßen. Berlin scheint für kurze Zeit eine ganz normale europäische Großstadt zu sein, doch im Hintergrund arbeitet das NS-Regime weiter daran, die Unterdrückung zu perfektionieren und das Land in den Krieg zu treiben. In »Berlin 1936« erzählt Oliver Hilmes präzise, atmosphärisch dicht und mitreißend von Sportlern und Künstlern, Diplomaten und NS-Größen, Transvestiten und Prostituierten, Restaurantbesitzern und Nachtschwärmern, Berlinern und Touristen. Es sind Geschichten, die faszinieren und verstören, überraschen und bewegen. Es sind die Geschichten von Opfern und Tätern, Mitläufern und Zuschauern. Es ist die Geschichte eines einzigartigen Sommers. Meinung: Sachbücher, die sich mit dem dritten Reich und dem 2. Weltkrieg, mit Hitler und dem Holocaust beschäftigen, gibt es natürlich unzählige auf dem Markt. Und doch ist dieses Thema heutzutage leider aktueller denn je, schaut man sich die aktuellen Ereignisse und die Einstellungen vieler Menschen an. Oliver Hilmes richtet sein Augenmerk in diesem Buch auf die olympischen Spiele 1936, welche Hitler nutzte, um Größe und Macht, sowie bis dahin noch nie dagewesene Spiel zu demonstrieren. Wie gewaltig und auch beeindruckend die Organisation und die Technik, die für die Spiele zum Einsatz kam, waren, stellt der Autor ebenso eindrucksvoll vor, wie die menschlichen Schicksale, die eng mit den Spielen verknüpft sind. Deshalb begegnet man hier nicht nur historisch bekannten Figuren, sondern auch viele eher unbekannte Einzelschicksale werden mit eingebunden und zu Wort gebracht. Dabei schafft der Autor es mühelos, die einzelnen Geschichten zu einem kompakten Roman zu verknüpfen. Dieses Sachbuch liest sich daher wie ein Gesellschaftsroman, stellenweise wie ein Krimi, manchmal wie ein Tatsachenbericht und fesselt die Leser an diesen dichten Roman. Man merkt dem Buch an, das der Autor sehr gut und genau recherchiert hat, und ich ziehe meinen Hut vor der Leistung, dermaßen viele Dokumente zusammenzutragen und zu ordnen, um diese in sinnvolle Zusammenhänge zu setzen. Jedes Kapitel durchläuft genau einen Tag und wird mit einer Fotografie eingeleitet, gefolgt von dem jeweiligen Wetterbericht des Tages. Oliver Hilmes Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er weiß, wie er Spannung im Roman aufbaut, sein Fachwissen belehrend, aber nicht weniger unterhaltend einbringt und dabei trotzdem sachlich zu bleiben. Neben den kleinen Einzelschicksalen und Episoden gibt es auch größere Konstrukte im Roman, deren Verlauf die 16 Tage maßgeblich beeinflusst und der Geschichte den roten Faden geben. Natürlich hat man als Leser schon eine Ahnung, was auf die Betroffenen zukommen wird und manch eine zum damaligen Zeitpunkt sportliche Überraschung ist uns heutzutage natürlich schon bekannt, trotzdem verfolgt man nahezu atemlos diese Ereignisse und hofft, bangt und fiebert mit den Protagonisten und Athleten. Vielen Dank an den Siedler Verlag für das Rezensionsexemplar. Fazit: Berlin 1936 ist nicht nur gut recherchiert, sondern auch wirklich stark und unterhaltsam geschrieben. Gerade bei den aktuellen Geschehen in unserer Welt, sei es die Flüchtlingskrise, die politische Entwicklung oder die allgemeine Einstellung der Bevölkerung, ist dieser Roman ein wirklich wichtiges Buch, dass einem vor Augen führt, wohin Hass und Unterdrückung führen, und dass der äußere Schein oft mehr als trügen kann. Von mir gibt es 5 von 5 Punkten.

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BERLIN 1936

Von: Janine

04.07.2016

Egal, ob man sie mag oder nicht, Sportgroßereignisse lässt sich schwer aus dem Weg gehen. Olympiaden und Fußball-Meisterschaften bestimmen in einem festen Turnus immer wieder die Berichterstattung und lassen Zuschauer verschiedenster Nationalitäten mit fiebern. In seinem Buch Berlin 1936 nimmt der Historiker Oliver Hilmes den Leser mit zu solch einem Großereignis: Den Olympischen Spielen in Berlin. Warum sollte man sich mit einem Sportereignis beschäftigen, dass achtzig Jahre zurück liegt? Berlin ist 1936 eine Metropole der Gegensätze. Die Nationalsozialisten sind bereits seit drei Jahren an der Macht, Juden und andere Minderheiten werden zunehmend verfolgt und Vorbereitungen für einen Krieg getroffen. Durch die Olympischen Spiele bietet sich dem Regime nun die Möglichkeit einer Selbstinszenierung als friedliches, weltoffenes Deutschland. So schön die Vorstellung von „es geht nur um den Sport“ auch wäre – es steckt jede Menge Kalkül und politische Taktik dahinter. „Ein Redakteur des Berliner Lokal-Anzeigers beweist vermutlich eher unfreiwillig feinen politischen Humor, als er seinem Artikel über die aktuelle Scala-Saison eine Überschrift voranstellt, die auch auf die gesamten Olympischen Spiele gemünzt sein könnte: „Herrliche Welt des Scheins.““ – S. 132 Hilmes teilt sein Buch in die sechzehn Augusttage der Spiele ein und lässt sie anhand verschiedener Anekdoten und Persönlichkeiten Revue passieren. Das Text ist episodenhaft, einigen Personen wie dem Schriftsteller Thomas Wolfe begegnet man als Leser aber immer wieder. Eine große Stärke des Buchs ist es, dass nicht nur bekannte Persönlichkeiten aufgegriffen werden, sondern auch normale Bürger, die teilweise ganz andere Sorgen und Nöte haben als das Abschneiden der Deutschen im Medaillenkampf. Hier gibt es den Jungen, der dem Stadionbesuch mit seinem Vater entgegenfiebert, genauso, wie den Transvestiten, der in ständiger Angst vor Denunziation und Verfolgung lebt. Natürlich wird auch von einigen Wettkämpfen berichtet, aber Hilmes Hauptaugenmerk liegt tatsächlich eher auf dem Leben in der Stadt. Ergänzend gibt es neben den einzelnen Episoden den täglichen Wetterbericht, Anweisungen der Reichspressekonferenz, Meldungen der Staatspolizeistelle Berlin, einige Fotografien sowie Auszüge aus Goebbels Tagebuch. Zum Schluss erläutert Hilmes in einem weiteren Kapitel, wie es mit einigen der vorgestellten Personen nach den Spielen weiterging. Mich hat das Buch direkt von der ersten Seite an gefesselt. Ich wusste im Vorfeld nicht besonders viel über die Spiele, aber Hilmes schafft es gut, einen direkt in den August 1936 mitzunehmen.Durch die verschiedenen Episoden ergibt sich nach und nach ein spannendes Ganzes: Vor allem die Ambivalenz zwischen dem, was die Ausländer und die Deutschen selber wahrnehmen, fasziniert dabei ungemein. Genauso fasziniert haben mich die Beschreibungen des Nachtlebens und der verschiedenen Parties in der Stadt, gerade, da sowas meist nicht in Sach- und Geschichtsbücher Einzug hält. Obwohl schon unheimlich viel Material zum Dritten Reich existiert, wirkt Hilmes Buch frisch und vermittelt noch nicht gehörtes. An ein paar Stellen hätte ich mir vielleicht mehr Bildmaterial gewünscht, aber dieses kleine Manko wäre auch mein einziger Kritikpunkt. Wer ein Buch sucht, dass die Olympischen Spiele von 1936 im kleinsten Detail Revue passieren lässt, wird mit Berlin 1936 nicht gut bedient – wer sich dagegen mehr für das Drumherum interessiert, und wie durch Propaganda ein schöner Schein aufgebaut wird, ist bei Hilmes Buch genau richtig.

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Berlin im Jahre 1936. Die Olympiade. Die ganze Welt schaut auf Berlin, auf diese pulsierende Metropole. Als wäre alles wie früher. Früher, in einem Berlin ohne Nazis. Aus den Kneipen und Lokalen dringt der Swing nach draußen. Die "Juden verboten"-Schilder sind verschwunden. Berlin eine Stadt, in der die ganze Welt zu Gast ist. Eine Stadt, ganz offen und herzlich mit jubelnden und fröhlichen Menschen. Von den Massen unbemerkt, vor den Toren Berlins entsteht das KZ Sachsenhausen. "Berlin 1936 - Sechszehn Tage im August" - ein Buch, das mich fasziniert hat, ein Buch, das aus der Masse heraussticht. Der Autor Oliver Hilmes lässt in seinem Buch Menschen zu Wort kommen. Menschen von damals. Besucher der Olympiade, Berliner, Schauspieler, Nazis, Stars, Sportler. Der Leser taucht so ein in ein realistisches Berlin von damals. Menschen und Schauplätze werden lebendig. Als Leser spürt man das prickelnde Leben, den Jubel im Stadion und dann wieder, fast unverhofft, die Angst. Menschen, die zurückgezogen leben. Menschen, die nicht in das Weltbild der Nazis passen.Menschen, die sich unsichtbar machen. Erschreckend und faszinierend zugleich, welche Propaganda-Maschinerie die Nazis in Gang gesetzt haben. Wie konnten so viele Menschen, ja Massen, darauf hereinfallen? Hat man wirklich nicht sehen können, was sich hinter den Kulissen abgespielt hat oder hat man es nicht sehen wollen? 16 Tage im August. Jeder Tag ein Kapitel. Jedes Kapitel beginnt mit dem Wetterbericht des Reichswetterdienstes für Berlin. Dann die Geschichten der Menschen. Manchmal eine kurze Geschichte, manchmal eine Geschichte, die der Leser durch das gesamte Buch folgt, aber immer eine Geschichte, die fesselt, sei sie auch noch so kurz. Mittendrin immer wieder Auszüge aus den täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz und Fotos. Dem Leser wird schnell klar, wie die Propaganda funktioniert hat. Gänsehaut beim Lesen dieser Anweisungen ist gewiss. Genau so ist es mir mit den kurzen Tagesmeldungen der Staatspolizeistelle Berlins ergangen. "Berlin 1936 - Sechzehn Tage im August" ist mitreißend, spannend, atmosphärisch. Das Buch ist verstörend, es ist großartig.Unbedingt lesen!

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