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Rezension zu
Gefährten

Gefährten

Von: Letteratura
29.05.2023

Wir befinden uns inmitten der Pandemie, zur Zeit der Lockdowns. Sandy, eine Künstlerin in ihren 50ern, die aus Gedichten Gemälde erschafft, hat sich zurückgezogen in das Haus ihres Vaters, der im Krankenhaus liegt. Sie meidet auch deshalb Gesellschaft, weil sie ihn, den Risikopatienten, nicht gefährden möchte. . Dann erhält sie einen etwas merkwürdigen Anruf einer ehemaligen Studienkollegin, an die sie sich allerdings kaum erinnert. Die erzählt ihr von einem seltsamen Ereignis am Flughafen, setzt dabei eine Nähe zwischen ihnen beiden voraus, die Sandy so nie empfunden hat. Und dieser Anruf, dieses Eintreten oder Wieder-Eintreten der anderen in das Leben der Protagonistin, zieht weitere Begegnungen nach sich, als sich unerwartet die (erwachsenen) Kinder der früheren Bekannten, ein Zwillingspaar, bei Sandy meldet, und zwar zunächst einmal hauptsächlich mit überraschenden Vorwürfen. . Ich bin ein großer Fan von Ali Smiths Büchern, obwohl sie mich durchaus immer wieder auch verwirrt mit ihren Geschichten. Bei „Gefährten“ war das wieder so, vielleicht in höherem Ausmaß. Mehr als einmal habe ich mich gefragt, wo die Geschichte hinführt, was die Autorin mir sagen möchte – dabei sollte ich längst wissen, dass ich in Smiths Romanen keine einfachen Antworten finden werde. Dass sie mir große Freiheiten lässt, wie ich das Gelesene verstehen, einordnen möchte. Dass es die eine Deutung natürlich nicht gibt. Zum Glück. . In „Gefährten“ schlägt Smith wie schon in „Beides sein“, dem Roman, der vor ihrem Jahreszeitenquartett erschien, einen Bogen in eine weit zurückliegende Vergangenheit. In einer mittelalterlichen Welt begegnen wir im aktuellen Roman einem jungen Mädchen, das unter der Pest und ihren Folgen leidet. Die Parallelen zur Coronazeit sind offensichtlich. Plump ist das aber keine Sekunde. . Smith fängt wie immer aktuelle Ereignisse ein, macht Debatten zum Thema, vor allem zeigt sie wieder einmal, dass sie eine Meisterin ist, wenn es darum geht, (skurrile) Szenen zu erschaffen, mit wenigen Worten malt sie sie, schildert merkwürdige Begegnungen derart intensiv, dass es einen sofort mitten hineinzieht. Auch ihre Dialoge, vor allem die zwischen Sandy und den Zwillingen, zwischen Vertreter:innen ganz unterschiedlicher Generationen also, sind absolut auf den Punkt und dabei auch noch ziemlich witzig. . Smith spielt außerdem mit Sprache – das Ersetzen eines einzigen Buchstaben durch einen anderen (in diesem Fall curfew: Ausgangssperre – curlew: Brachvogel ) verändert die Bedeutung komplett. Und doch bleibt vieles nur angedeutet, überlässt sie es ihren Leser:innen, wie sie „Gefährten“ aufnehmen und verstehen möchten. Man kann großen Gefallen an dem Roman finden, ganz abgesehen davon, ob man sämtliche literarische Anspielungen nun erkennt oder nicht. Lässt man all dies zu und sich treiben in und durch die Seiten von Smiths Geschichte um Sandy, dann wird man belohnt werden mit starken, differenzierten Figuren, grandios geschriebenen Szenen über unwahrscheinliche Begegnungen zwischen Menschen, absolut treffenden Dialogen und einem Abbild unserer Welt, das die Autorin in all ihrer Absurdität und Alltäglichkeit sehr fassbar macht. Ali Smith at her best.

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