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Rezension zu
Anleitung zum Gehen

Ruhe finden mit Edo Popovic

Von: Kapriziös
16.08.2015

Die Frage nach der guten Gestaltung des eigenen Lebens ist so alt wie der Mensch selbst. Was macht ein schönes Leben aus? Welche Bedeutung wollen wir den Dingen geben? Edo Popovic reflektiert genau darüber in seinem Buch „Anleitung zum Gehen“. Er kommt dabei ganz ohne dieses herkömmliche Entschleunigungs-Psychotherapeuten-Geblubber aus. Edo Popovic Ein kroatischer Schriftsteller schafft es ins Deutsche übersetzt zu werden und kommt dabei noch bei einem größeren Verlag unter. Das passiert in Deutschland nicht so oft. Eigentlich orientiert man sich doch gern an der englischen Literatur und den Trends aus Übersee. Edo Popovic wurde 1957 in Bosnien-Herzegowina geboren und lebt seit 1968 in Zagreb. Er ist ein kroatischer Schriftsteller. In den Neunzigern war er Kriegsberichterstatter über den Balkankonflikt. Von ihm wurden schon mehrere Bücher ins Deutsche übersetzt, beispielsweise „Mitternachtsboogie“ oder „Der Aufstand der Ungenießbaren“. „Anleitung zum Gehen“ Wir sprechen hier nicht über ein Buch über das Schlussmachen, wobei es das indirekt auch sein könnte. Eigentlich geht es um das menschliche Selbst und ob es wirklich so gut ist, was wir mit uns und dem Planeten Erde so anstellen. Im weitesten Sinne handelt dieser poetische Ratgeber von Entschleunigung und der Besinnung auf die wichtigen, relevanten Dinge. „Anleitung zum Gehen“ ist wunderschön gestaltet, viel Weißraum, sehr clean, aber Bilder und Zitate kommen dadurch richtig gut zur Geltung. Eigentlich ist das Buch Urlaub für die Augen. Seinen Urlaub schien Edo Popovic ziemlich häufig mit Wandern und Bergsteigen verbracht zu haben. Das nimmt ab der zweiten Hälfte des Buchs ziemlich viel Platz ein und nervte mich etwas. Aber das ist mein einziger Kritikpunkt. Für mich war das Lesen von „Anleitung zum Gehen“ sehr erholsam und entspannend. Manchmal braucht man jemanden im Leben, der einen fragt, ob es wirklich so schön ist, dass sich hinter dem eigenen Rücken der Blödsinn im Regal stapelt. Man besitzt zu viel Schnulli und eigentlich frage ich mich ständig, wo der herkommt und ob man den auch sinnvoller verwenden könnte. Jetzt wäre die passende Gelegenheit, um ein Untergangslied auf den Kapitalismus anzustimmen, aber das lassen wir heute mal. Wir haben nur das, nur das ist uns gegeben. Weder die Vergangenheit noch die Zukunft, sondern nur dieser kurze Augenblick der Gegenwart. – S. 37 Zu Beginn des Buchs fragt Edo Popovic, was sich eigentlich verändert, hat seit der Zeit, als wir als Affen auf Bäumen saßen. Im Grunde fällt die Antwort ziemlich ernüchternd aus. Der Mensch schwitzt, friert und hat auch immer noch Hunger. Die launen der Natur können wir auch heute noch nicht voraussagen. Was sich wirklich geändert hat, ist unsere Geschwindigkeit und wir haben mehr Angst. Wir bewegen uns wahnsinnig schnell auf dem Planeten, machen irgendwelche extrem wichtigen Aufgaben, aber wirklich ein Ziel haben wir auch heute nicht. Die wenigsten Sachen, die wir machen, fallen nicht dem Nihilismus anheim, wenn man genauer über sie nachdenkt. Aber dafür haben wir mehr Angst. Als der Mensch noch ein Affe war, gab es die Angst gefressen zu werden von irgendwelchen wilden Tieren oder durch Naturkatastrophen und Feuer drauf zu gehen. In Europa muss man vor Wildtieren nur noch selten Angst haben, aber Feuer und Naturkatastrophen lehren uns immer noch die Furcht. Dazu gekommen ist die Angst vor dem beruflichen Versagen, die Angst die Kreditrate nicht mehr finanzieren zu können, die Angst, dass irgendwas kaputt geht von dem Blödsinn im Regal, die Angst es der Gesellschaft oder Familie nicht Rechtmachen zu können, die Angst zu faul zu sein, … Ich höre an dieser Stelle besser auf, sonst können wir alle heute nicht mehr ruhig schlafen. Rein objektiv geht es uns besser als damals, aber subjektiv unterziehen wir uns einem ziemlichen Terror. Wir hören nicht, wir sehen nicht, wir verstehen nicht, und falls wir nach all dem noch etwas verspüren, dann ist es Leere. Eine riesige Leere klafft in uns, und wir müssen etwas tun, um sie zuzuschütten. – S. 49 Das geht mit der Wahrnehmung von Zeit weiter. Ständig verplanen wir unsere Tage. Während wir brav alle Termine schön abarbeiten, nehmen wir dann unser Leben nicht mehr war aus lauter Hektik. Das ist doch auch nicht richtig. Aber wie sollte der Mensch etwas ändern können? Edo Popovics Erkenntnisse sind nicht neu, aber wirklich eine Änderung vollführt der Mensch nicht. „Anleitung zum Gehen“ lehrt dem Leser eine gewisse Ehrfurcht vor dem Selbst. Es zeigt, dass nicht immer das wichtig ist, was wir für wichtig halten. „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ Das wusste schon Kafka. Nach Edo Popovic denke ich eher, ein Buch muss die Axt sein für das stürmende und ewig gierige Meer in uns sein. Dieses Meer steckt in jedem von uns und es frisst sich beharrlich und unaufhaltsam durch die Welt, es rafft, soviel es kann. Fazit Es ist Urlaubszeit, wir haben Zeit zum Nachdenken, wir haben Zeit zum Lesen. Lest „Anleitung zum Gehen“ und denkt über die wichtigen Dinge nach.

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