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Rezensionen zu
Der Neue

Tracy Chevalier

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Der Neue

Von: Miss.mesmerized

16.04.2018

Osei kennt die Situation schon, denn regelmäßig muss seine Familie wegen des Diplomaten-Jobs des Vaters umziehen. Wieder einmal ist er der Neue an einer Schule. Und wieder einmal ist er nicht nur neu und kennt niemanden, sondern so wie auch auf den letzten Schulen wird er der einzige Schwarze sein und argwöhnisch beäugt werden. Im Washington der 1970er ist nicht zu erwarten, dass er mit offenen Armen empfangen wird. Doch er scheint sich geirrt zu haben, denn Dee, das hübscheste Mädchen der Schule ist freundlich und offen und nimmt sich seiner an. Das gefällt nicht jedem – Schüler wie Lehrer beobachten diese seltsame Freundschaft und noch am ersten Schultag gelingt es dem missgünstigen Ian, bekannte Mechanismen in Kraft zu setzen und durch geschickte Manipulation ein schlimmes Drama zu provozieren. Tracy Chevalier hat sich, wie vor ihr schon Anne Tyler, Howard Jacobson oder Margaret Atwood, an der Hogarth Shakespeare Reihe beteiligt, die anlässlich des 400. Todesjahres des Barden große zeitgenössische Autoren aufrief, die bekannten Werke des Dichters in die Gegenwart zu verlagern und neu zu erzählen. In „Der Neue“ greift Chevalier die Tragödie um Othello auf, der als einziger Schwarzer unter den Intrigen Iagos im Veneziens um 1600 leiden muss. Sowohl die grundlegende Figurenkonstellation – die verliebten Osei und Dee gegen den intriganten Ian und seinen Gehilfen Rod, die unerwartet von Dees Freundin das entscheidende Hilfsmittel im Kampf gegen den Außenseiter erhalten – hat Chevalier leicht erkennbar übernommen, ebenso wie die Namen, die ohne große Mühe der Vorlage Shakespeares zuzuordnen sind. Die Gliederung des Romans in fünf Kapitel, der zudem der klassischen Dramenstruktur folgt, ist eine gelungene Anspielung an das Original. Das Setting ist jedoch gänzlich verschieden, vom beschaulichen Venedig verlegt die Autorin die Handlung in das weiße Washington der 70er Jahre und lässt etwa 12-jährige Schulkinder die Rollen übernehmen. Die klingt zunächst abstrus, es zeigt sich aber schnell, dass die menschlichen Beweggründe sich in den 400 Jahren nicht verändert haben und welche Kraft Neid, Missgunst und Rache auch nach so langer Zeit immer noch haben und dass sich trotz der zwischenzeitlichen Aufklärung und der gesetzlichen Gleichbehandlung in der Realität nur wenig in den Köpfen bewegt hat. Eine Reihe von unglücklichen Entscheidungen gepaart mit einem ohne erkennbares Motiv bösartig handelnden Charakter sind die Triebfedern in der Geschichte um den schwarzen Außenseiter. Chevalier gelingt es überzeugend trotz der Nähe zu Othello, eine eigene Geschichte zu erzählen, die auch völlig losgelöst von der Tragödie funktioniert. Ihre Schulkinder agieren genau so, wie man es von Kindern in diesem Alter erwarten würde. Ihr zentraler Konflikt entzündet sich an einem Mäppchen und wirkt absolut glaubwürdig, ebenso wie alle Folgehandlungen, die sich hieraus ergeben. Auch in diesem jungen Alter haben sie schon eine Vorstellung von der Ordnung der Welt, die klar zwischen schwarz und weiß unterscheidet, und sie handeln bereits im vollen Bewusstsein, dass jede Entscheidung, die sie treffen, gewisse Folgen für ihr Ansehen in der Gruppe haben wird. Sie können sogar antizipieren, was geschehen wird, so vertraut sind sie mit den Charakterzügen ihrer Mitschüler. Das Kindsein hindert sie nicht daran, in dieselben Fallen zu treten wie auch Erwachsene. „Der Neue“ konnte meine recht hohen Erwartungen voll erfüllen. Nach den letzten Adaptionen von Atwood und St Aubyn hingt die Messlatte hoch, aber Tracy Chevalier ist es ebenfalls gelungen aus einem alten Stoff eine neue Geschichte zu entwerfen, die von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt.

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