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Rezension zu
Krähen im Park

Große Empfehlung für diesen aufdeckenden gesellschaftskritischen Roman!

Von: Marina Büttner
21.09.2023

Viele Assoziationen schweben mir entgegen beim Buchtitel des neuen Romans von Christoph Peters. Er selbst sagt, dass das Buch angelehnt sei an „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppen. Auch werden es drei Bände wie Koeppens „Trilogie des Scheiterns“. „Der Sandkasten„ war der erste Band, den ich auch hier bereits besprochen habe. Mir fällt dazu auch noch Kreislers „Tauben vergiften im Park“ ein. Gleichzeitig thematisiert Peters unsere aktuellen gesellschaftlichen Probleme und Differenzen sehr deutlich und hinterfragt kritisch. Und dazu passt dann auch wieder die Tatsache, dass aufgrund des rassistischen Inhalts (wegen des N-Wortes, welches seiner Entstehungszeit geschuldet ist) Koeppens Roman von der Liste der Abitur-Schullektüren in Baden-Württemberg genommen werden soll. (Obgleich selbst Marcel Reich-Ranicki seinerzeit den Roman als wichtigen deutschen Nachkriegsroman in seinen Kanon aufnahm.) Tatsächlich folgt „Krähen im Park“ auch in der Figurenwahl und Gestaltung Koeppens Roman. Peters setzt sie gelungen in die Heute-Zeit um. Die Protagonisten kann man den Originalen zuordnen und auch die Art von Szene zu Szene, von Person zu Person zu springen, trifft Koeppens Duktus. Da ist Urban, der seit langer Zeit vergeblich versucht seinen dritten Roman zu schreiben, seine jüngere Frau Irma und Tochter Leonie. Es gibt den frisch aus Afghanistan geflüchteten Ali Zayed, der unbedingt nach Deutschland wollte, dem die blonden hellhäutigen Frauen gefallen, der zum ersten Mal Bier trinkt, und der gleich am ersten Tag zum Mörder wird. Es gibt Emre, den türkischdeutschen Paketboten, seine schwangere Freundin Dina. Den bekannten Architekten Dirk Mahnfeldt, der teure Eigentumswohnungen baut und dafür auch mal Grünflächen entsorgt, mit seiner noch berühmten Frau einer ehemaligen Schauspielerin und der lesbischen Tochter. „Stadt ohne Raum. Die Mietpreise explodierten, eine Abstellkammer mit Dusche/WC in Kreuzberg für vierhundert Euro, WG-Zimmer in Friedrichshain nicht unter fünfhundert. Die, die Geld hatten, brauchten immer mehr Platz, zweihundert Quadratmeter für einen Single, dreihundert für ein kinderloses Paar. WEIL SIE ES SICH WERT SIND.“ Als Schriftsteller, der zu einer wichtigen Preisverleihung nach Berlin kommt, dient Michel Houellebecq – hier heißt er Bernard Entremont. Die Grabbe-Buchhandlung ist vermutlich dem Georg Büchner Buchladen nachempfunden. Es tauchen mit neuem Namen auf: Sigrid Löffler und Marcel Reich-Ranicki und viele andere. Der Auftritt und die Rede Entremonts ist natürlich provozierend und gegen jede mainstream-woke Meinung. Doch das Publikum ist froh, dass es überhaupt noch Kulturveranstaltungen gibt. Dass es plötzlich währenddessen eine kleine Explosion aufgrund eines technischen Fehlers am Mischpult gibt, scheint irgendwie zur Weltuntergangsstimmung zu passen. Oder war es ein Komplott, eine politische Widerstandsaktion? Man bricht die Veranstaltung ab. All das vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie: die Schlagzeilen dazu im Buch muten heute extrem befremdlich und falsch an. Peters lässt Gesundheitsminister Professor Bernburgs (Karl Lauterbach) Sohn auftreten, der seine Schwierigkeiten mit dem Tun und Lassen seines Vaters hat und als Kritiker seiner Politik gleich mal drei junge Leute zum Kiffen mit in die bewachte Wohnung nimmt. So hat Twitter wieder einen Aufreger mehr, als ein Live-Video davon gemacht wird. „Die Leute konnten doch nicht so vollständig abgestumpft sein, dass selbst ihr Unterbewusstsein keine Reaktion auf den öffentlichen Wahnsinn mehr zeigte. Wo sollte das alles enden, wenn schon die jungen Mütter vor den eigenen Kindern ihr Gesicht versteckten? Wie sollten diese Kinder lernen, was ein Lächeln war, wie die Beruhigung, die von den Zügen der Mutter ausging, erfahren? Härte, Kälte, Vereinzelung waren die Folge“ Christoph Peters greift alle aktuellen Themen unseres Zeitgeschehens auf, ohne dass es gewollt oder überfrachtet wirkt: die Schere zwischen Reichtum und Armut, Flüchtlinge, die Clanwelten, Islamismus, Misogynie, Rassismus, Klassismus, Klimawandel und Coronapolitik. Seine Figuren stehen oft auf gegenüberliegenden Seiten und stellen oft Vorurteile, Schubladendenken dar. Der Autor selbst ergreift jedoch nie Partei für die ein oder andere Seite. Als Leser/in könnte sich die Waage dann doch schnell auf die ein oder andere Seite neigen … Ich habe aufgrund dieser Lektüre große Lust bekommen Koeppens „Tauben im Gras“ zu lesen. Und ich bin gespannt, wie es im nächsten Band der Trilogie weiter geht. Große Empfehlung für diesen aufdeckenden gesellschaftskritischen Roman!

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