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Rezension zu
Ich bin niemand

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Gepflegte Langeweile

Von: ralfreitze
06.06.2017

Kennt ihr das auch? Ihr seid auf einer Party, Geburtstag, Empfang oder einfach auf einem offiziellen gesellschaftlichen Ereignis. Dort trefft ihr eine gepflegte, nett aussehende, distinguierte Person. Ihr kommt ins Gespräch, das vom Thema her sehr anregend ist, aber bald könnt ihr eurem Gegenüber nicht mehr zuhören. Warum? Das Thema ist nicht langweilig, die Worte fließen geschmackvoll und eloquent. Aber ihr könnt Euch nicht des Eindruckes erwehren, dass ihr jetzt sofort einen Grund braucht um zu verschwinden. Sofort. Vielleicht müsst ihr dringend in der Nase bohren, die Hände waschen? Gequält versucht ihr, elegant die Kurve zu bekommen, doch euer Gegenüber merkt eure Qual nicht. Die Redeflut erreicht ihren Höchststand (falls man davon sprechen kann) und ihr wisst schon gar nicht mehr, um was es geht und registriert auch gar nicht mehr, was das Gegenüber noch sagt. Ja? Kennt ihr? Stellt euch das Ganze gedruckt vor, dann habt ihr den Roman Ich bin Niemand von Patrick Flanery in der Hand. Auch hier ist das Thema interessant. Es geht um die allgegenwärtigen Überwachungsszenarien. Ein Professor, der jüngst aus Oxford zurück in die Staaten kommt, bemerkt, dass er anscheinend eine Mail an eine Studentin geschickt hat, bei der um die Verschiebung eines Termins bat, an die er sich nicht erinnern kann. Auch die Bestätigung der Verschiebung, an seinen E-Mail Account geschickt, liest er erst, als die Studentin nicht zu dem Treffpunkt erscheint. Der komplette Roman ist aus der Sicht dieses Professors geschrieben. Tief taucht der Leser in dessen Gedanken ein und erlebt ein zwar literarisch sicherlich gepflegtes Lesen – aber es passiert fast nichts. Die Gedankengänge des auch nicht sehr sympathischen Mannes, drehen sich um Paranoia, seine Einsamkeit und sein früheres Leben. Geheimnisvoll ist der Empfang von Päckchen, in denen, fein säuberlich ausgedruckt, seine Internetaktionen, Nummern, Dauer und Zeit der Telefongespräche und sogar sein Leben in Bildern vorliegen. Wer macht sich die Mühe so etwas zu tun? Und warum? Jede Begegnung mit Fremden und komische Situationen geraten für den Professor zum Verdacht, dass er beobachtet wird: „Als ich dort stand und auf die Stadt blickte, bemerkte ich auf dem Gehsteig einen Mann, der stehen blieb und zu meinem Fenster hochsah. Diesmal gab es für mich keinen Zweifel. Er starrte mich an und war sich bewusst, dass ich zurückstarrte. Das Zimmer war dunkel, also konnte ich ihn deutlich sehen, aber es gab keine Möglichkeit, das Gesicht des Mannes zu erkennen, weil er eine Skimaske trug, die nur die Augen freiließ, die in der frostigen Nacht glitzerten.“ Aber auch seine Tochter und ihr Mann können ihn nur an Anwälte und Therapeuten verweisen. Hat die frühere Verbindung zu einer ägyptischen Studentin, mit dieser Überwachung zu tun? Denkt der CIA, er wäre ein Terrorist? Sicher ein interessantes Thema. Doch was Flanery daraus macht, ist weder spannend noch spornt es den Leser an, am Thema und Buch zu bleiben. Ich musste mich durch die, immer wiederholenden bräsigen Gedanken des Jeremy O’Keefe quälen. Ständig schweift dieser vom Thema ab, beschreibt in allen Details Kleider oder Filmszenen und kehrt nicht zum eigentlichen Geschehen zurück. Was Steinfest in Vollendung gelingt, nämlich die Umleitung zur eigentlichen Geschichte zu machen, wirkt bei Flanery vollkommen zerfasernd und umständlich. Die Geschichte bietet dadurch auch keinerlei Höhepunkte, um auch nur annähernd als spannend zu gelten und auch das Ende punktete nicht. Weder mit interessanten oder gar neuen Ideen zu diesem Thema, noch mit einem Knalleffekt. Alleine die Sprache ist elegant, stilsicher und hochwertig. Doch was helfen mir teure, gute Ölfarben, wenn ich kein Bild daraus erkennen kann. Eine erste Leseenttäuschung diesen Jahres.

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