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Rezension zu
Haie in Zeiten von Erlösern

Der Ruf des Schicksals

Von: Bjoernandbooks aus Hildesheim
14.09.2022

VORSICHT SPOILER! Dean, Nainoa und Kaui sind Geschwister. Sie leben mit ihren Eltern auf Hawaii, ein einfaches Leben voller Entbehrungen, immer auf der Suche nach dem nächsten kleinen Fitzelchen Glück. Das Schicksal scheint plötzlich eine Chance für die Familie bereitzuhalten. Bei einem Bootsausflug kurz vor dem Umzug in ihre möglicherweise neue Realität fällt Nainoa von Bord. Wer sich ihm als erstes nähert? Die Haie! Doch der größte von ihnen frisst Noa nicht, sondern bringt ihn in seinem Maul liegend zurück zum Schiff. Ein Wunder! Und Noa nimmt sein gottgegebenes Schicksal an, stellt sich als Heiler in den Dienst der Gesellschaft. Was der Familie zunächst Kraft gibt, bringt sie nach und nach auseinander, entfernt alle fünf immer mehr von sich selbst und den anderen. Die Kinder ziehen aufs amerikanische Festland, beginnen ein Leben fernab der hawaiianischen Heimat, weit weg von Mythos und Magie. Doch alle drei – besonders Noa – schaffen es nicht, in dem Leben fernab ihrer Wurzeln anzukommen. Dramen kündigen sich an... „Humor war eine Fremdsprache, die ich mal fließend gekonnt hatte, in der ich jetzt aber nach den einfachsten Substantiven und Verben suchen musste: Es war alles irgendwo da, aber ich kam nicht dran“ (S. 197) „Haie in Zeiten von Erlösern“ ist ein Debüt, das es in sich hat, das literarisch wie inhaltlich vieles vereint, Naturverbundenheit, den Glauben und die Macht der Zivilisation hart einander gegenüberstellt. Kapitelweise kommen die Figuren einem vielstimmigen Gesang gleich zu Wort, stülpen eindrücklich ihr Innenleben nach außen, machen sich nackt vor ihrer eigenen Geschichte, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Immer dabei im Fokus: ihre Familie, auch wenn sie oftmals physisch wie mental weit entfernt scheint. Kawai Strong Washburn kreiert in seinem Roman nicht nur eine im Körpergedächtnis sich festhakende Atmosphäre, die uns ein Hawaii präsentiert, fernab von Blumenketten und Reisekatalogen, sondern auch eine Familiengeschichte, die an die Great American Novels zu gemahnen scheint. Die drei Kinder, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit zu emanzipieren versuchen, stehen dabei stets im Mittelpunkt: Noa, der von den Göttern Zurückgeschickte, dem versehentlich eine Last aufgebürdet wird, die er sein komplettes Leben nicht abzuschütteln weiß. Dean, das Sport-Ass, das den permanenten Vergleichen mit seinem Bruder nicht aus dem Weg gehen kann, das sich immerzu beweisen muss und dabei an den Rand von Familie und Justiz rückt. Und Kaui, die Schwester, die den Konventionen von Fraulichkeit besonders im provinziell geprägten Umfeld Hawaiis zu entrinnen versucht, die ihr Glück auf dem Festland sucht, deren Erfolg immer weniger wert zu sein scheint als der ihrer Brüder. Große Kraft und große Last gleichermaßen: die Eltern, die Mutter, die alle zusammenhält, die aber gleichzeitig sich selbst fast vergisst, der Vater, der an den Dramen traumatisch zu zerbrechen droht. All diese fünf Biographien komponiert Washburn in fulminanter Weise zu einem Werk zusammen, lässt die Verbindungen wachsen und schrumpfen, zwingt seine Figuren in immer neue Situationen und Umgebungen. Der stetig über der Szenerie schillernde Schleier des magischen Realismus legt sich wie ein Firnis über das Geschehen, wirkt nie zu dominant oder forciert, sondern stets stimmig eingebettet. Mit „Haie in Zeiten von Erlösern“ bekommen wir als Leser*innen die perfekte literarische Kombination: eine intensive Familiengeschichte, die in einem vielschichtigen und gleichzeitig vermeintlich paradiesisch fremden Setting platziert wird, Charaktere mit immenser Tiefe und Facettenreichtum, mit einer Prise Mystik aufgeladen. Ein Roman, der sich temporeich voran arbeitet, der sich wunderbar pageturnend am Strand lesen lässt und gleichzeitig eine hervorragende Grundlage für soziologische Betrachtungen der hawaiianischen Gesellschaft bietet. Ein kleines Juwel im weiten Ozean der Literatur!

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