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Rezension zu
Die Verwandelten

Große Empfehlung

Von: Sarah
05.05.2023

Ulrike Draesners Werk „Die Verwandelten“ war nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse. In meinen Augen völlig zu Recht. Es ist sprachgewaltig, tiefgreifend, erschütternd und zeichnet ein Bild von Frauen in verschiedenen Epochen. Es ist ein Buch der Gegensätze, zwischen Liebe und Hass, Ausgrenzung und Vereinigung, Freude und Schmerz. Es ist eine Suche nach Identität und die Notwendigkeit der Verwandlung. Es ist ein Brechen des Schweigens. - Thematisch ergründet die Autorin eine Familiengeschichte, erzählt aus der weiblichen Perspektive. Da ist Kinga, die junge Anwältin, die erst nach dem Tod ihrer Mutter Alissa auf die Spur ihrer Familie stößt. Doro, die nach und nach erkennt, dass in der Familie viele Geheimnisse herrschen. Allisa, geboren in einem Lebensbornheim und auf der Suche nach ihren Wurzeln. Walla/Reni die fast ihr Leben lang schweigt über ihre Geschichte. Else und Adele mit denen alles begann. 3 Generationen vom Nationalsozialismus bis in die Jetzt-Zeit. - Der Roman hat mich sowohl emotional, als auch intellektuell gefordert. Die sprachliche Ausarbeitung ist anspruchsvoll und verlangt Konzentration beim Lesen. Wechselnde Schreibstile, je nach erzählender Person, der Einbau von polnischen und schlesischen Worten, teils verwirrender Satzbau, aber auch die Poesie zwischen den Zeilen… Die Anstrengung hat sich gelohnt. Draesner schreibt über die Macht von Männern, die sie über Frauen ausüben, sie schreibt darüber, dass sie sich nehmen, was sie wollen, sie schreibt über die Qualen, die diese Unterdrückung verursacht. Das Kriegsgeschehen, die Flucht, das Leid, welches Frauen ertragen, von sexueller Belästigung und Vergewaltigung bis hin zu körperlicher Gewalt und Ausbeutung, stehen im Fokus. Die Autorin findet hier sehr ausdrucksstarke, klare Worte und ich kann nicht behaupten, dass es Spaß macht dies alles zu lesen. Es macht wütend, fassungslos, erzeugt Mitgefühl und zeugt von einer gewissen Ohnmacht. Nichtsdestotrotz ist es unglaublich wertvoll. Es gibt Frauen eine Stimme und bricht das Schweigen über die Geschehnisse der Kriegs- und Nachkriegszeit. Überdies zeigt sie die Nachwirkungen auf folgende Generationen auf, diese Haltlosigkeit, die daraus resultiert, wenn man seine Wurzeln nicht kennt. Die Lebensborn-Heime werden thematisiert und es wird einmal mehr klar, dass damals unglaublich viel im Argen lag. Es wurden damit „Zuchtanstalten“ für „gute Bürger“ geschaffen, Familien auseinander gerissen, Dokumente gefälscht. Ein Prozedere welches es fast unmöglich machte mehr über seine Herkunft zu erfahren. Auch psychische Erkrankungen spielen eine Rolle. Depressionen und PTBS waren nicht selten, wurden aber natürlich nicht als solche erkannt, geschweige denn behandelt. Nein, es gab Zeiten, als diese Erkrankungen sogar versteckt und von den Angehörigen verschleiert werden mussten, da sonst die Deportation drohte. Man könnte nun den Eindruck bekommen, dass der Roman erdrückend, schwer, hoffnungslos und traurig ist und dies mag zum Teil auch stimmen, aber er ist auch voller Freude an den kleinen Dingen, voller Mut. Er gibt den Frauen die Möglichkeit gehört zu werden und zeugt von einer unglaublichen Stärke. Ja die Handelnden haben unglaublich viel Leid erfahren, aber sie haben überlebt, sie haben sich neu erfunden und irgendwie weitergemacht. Während ich den letzten Satz geschrieben habe, überkommt mich wieder eine tiefe Wut und auch Verzweiflung, da ich einsehen muss, dass es immer noch aktuell ist. Klar herrscht gerade kein Krieg bei uns, wir müssen uns nicht um essen oder ein Dach über dem Kopf sorgen, und sicher ist für Frauen vieles besser geworden und trotzdem gibt es immer noch Frauen, die Überlebende sind, die versuchen müssen sich neu zu erfinden und irgendwie weiter machen. Letztendlich glaube ich, dass der Text uns auch sagen will, dass es immer noch ein Kampf ist, aber Schweigen keine Lösung darstellen kann.

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