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Rezension zu
Die Gestirne

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Goldschürfen

Von: Reich
28.12.2015

Um das Goldschürfen geht es unter anderem in Eleanor Cattons kühnem Roman "Die Gestirne". Und zum Goldschürfer kann und sollte auch der Leser dieses über 1000seitigen Werkes werden. Dabei kann er nur ein wenig oberflächlich kratzen und wird dann mit einer Kriminalhandlung unterhalten, rund um den rätselhaften Tod eines einsam lebenden ehemaligen Goldsuchers, dem spurlosen Verschwinden des reichen Jünglings Emery Staines, der mysteriösen Verbindung, die nicht nur die Beiden zu der Prostituierten Anna hatten und zahlreichen Intrigen und nicht immer ganz sauberen Verstrickungen, in die eine Vielzahl der Einwohner der eher öden Goldgräbersiedlung Hokitika an der rauen Westküste Neuseelands im Jahre 1866 verwickelt sind. Überraschende Wendungen, die Vorfälle werden nur nach und nach geklärt und etliche bleiben auch am Ende der Lesestrecke noch nebulös oder offen. Dabei gelingt es Catton auf beeindruckende Weise, nicht nur im richtigen Moment die Spannungsschraube anzuziehen, sondern auch bei der Fülle der Ereignisse und handelnden Personen bis zum Ende die Fäden fest in der Hand zu halten. Zudem hat der Text einen unterschwelligen, sehr schönen Humor. Trotzdem wäre es schade, sich als Leser nur auf dieser Ebene zu bewegen. Das eigentliche Vergnügen an den "Gestirnen" macht nämlich deren formale Gestaltung aus. Da ist zum einen die wunderbare Sprache, die Eleanor Catton verwendet. Sie ist leicht altertümelnd, viktorianisch, gleichsam als sei sie direkt dem von ihr geschilderten Zeitalter entsprungen. Auch in der Ausführlichkeit, der Zeit, die sie sich mit dem Erzählten nimmt, erinnert die Geschichte mehr an Romane aus der Feder Charles Dickens als an moderne Romankost. Typisch dafür sind auch die kurzen Zusammenfassungen der folgenden Handlung zu Beginn eines jeden Kapitels. Dabei ist die Sprache bei aller Authentizität immer leicht ironisch, ließe sich auch als liebevolle Satire auf gerade diese viktorianischen Romane und ihre Neigung zum romantischen Schauer lesen. Ganz besonderes Augenmerk wird auf die vorsichtige Heranführung des Lesers an die Protagonisten gelegt. Diese werden fast filmisch umkreist, von der genauen äußeren Beschreibung nähert man sich ihren Eigenheiten immer mehr. Ebenso behutsam werden die unterschiedlichen Handlungsfäden entwickelt, verwirrt und dann gegen Ende souverän entrollt. Diese Langsamkeit des Textes geht soweit, dass im ersten Teil über Hunderte von Seiten einzig vom Zusammentreffen der zwölf Hauptprotagonisten mit dem Neuankömmling Walter Moody im Rauchzimmer eines Hotels und ihren unterschiedlichen Schilderungen der Ereignisse berichtet wird. Dabei ist die Zahl Zwölf von großer Bedeutung. Denn der Roman besitzt einen strengen, extrem kunstvollen Aufbau, der sich an den zwölf Sternzeichen, denen jeweils ein Protagonist zugeordnet ist, an Planetenkonstellationen - auch die Planeten werden von verschiedenen Personen vertreten - und dem Verhältnis der "Gestirne" zueinander orientiert. Eleanor Catton bedient sich dabei der exakten Positionen, wie sie 1866 am neuseeländischen Himmel auftraten. Dieser Aufbau, dem die Handlung in jedem Moment folgt, ist stark konstruiert, und diese Künstlichkeit verleugnet der Roman auch an keiner Stelle. Dennoch gelingt es der Autorin, eine spannende Krimihandlung hinein zu packen, die zum Ende auch perfekt aufgeht. Darüber hinaus bietet sie aber auch interessante Einblicke in die Astronomie, verleitet den Leser, sich näher mit Astrologie zu beschäftigen und stellt schließlich auch philosophische Fragen, etwa die vom Verhältnis von Vorbestimmtheit und Zufall. Nebenwege, die der Leser beschreiten kann, aber nicht muss. Die aber den großen Reiz dieses absolut ungewöhnlichen Buches ausmachen.

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