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Rezension zu
Unterleuten

Juli Zehs skurrile Romanwelt die doch so ähnlich in vielen Dörfern Deutschlands zu vermuten ist

Von: KinderLeseWunder aus Ratzeburg
08.08.2021

Unterleuten von Juli Zeh, mit seinem zweideutigen Titel, der zum Einen den Namen eines fiktiven Dorfes in Brandeburg meint, zum Anderen ein Bild zwischenmenschlicher Beziehungen verspricht, bietet darüber hinaus dem Leser eine Auseinandersetzung mit den heute zum guten Ton gehörenden Umweltschutzmaßnahmen und sehr viel Tragikomik. Trotz oder genau wegen der vielen eher unsympathischen Charakteren hatte ich mit diesem Lesestoff viel Spaß. Für meine Lesegewohnheit schaffte Juli Zeh den Spannungsbogen durchgehend zu halten, obwohl die ersten beiden Wechsel zwischen den Figuren mich doch überraschten. Im Laufe des Romans habe ich diesen Kunstgriff zu schätzen gelern. So wurden dem Leser Geheimnisse enthüllt, die sonst nur ein allwissender Erzähler hätte präsentieren können. Bei einer solche Erzählform wärewahrscheinlich der Aufbau der Spannung durch die erst nach und nach überaus präzise dargestellten Beweggründe der einzelnen Figuren auf der Strecke geblieben. Am Ende des Buches hatte Juli Zeh für jede Figur meine Empathie geweckt und unsere individuelle Welt der Halbwahrheiten bloßgestellt, bei der wir uns alle mit unseren Handlungen im Recht wähnen und nur deshalb unseren Schlaf finden. Bei der Darstellung des Dorflebens durch die Autorin wusste ich zeitweise nicht, ob ich froh sein sollte, in der Stadt zu leben oder Juli Zeh und ihre Figuren um ihr Landleben beneiden. Im einem Dorf, wie im Roman dargestellt, ist man nie allein. Man ist immer „Unter Leuten“. Die Menschen halten, für einen Aussenstehnden teils durch unsichtbare Bande der Vergangenheit, zusammn. Beispielsweise auf der Suche nach einem verschwunden Kind ebenso wie beim Versuch ein Projekt zu verhindern Das Objekt der Eskalation der Jahrzehnte schlummernder Konflikte und die Störung des beschaulichen Alltages mit seinen kleinen Intrigen sind Windräder, die in der Landschaft von Unterleuten aufgestellt werden sollen. Sie bringen neben der erneuerbaren Energie für das deutsche Stromnetz dem Dorf Unterleuten Steuereinnahmen und dem noch zu ermittlenden Besitzer des Landstückes, auf dem der Winpark stehen wird, jahrzehntelange Prämienzahlungen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Zuschlag ebenso wie der Versuch, das Ganze zu verhindern, beginnt. Die Tragikomik des Romans ist in den Schicksalschlägen der Figuren, sowie deren teils skurrilen Verhaltensweisen zu finden. Eine junge Frau, die ihr komplettes Leben nach einem Bestseller ausrichtet, welcher ihr die Macht verspricht Herrin über ihre Mitmenschen zu sein. Ein alter Kommunist, der eine Gruppe von Dorfbewohnern um sich gescharrt hat und überall Reden über dumme Politiker und den verdorbenen Kapitalismus schwingt. Ein Großbauer mit seiner ihm zum verwechseln ähnlich sehenden riesigen Hündin in seinem überdimensionierten Haus mit einem Koikarpfenteich, der eine Freundschaft mit seiner Nachbarin pflegt, die Angst davor hat sich unter freiem Himmel aufzuhalten und mit ihren über 20 Katzen ein kleines Haus teilt. Ein Ehepaar, das aus Berlin nach Unterleuten gezogen ist, um ihren ganz persönlichen Garten Eden aufzubauen, welcher durch den kürzlich aus dem Koma erwachten Nachbarn gestört wird, der Tag und Nacht in seinem Garten Reifen verbrennt und das Ehepaar langsam ausräuchert und einigen Figuren mehr. In dieser komplexen Romanwelt mit den schrägen Figuren und einem ebenso schrägen Ende habe ich mich als Leserin sehr bequem eingerichtet und war über das Auslesen des Buches enttäuscht. Mit diesem Gesellschaftsroman ist Juli Zeh meiner Meinung nach eine glaubwürdige, ungewöhnliche und spannende Geschichte gelungen, die mich wieder mehr erkennen lässt, wie komplex und unvorhersehbar die menschliche Psyche ist und wie wichtig das Verstehen des Einzelnen ist, um eine Katastrophe abzuwenden. Juli Zehs überzeugender Schreibstil ist das I-Tüpfelchen des Romanes. Das Buch stelle ich definitiv in mein analoges Regal und werde es gewiss wieder in die Hand nehmen.

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