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Rezension zu
Die Inklusionsfalle

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Inklusion auf dem Prüfstand

Von: Ela Kranz (Lehrercafe)
13.06.2017

Der Titel „Die Inklusionsfalle“ verlockt, nicht aufreißerisch, eher prosaisch. Auffordernd verlockt er zum Lesen des Buches. Aufgefordert sollten sein: Interessierte, Betroffene, Eltern mit und ohne behinderte aber schulpflichtige Kinder, Inkludierte oder jene, die es werden sollen/wollen, und Lehrer sowie Schulträger, die hineintappen sollen, in die Falle. „Inklusion“ – was das bedeutet, ist wohl jedem hinreichend bekannt. „Falle“ – das hört sich nach einem Hinterhalt an, oder auch nach einer Hinterlist, vielleicht auch nach einer Grube, in die man hineinfallen kann. „Inklusionsfalle“ in der Zusammensetzung – das lässt dann schon auf Betrug, Täuschung oder Misserfolg schließen, zumal der Untertitel „Wie eine gut gemeinte Idee unser Bildungssystem ruiniert“ andeutet, dass der Autor nicht gerade positiv beschreiben wird, was der Inklusionsgedanke der deutschen Schullandschaft angetan hat. Schon beim Lesen des Klappentextes denke ich: Ich kann Inklusion nicht, ich habe Inklusion nie gelernt und trotzdem verlangt man es jeden verdammten Tag von mir, der Lehrerin, die jeden schulpolitischen Wahnsinn zu ertragen und die Auswirkungen mitzutragen hat. In so manchen Unterrichtseinheiten sollte mir ein Förderschullehrer zur Seite stehen. Der befindet sich allerdings in einer anderen Klasse, wo er noch dringender gebraucht wird. Das Buch beschreibt auf vielen Seiten, was mir und anderen Pädagogen geschieht, was von uns verlangt wird, wie Eltern und deren Kinder getäuscht werden, nicht nur die mit behinderten Kindern. Denn was häufig vergessen wird, auch die nicht behinderten Kinder leiden unter der politischen Doktrin. Freier Elternwille, immer weniger Förderschulen, Unterfinanzierung, kaum geeignetes Personal, ungenügende Fort- und Weiterbildungen - Unzufriedenheiten ohne Ende in einem politisch gewollten Missgeschick mit verhängnisvollen Folgen. Über all das berichtet das Buch von Beginn an, es ist spannend, und ich finde mich auf fast jeder Seite wieder. Beim Lesen fällt auf, dass Michael Felten keinesfalls als Gegner einer Inklusion betrachtet werden sollte, was mir gut gefällt. Aber er schafft es, gemachte Fehler und eingetretene Missstände aufzudecken und dabei zwischen den Zeilen klar und deutlich Position zu beziehen. In seinen Erläuterungen, die sich größtenteils sehr praxisnah gestalten, bleibt er sachlich und fair, dennoch anprangernd bzgl. der Umstände, wie Inklusion tatsächlich stattfindet in Schulen, anprangernd dahingehend, wie ein völlig unterfinanziertes und ein völlig falsch verstandenes Projekt zu derart viel Leid in der Gesellschaft führt. Ausführenden des Inklusionsgedanken (Lehrern) fehlen häufig Qualifikationen, um sich selbst und den Betroffenen gerecht zu werden. Denjenigen, die qualifiziert sind (Förderschullehrer), entzieht man seit Jahren aus kostensparenden Gründen ihre eigentlichen Arbeitsbereiche, zahlreiche Förderschulen sind bereits geschlossen oder stehen auf dem Prüfstand. Das Buch zeigt mehr als einmal auf, dass die Grenzen des Inklusionskonzepts längst erreicht sind, und dass das angestrebte gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern bei weitem nicht auf alle und jeden übergestülpt werden kann. Weiterhin gibt das Buch dem Leser einen Überblick über hinreichend gesammelte Erfahrungen und Forschungsbefunde, die in der aktuellen Inklusionsdebatte nicht genügend wahrgenommen werden. Am Ende des Lesens wird klar, dass der schulische Umgang mit Behinderung für alle am Prozess Beteiligten umgestaltet werden muss: Wenn Inklusion, dann hochqualifiziert mit exzellent ausgebildetem Fachpersonal und ansprechenden Rahmenbedingungen. Wenn Inklusion, dann bitte nur dort, wo es sinnvoll erscheint und gewollt ist. Und wenn getrennter Unterricht von Nöten ist, dann sollte ihm unweigerlich entsprochen werden. Das Buch liefert im Mittelteil einen Blick in angrenzende europäische Länder und stellt Vergleiche an zu deren schulpolitische Inklusionsbemühungen und Ansinnen. Damit zeigt Michael Felten auf, dass auch in jenen Ländern, in denen die Rahmenbedingungen zur gelingenden Inklusion nicht gegeben sind, diese lediglich auf dem Papier existiert und mit einem Erreichen von Wohlbefinden von Behinderten wenig zu tun hat. In den nordischen Ländern läuft laut Felten die Inklusion zwar besser, allerdings auch nicht reibungslos. Eine PISA-Studie belegt dazu, dass sich unsere nordischen Nachbarländer zunehmend leistungsorientierter und privatisierter in schulischen Bereichen ausrichten. Besitzen die Eltern dort das entsprechende „Kleingeld“, schicken sie ihre Kinder immer häufiger auf Privatschulen, an denen keine Inklusion durchgeführt wird. Inwieweit sich dieser Trend auch bei uns durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Fakt ist jedoch, dass die Unzufriedenheit bzgl. der nicht bzw. schlecht funktionierenden Inklusionsschulen auf Eltern- und Lehrerseite wächst und einer nicht reagierenden Politik, da diese der Kosteneinsparung treu bleibt, gegenübersteht. Wenn Bemühungen von Leidtragenden nicht ausreichen, Situationen zu ändern, wird es zwangsläufig passieren, dass private Bestrebungen in Richtung Privatschulen auch bei uns in Deutschland Aufwind bekommen. Am Ende gibt der Autor Ratschläge, die das Buch nicht nur sinnvoll abrunden, sondern sie machen es wertvoll für den Lesenden. Er fordert unterstützende Programme für Lehrer und erläutert auch, wie diese aussehen könnten. Er argumentiert, warum Lehrer sich nicht alles gefallen lassen müssen und wie sie auch im Rahmen ihrer Zwänge Möglichkeiten finden können, sich öffentlich zu äußern. Und er empfiehlt, den Parteien und den Politikern auf den Zahn zu fühlen und Initiativen zu ergreifen. Gerade in den Zeiten der bevorstehenden Bundestagswahl macht es Sinn, dieses zu lesen, da die Schulpolitik schon so manchen Wahlausgang bestimmte. Fazit Das Buch ist lebendig, leserfreundlich vor allem anschaulich geschrieben. Wer sich für dieses schulpolitische Desaster interessiert, wird es nicht mehr aus der Hand legen, bis er am Ende angelangt ist. Der Autor hat die vielfältigsten wissenschaftlichen und publizierten Quellen, die zur Thematik veröffentlicht wurden, zur Recherche genutzt. Diese tiefgründige Auseinandersetzung ist der Erarbeitung anzumerken und man merkt, dass der Autor weiß, wovon er spricht bzw. schreibt. Hinzu kommt seine langjährige Tätigkeit als Pädagoge und damit ein enormer persönlicher Erfahrungsschatz. Dieses Buch ist mehr als lesenswert, es regt betreibt eine schonungslose Bestandsaufnahme, bietet Lösungsansätze und könnte in vielerlei Hinsicht der Auslöser von fachlichen und schulpolitischen Diskussionen sein. Ich spreche eine absolute Kaufempfehlung aus. Ela Kranz aus dem Lehrercafe

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