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Rezension zu
Hanne. Die Leute gucken schon

Eine „Zeitreise“ mit enormer Sogwirkung

Von: Edith N.
13.04.2023

Minden 1951: Endlich! Der Krieg ist nur noch eine verdrängte Erinnerung. „Nach vorne schauen“ heißt die Devise, auch für Minna Volkening, Mitte 40, und ihre Tochter Hanne. Von Männern hat die zweifach geschiedene Schneiderin Minna erst einmal die Nase voll. Wenn es für ihre Tochter und sie wieder aufwärts gehen soll, wird sie mit ihrer Hände Arbeit dafür sorgen müssen. Minna fängt nicht das erste Mal von vorne an. Wenn ich richtig mitgezählt habe, ist das jetzt das dritte Mal. Eine bescheidene Mietwohnung und eine kleine Änderungsschneiderei müssen für den Anfang reichen. Wer Band 1 gelesen hat, weiß, was die Schneiderin auf dem Kasten hat und welche Erfolge sie einst bei Düsseldorfs Reichen und Schönen gefeiert hat. Ganz allein steht Minna zum Glück nicht da. Sie hat ihren Bruder Karl Wolf, den dichtenden Arbeiter, und ihre Freundin Fannie Winter, eine Sinteza, die im KZ ihre gesamte Familie verloren hat. Jetzt müsste es eigentlich für Minna bergauf gehen. Die Leute haben wieder ein bisschen Geld und einen enormen Nachholbedarf in allen Lebensbereichen. Doch es kommt anders. In den folgenden zehn Jahren erkranken Minna und ihre Tochter immer wieder an offener Tuberkulose und sind abwechselnd monatelang in irgendwelchen Lungenheilstätten. Auch wenn sich die Krankheit stets wieder so weit bessert, dass sie als „nicht mehr ansteckend“ entlassen werden, hat das dramatische Konsequenzen. Die Leute fürchten sich vor einer Ansteckung und meiden Minnas Schneiderei. Hanne, die ohnehin nie besonders kontaktfreudig war und seit dem Tod ihrer Schwester geradezu unnatürlich brav und angepasst ist, um niemandem Kummer zu bereiten, verliert durch die ständigen Klinikaufenthalte den Anschluss in der Schule und versäumt in ihrer Jugend entscheidende Entwicklungen. Freundschaften? Ausgehen? Spaß haben? Flirten? Gegen die Mutter rebellieren? Alles Fehlanzeige! Für ihr Alter wirkt sie sehr bieder und naiv. So ist es kein großes Wunder, dass sie 1960 dem erstbesten Kerl auf den Leim geht, der sich für sie interessiert. Wir haben ja im ersten Band schon erfahren, dass es Romy gibt, Hannes Tochter. Deren Erzeuger macht sich nach vollbrachter Tat aus dem Staub und Hanne verschweigt aus Scham seinen Namen. Das bedeutet, das Kind muss ohne väterliche Unterhaltszahlung auskommen, das Geld wird knapp und die Volkenings haben permanent das Jugendamt im Nacken. Aber nicht mit Minna! Mit detektivischem Spürsinn begibt sie sich auf die Suche nach dem Kindsvater … Hanne, die ledige Mutter, kann anstellen, was sie will: Sie kommt einfach nicht auf die Sonnenseite des Lebens. Ihre temperamentvolle und extrovertierte Tochter bleibt ihr fremd. Das wird nicht besser, als Romy in die Pubertät kommt. Ständig fliegen die Fetzen. Was wird erst los sein, wenn sie eines Tages herausbekommt, dass der Mann ihrer Mutter „nur“ ihr Stiefvater ist? Auf Dauer lässt sich so etwas nicht geheim halten. Das ist kein Thriller, hier gibt’s keine Mordfälle aufzuklären – hier passiert „nur“ das pralle Leben. Doch die Story um die Volkening-Frauen entwickelt einen derartigen Sog, dass man einfach nicht aufhören kann zu lesen. Felicitas Fuchs sagt offen, dass die Mütter-Trilogie auf der Geschichte ihrer eigenen Familie basiert. Und weil hier mehrheitlich real existierende Menschen agieren, treffen die auch mal zweifelhafte bis haarsträubende Entscheidungen, die sich aber stets durch ihre Vorgeschichte erklären lassen. Wie wird es nun weitergehen mit Romy und Hanne? Ich bin gespannt! Vor allem wüsste ich gerne, was noch hinter dem „Pakt“ steckt, den Minna mit einer anderen Person geschlossen hat. Ihr Bruder Karl wird ja nicht müde zu betonen, dass sie sich damit strafbar gemacht hat. Ich sehe nur ein bisschen Gemauschel aber keinen Gesetzesverstoß, vermute jedoch, dass wir Leser:innen nicht alles darüber wissen. Was da wohl noch ans Licht kommt …? Die Autorin hat intensiv recherchiert – familiengeschichtlich und zeitgeschichtlich – und großen Wert auf kleine Details gelegt. Das wird im nächsten Band, wenn wir Romy auf ihrem weiteren Lebensweg begleiten, vermutlich genauso sein. Das will ich erleben! Und natürlich will ich dabei sein, wenn Hanne & Co. das Familiengeheimnis krachend um die Ohren fliegt.

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